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"Extremismus ist omnipräsent"

Von Patrick Krammer

Politik

Innenministerium und Staatsschutz sehen ein erhöhtes Risikopotenzial bei Spionage und Extremismus.


Es war ein Déjà vu, als Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) am Freitag den Verfassungsschutzbericht 2022 präsentierten. Vor, fast auf den Tag genau, vier Monaten stellte man im Festsaal des Innenministeriums nämlich erst den Bericht des Jahres 2021 vor. Grund dafür war der Umbau des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zur Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst.

Dementsprechend gering sind auch die Veränderungen, wenn Haijawi-Pirchner eine weitergehende angespannte Sicherheitslage prognostiziert. "Extremismus ist omnipräsent", so der Direktor. Die größte Gefahr gehe von rechtsextremen und islamistisch motivierten Personen aus. Gleichzeitig werden auch linksextremistische Gruppen und die Staatsverweigerer-Szene beobachtet. Dass man auch bei Klimaaktivisten genauer hinschaue, verkündete die DSN schon vor vier Monaten.

Klimaaktivisten unter Beoabachtung

2022 gab es immer wieder Überschneidungen bei den Corona-Demonstrationen. So mischten sich vor allem Vertreter der "Neuen Rechten" unter die Demonstranten, "um deren Unmut für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren". Es habe letztes Jahr in der Szene rund 660 angezeigte Personen, 100 Hausdurchsuchungen und 37 Festnahmen gegeben, so Karner. Dabei seien auch viele Waffen gefunden worden, was die Gewaltbereitschaft bestätige.

Nach den gewaltbereiten Rechtsextremen, bei denen Waffen gefunden wurden, kam Karner direkt auf "radikale Klimaaktivisten" zu sprechen, die das Neujahrskonzert stören wollten. Auch diese Gruppe wird vom Staatsschutz beobachtet. Haijawi-Pirchner war es wichtig, zu betonen, dass diese Gruppe derzeit nicht gewaltbereit und "nicht per se linksextrem einzustufen" sei. Es gibt hier allerdings Überschneidungen. Manche Gruppen würden die Störaktionen von Aktivisten und Aktivistinnen gutheißen und unterstützen.

Bei Demonstrationen rund um die europäische Gas-Konferenz Ende März in Wien habe es eine Überschneidung von Klimaschutzgruppen und Linksextremen gegeben, so Haijawi-Pirchner. Die Polizei geriet damals in die Kritik, weil sie Demonstranten, die sich auf Videos friedlich verhielten, einkesselten und Pfefferspray einsetzten.

Auch in diesem Bereich gebe es viele Anzeigen, Festnahmen und Ersatzfreiheitsstrafen, meinte Karner, der auf Nachfrage aber keine höheren Strafen für Klimakleber fordern wollte.

Verschärfende Haftentlassungen

"Weniger sichtbar, aber deshalb nicht weniger gefährlich" ist laut dem DSN-Direktor die islamistische Szene nach der Corona-Pandemie. Rückkehrer aus Kriegsgebieten seien weiterhin eine Gefahr, und Haijawi-Pirchner rechnet auch mit einem Anstieg von Propaganda, die vor allem unter jungen Personen verbreitet wird. Das werde "die Radikalisierung junger Menschen weiter befeuern".

Die gewaltbereite Szene im rechten und islamistischen Extremismus sei in etwa gleich groß. Beziffert wird das mit "einer mittleren zweistelligen Zahl", wobei die DSN hier demnächst vor einer weiteren Herausforderung stehen wird: Mehrere einschlägig verurteilte Personen aus der islamistischen Szene werden aus der Haft entlassen. Man versuche nun, mit sogenannten "Gefährderansprachen" weiterhin ein Auge auf sie zu haben, so Haijawi-Pirchner.

Die Gruppe der Staatsverweigerer ist größer, hatte vor zwei Jahren rund 4.000 Personen. Doch hier gebe es kaum Gewaltbereitschaft. Die Szene setze vor allem auf "Papierterrorismus", um mit Schreiben die Verwaltung zu überfordern.

Sabotage nicht auszuschließen

Im Bereich der Spionage hat sich die Lage "im Vergleich zu den Vorjahren nicht signifikant verändert und ist konstant hoch", schreibt die DSN im Verfassungsschutzbericht. Vor allem Russland, China, Türkei und der Iran sind in Österreich aktiv. In erster Linie gehe es "um die Beeinflussung der Diaspora", sagte Haijawi-Pirchner. China habe meist "die Wirtschaft und Wissenschaft im Fokus".

In Österreich sind die Spionagegesetze nicht sonderlich streng, man macht sich meist erst strafbar, wenn es zum Schaden Österreichs ist. Als Standort vieler internationaler Organisationen gibt es hier Lücken. Haijawi-Pirchner würde sich hier über Verbesserungen freuen: "Es wäre von unserem Interesse, wenn wir auch die internationalen Organisationen hier besser abdecken könnten."

Außerdem wird auch vermehrt auf den Schutz der kritischen Infrastruktur geschaut. "Sabotageakte und Gewaltaktionen sind in Europa und Österreich in Zukunft nicht auszuschließen", so der DSN-Direktor.

DSN will mehr Befugnisse

"Der Bericht zeigt eindeutig, dass der Verfassungsschutz vor großen Herausforderungen steht", meinte der DSN-Direktor. Er forderte einmal mehr weitere Kompetenzen für seine Behörde. Vor allem im technischen Bereich sei man hinten nach, weil sie die Gegenspieler nicht an die Gesetze halten müssten, so Haijawi-Pirchner.

Er will etwa mehr Einschaurechte in Chats. "Es geht nicht darum, einen breiten Ansatz der Überwachung zu haben", man müsse nur einzelne Gefährder überwachen können, formulierte es Haijawi-Pirchner vorsichtiger als in der Vergangenheit. Noch im Februar sprach er sich in einem Interview indirekt für einen Staatstrojaner aus, wollte es allerdings nicht so bezeichnet wissen.

Im Verfassungsschutzbericht sehen Innenministerium und Staatsschutz ein erhöhtes Risikopotenzial bei Spionage und Extremismus.