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Das Ende

Politik

Nationalrat beschloss das Aus der "Wiener Zeitung" in der jetzigen Form.


Nun ist es Gewissheit: Allen Protesten aus der Zivilgesellschaft, Initiativen aus den verschiedensten Branchen, vieler Prominenter, der Redaktion und zahlreicher namhafter Experten zum Trotz haben die Abgeordneten des Nationalrats heute, Donnerstag, mehrheitlich das neue Gesetz zur "Wiener Zeitung" und damit deren Ende in bisheriger Form - sowohl in Print als auch Online - beschlossen.

Rückverweisungsanträge wurden ebenso ignoriert wie die Kritik sämtlicher Oppositionsparteien, insgesamt lautete das Ergebnis 88:74 für das neue Gesetz (die Regierungsparteien hätten 97 Sitze), das die Einrichtung einer Content-Agentur des Bundes, einer staatlichen Journalistenausbildung sowie eines nach wie vor nicht näher definierten "Online-Nachfolgeprodukts" der Zeitung, allerdings verbunden mit massiven Personalreduktionen in der Redaktion, vorsieht. Diese befürchtete daher zuletzt in öffentlichen Stellungnahmen ebenso wie tausende Unterstützer sowie die Journalistengewerkschaft eine "Zerschlagung der unabhängigen Redaktion" und verwies auf Vorschläge, eine andere Lösung zu finden, um die älteste bis dato noch erscheinende Tageszeitung am Leben zu erhalten.

Scharfe Kritik von SPÖ, FPÖ und Neos

Im Plenum appellierten Abgeordnete der Opposition daher an die Regierungsparteien, dem Gesetzesentwurf nicht stattzugeben - vergeblich.

"Das ist ein schwarzer Tag heute für Österreich als Medienstandort", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried bei der Eröffnung der Debatte - und griff ÖVP und Grüne frontal an: Sie würden in "unfassbarer Ignoranz, Abgehobenheit und Wurschtigkeit" eine Qualitätszeitung "kaltschnäuzig killen", das sei eine "medien- und kulturpolitische Schande". Gleichzeitig werde versucht, die Journalistenausbildung um jenes Geld zu verstaatlichen, das die "Wiener Zeitung" bräuchte, um weiter wie bisher zu bestehen. In den Reihen der SPÖ wurde, vor allem bei der Rede der Medienministerin, demonstrativ die "Wiener Zeitung" gelesen.

Auch aus Sicht der FPÖ ist das Gesetz "ein grober Fehler". Man hätte der ältesten Tageszeitung der Welt die Möglichkeit geben sollen, zu überleben - mit Privatisierung oder einer anderen Weise der Finanzierung, merkte Harald Stefan an. Offenbar habe die Regierung diesen Weg gewählt, weil sie weiter Zugriff haben wolle. Deshalb gebe sie jetzt 20 Millionen Euro für unter anderem auch für eine "höchst fragwürdige Journalistenausbildung in der Weisungskette des Bundeskanzlers".

Unklares Nachfolgemedium

Sehr scharf äußerte sich Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: In "Unfähigkeit, Kurzsichtigkeit, Niedertracht oder Überheblichkeit der Macht" - eines davon garantiert - begehe die Regierung einen "historischen Fehler in ihrer Medienpolitik". Mit dem Ende für die Printzeitung seien ÖVP und Grüne "Totengräber" auch der Demokratie. Unabhängigen Journalismus zu begraben, gleichzeitig eine staatliche Journalistenausbildung im Kanzleramt zu etablieren und mit dem (gestern präsentierten) neuen ORF-Gesetz einen "de facto digitalen Monopolisten" üppigst auszustatten - "das ist in der Methode Kuba und im Ergebnis Ungarn". "Viktor Orban wäre sehr stolz", hielt die Neos-Chefin der Regierung vor.

Damit dürfte die Tageszeitung jedenfalls am 30. Juni dieses Jahres zum letzten Mal erscheinen. Auch wie das geplante Online-Nachfolgemedium, das "nach Maßgabe finanzieller Mittel" auch zehn Mal jährlich in Print erscheinen soll, aussehen wird, ist bis dato völlig unklar. (red)