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Rotes Hochamt, weißer Elefant

Von Simon Rosner

Politik
Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner zog mit Gemeinderätin Mireille Ngosso auf den Rathausplatz.
© Rosner

Rendi-Wagners langjähriger Rivale Doskozil war am Rathausplatz nicht dabei und doch allgegenwärtig.


Die zwei Bewerber um den SPÖ-Vorsitz sowie dessen Inhaberin setzten am 1. Mai allesamt auf Heimspiele: Pamela Rendi-Wagner sprach in Wien, Hans Peter Doskozil im Burgenland und Andreas Babler in Niederösterreich. Die schon lange schwelenden und seit einigen Wochen offen ausgetragenen Konflikte innerhalb der Partei um Ideen, Prioritäten und Führungspersonal boten ein gewisses Potenzial für Gewitterstimmung beim traditionellen Mai-Aufmarsch. 2016 offenbarte sich auf dem Wiener Rathausplatz ein Riss in der Partei, der damalige Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann wurde bei seiner Rede von einigen ausgepfiffen, andere jubelten. Er trat wenige Tage danach zurück.

Doch diesmal kam es anders. Der zuletzt vor allem von den Fangruppen der beiden Herausforderer hart geführte Kampf um die Führung der Partei, den auch Rendi-Wagner mit einem angriffigen Interview in der "ZiB 2" am Sonntag aufgenommen hatte, spielte beim Mai-Aufmarsch nur eine Nebenrolle. Es mag auf Disziplin der Mitglieder und Sympathisanten hindeuten, vielleicht sprach daraus aber auch eine aktuelle Verunsicherung innerhalb der SPÖ.

Der Personal- und Richtungsstreit in der SPÖ offenbarte sich zwar auch am Rathausplatz, doch er spielte eher nur eine Nebenrolle. Fotos:Rosner
© Rosner

Denn obwohl an diesem 1. Mai der Rathausplatz etwas besser besucht war als in vergangenen Jahren, was wohl nicht nur am sonnigen Wetter gelegen sein dürfte, da einige Sektionen von einer Beitrittswelle im Vorfeld der Mitgliederbefragung und mehr Teilnehmern am Sternmarsch berichteten, war insgesamt bemerkenswert wenig politische Agitation auf Plakaten und Transparenten zu beobachten. Obwohl es an potenziellen Themen für die Sozialdemokratie derzeit nicht gerade mangelt. Auch das könnte ein Hinweis auf die zuvor erwähnte Verunsicherung und Orientierungslosigkeit sein.

Ein Aufeinandertreffen, vielleicht gar ein wenig freundschaftliches, zwischen deklarierten Fangruppen der Kandidaten gab es nicht. Vereinzelt waren selbst gebastelte Pro-Babler-Plakate zu sehen, Wahlaufrufe für Rendi-Wagner gab es dagegen kaum, ihre Gegnerschaft zeigte sich aber auch nicht wirklich. Einige Jugendorganisationen übten eher subtil Kritik an der Parteiführung oder sie forderten, wie sonst aber auch, ein Mitgliedervotum bei der Vorsitzwahl.

Doskozil war am Rathausplatz der weiße Elefant. Im Gegensatz zu Babler gab es für ihn weder demonstrative Sympathiebekundungen noch implizite, wie etwa den Ruf nach einem gesetzlichen Mindestlohn, den Doskozil als einziger Kandidat forciert. Ob sich der burgenländische Landeshauptmann aus Wien kaum Rückhalt erwarten darf? Ein älteres Mitglied, jenseits der 80 Jahre, der seit 1948 jedem Mai-Aufmarsch beiwohnte, sprach sogar nur vom "Burgenlandler", der die Einheit der Partei gefährde. Bei jüngeren Wiener Genossen aus Bezirken jenseits des Gürtels, so hörte man auch, soll Doskozil aber durchaus Anhänger haben.

Bei den Reden fiel der Name des Gegenspielers der aktuellen Vorsitzenden kein einziges Mal - und dennoch wurde er mehrfach angesprochen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich - wie später auch Rendi-Wagner - gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aus, er verteidigte die Hoheit der Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen und legte sich fest, dass es zu keiner Koalition mit der FPÖ kommen werde: "Egal, ob mit Kickl oder anderen."

Kampftag ohne Kampfparolen

Inhaltlich wich Rendi-Wagner in ihrer Schlussansprache nicht von Ludwig ab, der Höhepunkt des Tages war ihre Rede aber nicht. Es gab zwar Applaus, aber eher höflichen. Zuvor hatte ein leidenschaftlicher ÖGB-Chef Wolfgang Katzian deutlich mehr Emotionen ausgelöst.

Babler ist unter den drei Bewerbern wohl jener, der unter seinen Anhängern die meiste Begeisterung entfachen kann. Das liegt aber auch daran, dass er, mehr als die anderen, (linke) Politik-Afficionados anspricht, die sich nach Begeisterung sehnen. Doch sind diese in der Mehrzahl bei den Mitgliedern oder doch eher die Pragmatiker? Von Babler kamen am 1. Mai jedenfalls die kämpferischsten Töne aller Kandidaten.

Dass der 1, Mai für die Sozialdemokratie auch ein Kampftag ist, war in Wien dagegen kaum zu bemerken. Eine der letzten Sektionen, die auf dem Rathausplatz eintraf, war jene aus Liesing mit der Dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures sowie Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch an der Spitze. Groß war die Abordnung aus dem 23. Bezirk nicht gerade, und Plakate mit politischen Forderungen und Aufrufen fehlten auch. Bis auf ein einziges vorgefertigtes Schild, das eine Genossin trug, aber auch nur gelegentlich hochhielt: "Weil das Leben mehr kann".