Er müsse zuerst ein Versprechen einlösen, meinte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bei seiner Ankündigung, dass der Ministerrat die Pflegelehre auf Schiene gebracht hat. In vielen Gesprächen hätten ihm Menschen aus dem Pflegebereich gesagt, der Beruf würde zu negativ dargestellt werden. Dabei sei die Pflege "ein toller Beruf", den die Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen gerne machen würden, so der Gesundheitsminister. Damit in Zukunft mehr Personen diesen tollen Beruf ergreifen, werden nun zwei neue Lehren eingeführt: eine dreijährige Lehre zur Pflegeassistenz und eine vierjährige Lehre zur Pflegefachassistenz. Lehrlinge sollen monatlich rund 600, Quereinsteiger bis zu 1.400 Euro verdienen, so die Beiden.
Das Modell orientiere sich an der Schweiz, die ein ähnliches 2004 eingeführt hat, so Arbeitsminister Kocher. Er verweist darauf, dass in erster Linie die fortschreitende Alterung der Grund für den Fachkräftemangel sei, nicht ein zurückgehendes Interesse an Pflegeberufen. "Die Pflegelehre ist ein Aspekt, diesen Bedarf zu stillen", meinte er. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der im Gesundheits- und Pflegebereich Beschäftigten sogar gestiegen. Derzeit würden hier rund 300.000 Menschen arbeiten.

Die Regierung fixiert Kochers Modell einer Pflegelehre im Ministerrat.
- © apa/ Georg HochmuthErst mit 17 Jahren Arbeit mit Pflegebedürftigen
Einfach wird es mit der Pflegelehre allerdings nicht. Darauf haben Berufsvertretungen und Experten schon in der Begutachtungsphase hingewiesen: Sie warnten vor einer Überforderung der Jugendlichen und des aktuellen Personals. Eines der Probleme ist, dass Jugendliche erst ab dem 17. Lebensjahr mit Menschen arbeiten dürfen. In den ersten Jahren der Lehre könnten sie nur für Hilfstätigkeiten eingesetzt werden. Bei einer drei- beziehungsweise vierjährigen Ausbildung bleibt so wenig Zeit für das Lernen an Menschen. "Das widerspricht dem Sinn einer dualen Ausbildung und fördert keineswegs die Attraktivität des Pflegeberufs", meinte im März der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV), der vor einer hohen Drop-out-Rate warnt. SOS Kinderdorf sieht es ähnlich und befürchtet, dass Lehrlinge anfangs "putzen, Wäsche waschen und Essen bereitstellen" müssen.
Kocher versuchte, die Kritik am Mittwoch einzufangen, am Mindestalter von 17 Jahren wollte er aber nicht rütteln. Es bleibt bestehen. Doch, so Kocher, das durchschnittliche Alter von Jugendlichen, die eine Lehre beginnen, liege bei 16,8 Jahren. Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" meinte das Ministerium, dass sich das auch auf die Lehrpläne auswirken werde. Im ersten Jahr gibt es vor allem theoretischen Unterricht, im zweiten Lehrjahr kann so "ein (deutlich) größerer Teil der Ausbildung" am Patienten erfolgen, all jene, die noch keine 17 Jahre alt sind, lernen die Arbeit am Patienten mit Simulationen, so das Arbeitsministerium.
"Es ist nicht gedacht, dass Jugendliche mit 15 Jahren schon schwierige Pflegesituationen bewältigen müssen", meinte auch Gesundheitsminister Rauch. Am Anfang ihrer Ausbildung würde Lehrlingen vor allem "sozialkommunikative Umgangsformen" beigebracht werden. "Jugendliche lernen, Tagesstrukturen anzubieten und Gespräche zu führen." Das würde die Qualität der Betreuung steigern.
Die Gesundheitsgewerkschaft fürchtet sich wiederum vor einer zusätzlichen Belastung in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die bei grassierenden Personalmangel nicht nur Patienten betreuen, sondern auch noch Ausbildungsaufgaben übernehmen müssten. Die Lehre würde zudem die Ausbildungszeit verlängern: "Die Ausbildung in der Pflegefachassistenz dauert im Rahmen einer Lehre statt zwei vier Jahre und die in der Pflegeassistenz statt einem drei Jahre."
Andauernde Kritik an Ausbildungsmodell
Die Pflegelehre wird als Ausbildungsversuch angelegt. Ein übliches Mittel, um Ausbildungen zu testen. Evaluiert soll spätestens in sieben Jahren werden. Drei Bundesländer würden zu Beginn je eine Berufsschulklasse anbieten: Niederösterreich, Oberösterreich und Vorarlberg. Das sei "eine relativ kleine Kohorte", mit der man starte, meinte Kocher. Mittelfristig geht die Regierung von einem gesteigerten Interesse an der Ausbildung aus und rechnet mit rund 1.000 notwendigen Plätzen.
Das von der Regierung erhoffte gesteigerte Interesse an der Lehre und dem Pflegebereich ist auch dringend notwendig. Denn obwohl die Zahl der im Gesundheits- und Pflegebereich Beschäftigten gestiegen ist, rechnet das Forschungsinstitut Gesund Österreich mit einem zusätzlichen Arbeitskräftebedarf von über 75.000 Personen bis 2030.