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In der Sackgasse des Labyrinths

Von Simon Rosner

Politik
Illustration: getty images / akindo
© Illustration: getty images / akindo

Über föderale Wirrungen am Beispiel der Spitalsfinanzierung und warum eine Gesundheitsreform (fast) unmöglich ist.


So manches Erbe der Monarchie ist für die Republik noch heute ein Schatz: das Schloss Schönbrunn, das staatliche Schulsystem, die Ringstraße mit Oper, Parlament und Burgtheater und ein bisschen auch die "Wiener Zeitung". Zumindest ein paar Wochen noch. Es gibt aber auch einige Lasten dieses Erbes. Eine davon ist die Zuständigkeit der Bundesländer für Österreichs Spitäler, obwohl das Gesundheitswesen Bundessache ist und im Wesentlichen über die Sozialversicherung finanziert wird. Österreich hat damit, wie nur wenige Länder übrigens, ein Mischsystem aus Versicherungs- und Steuerfinanzierung.

Dieser Umstand hat im Lauf der Zeit zu kafkaesken Wirrungen, gesetzlichen Absurditäten und immer neuen Finanzströmen geführt. Deshalb ist landauf, landab, in Ländern wie im Bund, bei Expertinnen und Praktikern der Konsens gereift: Das. Geht. So. Nicht. Mehr. Gleichzeitig ist alles so kompliziert geworden, dass eine echte Neuaufstellung nicht realistisch und es eher wahrscheinlich ist, dass in den laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich neue Transferströme hinzugefügt werden.

Hier folgt nun der Versuch einer Erklärung, wer in diesem System, was zahlt. Es wird kompliziert, reichlich trocken und bleibt am Ende doch nur eine Skizze. Dafür wird manches auch ein bisschen heiter. Versprochen.

49 Milliarden Euro für Gesundheit

Die gesamten Gesundheitsausgaben beliefen sich im Jahr 2021 auf rund 49 Milliarden Euro und damit 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Sozialversicherung trägt davon etwa 43 Prozent, ein Drittel der Ausgaben ist steuerfinanziert. Der nicht unwesentliche Rest, immerhin ein Viertel, entfällt auf private Krankenversicherungen und Haushalte. Der Anteil der privaten Ausgaben ist seit Jahrzehnten relativ konstant und war in den Jahren vor der Pandemie sogar rückläufig. Doch das ist vor allem der dynamischen Entwicklung der öffentlichen Ausgaben geschuldet gewesen, die noch stärker stiegen. Konsumerhebungen der Statistik Austria zeigen, dass private Haushalte heute fast doppelt so viel für Gesundheit (ohne SV-Beiträge) ausgeben wie vor 20 Jahren. Der Anteil an allen Ausgaben ist mit 4,2 Prozent jedoch eher gering.

In diesem Artikel soll es aber um die öffentliche Finanzierung gehen, also die Verwendung von rund 34 Milliarden Euro. Bund und Länder haben über die Aufteilung der Mittel und die genaue Kompetenzverteilung eine 15a-Vereinbarung abgeschlossen, die alle paar Jahre erneuert und dabei meist leicht verändert wird. Auch in den Verhandlungen um den Finanzausgleich wird über diese 15a-Vereinbarung diskutiert.

Bisher hat es immer eine Einigung gegeben, und das ist auch diesmal zu erwarten. Wenn nicht, wird es aber skurril. Dann tritt nämlich jene Rechtsvorschrift wieder in Kraft, die am 31. Dezember 1977 in Geltung stand. Es handelt sich hier um keinen Tippfehler und es ist logisch, dass dieser Fall nie eintreten darf.

Von den 34 Milliarden Euro fließen insgesamt rund 14 Milliarden Euro in die Spitäler; konkret in die 109 sogenannten Fondsspitäler. Die heißen so, weil sie großteils über einen der neun Landesgesundheitsfonds finanziert werden. Doch es ist sinnvoller, bei der Erläuterung der Finanzierung auf der anderen Seite zu beginnen: im Krankenhaus selbst.

Leistungsorientierte Finanzierung

Sämtliche Leistungen, die dort angeboten werden, von der Untersuchung in der Ambulanz bis zur komplizierten Operation, sind einem Abrechnungssystem unterworfen. Auf die Erläuterung der "leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung" (LKF) wird verzichtet, denn dieser Text ist ein Artikel, kein Buch. Der Grundgedanke aber in Kürze: Der Aufwand soll sich in den Mitteln widerspiegeln. Bis 1997 erfolgte die Abrechnung noch über Tagsätze, unabhängig von Erkrankung und Therapie. Je länger ein Patient im Spital lag, desto besser - finanziell. Es wäre freilich nicht Österreich, wenn dieses leistungsorientierte Abrechnungssystem hier eisern befolgt würde. Es findet entschärft Anwendung.

Wenn ein Spital nach Abrechnung dieser LKF-Mittel sowie der Patientenbeiträge ein Minus schreibt, muss der Träger die Abdeckung übernehmen. Das ist im Fall der Fondsspitäler das Land. Ordensspitäler müssen teilweise auf Spenden zurückgreifen, in der Regel erhalten aber auch sie Subventionen der Länder in Höhe des Abgangbetrags.

Ein Fonds mit vielen Quellen

Bis dahin ist das Finanzierungsgerüst noch simpel und verständlich: Ein Fonds finanziert. Was fehlt, begleicht der Eigentümer. Nun aber wird es komplizierter: Die LKF-Mittel werden nämlich von den neun Landesgesundheitsfonds an die Spitäler ausgeschüttet. Diese Fonds speisen sich wiederum aus fünf Quellen. Länder und Gemeinden müssen einen Teil ihrer Anteile aus der Umsatzsteuer dafür verwenden. Der Bund beteiligt sich an den Fonds über seine Bundesgesundheitsagentur. Die Sozialversicherung leistet einen ertragsorientierten Pauschalbetrag und zusätzlich werden noch Mittel verwendet, die über das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geregelt sind und ebenfalls aus Umsatzsteuer-Einnahmen stammen. Letztere Quelle wurde 1997 erschlossen und sollte eine Kompensation für den Wegfall des Vorsteuerabzuges für Krankenanstalten sein.

Die Bundesgesundheitsagentur firmiert zwar als Beitrag des Bundes, hat aber ihrerseits auch mehrere Geldquellen. In diese Agentur fließen einerseits Steuereinnahmen, andererseits leistet aber auch die Sozialversicherung einen pauschalen Beitrag. Dieser ist aber nicht, wie man vielleicht denken könnte, als ein bestimmter Anteil an den Beitragseinnahmen geregelt. Das ist nur bei den direkten Zahlungen an die Landesgesundheitsfonds der Fall. In der Vereinbarung zur Bundesgesundheitsagentur steht ein konkreter Betrag: 83.573.759,29 Euro. Es ist auf den Cent jener Betrag, der bei Gründung der Agentur 2008 hineingeschrieben wurde. Er ist seither unverändert.

Eine kurze Zusammenfassung zwischendurch: Bund und Sozialversicherung finanzieren die Bundesgesundheitsagentur, die gemeinsam mit Ländern und Gemeinden, dazu mit einem weiteren Beitrag der Sozialversicherung und weiteren Steuereinnahmen die Landesfonds ausstattet. Diese Fonds zahlen dann über ein Punktesystem die von den Spitälern erbrachten Leistungen. Wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen - was fast immer der Fall ist - decken die Länder aus ihren Budgets das Minus ab.

Dass sich im Lauf der Zeit die Zahl der Spitäler, der Betten sowie die Versorgungswirksamkeit der einzelnen Länder verändert haben und in vielen Verhandlungen dann um jeden Cent gerungen wurde, lässt sich aus der aktuellen 15a-Vereinbarung insofern herauslesen, da die Aufteilung der Mittel auf die Bundesländer geradezu grotesk ist.

Für die Bundesgesundheitsagentur werden nämlich zwei Geldtöpfe befüllt. Einer mit 0,453115 Prozent der gemeinsamen Steuereinnahmen, ein zweiter mit 0,411633 Prozent. Der erste, etwas größere Topf wird direkt auf die Länder verteilt, wobei Wien mit 31,376 Prozent den Großteil erhält. Niederösterreich bekommt 14,451 Prozent und Tirol - das wird noch wichtig - exakt 7,982 Prozent. Auch die Mittel der Länder und Gemeinden werden mit diesem Schlüssel auf die Landesfonds aufgeteilt.

Fünf Schlüssel für neun Länder

Aus dem zweiten Topf der Bundesgesundheitsagentur erhalten zunächst sieben Bundesländer Vorab-Zahlungen, Wien und das Burgenland nicht. Niederösterreich bekommt hier lediglich 2 Millionen Euro, Tirol jedoch gleich 14 Millionen. Der Grund dafür ist die Behandlung von (ausländischen) Gästen nach Skiunfällen in Tirol. Nachdem einige weitere Millionen Euro an das Transplantationswesen, an Elga sowie an die Gesundheit Österreich GmbH fließen, wird der Rest an die Bundesländer ausgeschüttet, aber nicht einfach, sondern höchst kompliziert mittels angewandter föderaler Mathematik.

Dazu wird der Restbetrag des zweiten Topfes der Bundesgesundheitsagentur in vier weitere Töpfe aufgeteilt, die allesamt unterschiedliche Aufteilungsschlüssel besitzen. Wien, als Beispiel, erhält aus einem dieser Töpfe 31,465 Prozent, aus einem anderen gemäß der Volkszählung nur 19,297 Prozent. Die Einzahlungen der Sozialversicherung an die Landesfonds werden mit einem weiteren Schlüssel verteilt, der auf neun - ja neun -Kommastellen heruntergebrochen ist. Wien erhält 25,520232629 Prozent.

Die Basis für diese Bruchrechnung bildet eine Bestandserhebung in den 1990er-Jahren, als die Bundesländer ihre Betten zählten. Allerdings wurde damals auf ein Spital zum Teil, nun ja, vergessen. Das Therapiezentrum in Ybbs befindet sich in Niederösterreich, gehört aber dem Wiener Gesundheitsverbund. Die Bruchrechnung aber blieb erhalten, für die vergessene Krankenanstalt fand sich eine andere Lösung, nämlich ein Sondervertrag mit der Sozialversicherung.

Mit den Gesundheitsausgaben liegt Österreich innerhalb Europas im Vorderfeld, dennoch kracht es im System aufgrund massiver Steuerungsdefizite. Die anfänglichen Rufe nach strukturellen Reformen wurden zuletzt von Forderung nach "mehr Geld" übertönt. Mehr Geld für die Spitäler, mehr Geld für neue Kassenstellen, mehr Geld für Ärztehonorare. Das legistische Labyrinth der Spitalsfinanzierung ist ein anschauliches Beispiel, warum "mehr Geld" am Ende wohl auch die einzige Option sein wird.