Die Regierung bleibt im Amt. Zwei Misstrauensanträge - einer von der SPÖ, einer von der FPÖ - fanden bei einer Sondersitzung erwartungsgemäß keine Mehrheit. Beim ersten stimmten alle Oppositionsparteien zu, bei jener der FPÖ nur diese selbst. Doch zum großen Aufreger des Tages wurden weder diese Anträge noch die teils hitzige Debatte zum Thema Teuerung, sondern eine Ankündigung von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried, bis auf Weiteres keine Initiativen der Regierung mehr unterstützen zu wollen.
"Wir haben das Vertrauen verloren", sagte Leichtfried, der als zweiter SPÖ-Redner nach Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ans Pult trat. Die SPÖ werde nun alle Möglichkeiten nutzen, die ihr zur Verfügung stünden, damit die Regierung Maßnahmen gegen die Teuerung treffe, erklärte Leichtfried am Ende seiner Rede. Und er stellte klar, was er damit meinte: "Da, wo die Regierung unsere Stimmen braucht, werden wir sie nicht mehr zur Verfügung stellen, weder bei einfachen Mehrheiten, noch bei Zwei-Drittel-Mehrheiten".
Diese Ankündigung durch den stellvertretenden Klubchef führte im Anschluss an die Sitzung zu einer gemeinsamen Pressekonferen der grünen Klubchefin Sigrid Maurer mit ihrem Gegenüber von der ÖVP, August Wöginger. Die SPÖ glaube, damit die Regierung erpressen zu können, sagte Maurer. Ohne Zustimmung der SPÖ könnten zwei wichtige Gesetze für die Klimawende nicht beschlossen werden, zum einen das Energieeffizienzgesetz, zum anderen das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, so Maurer.
Die beiden Regierungsparteien warfen der SPÖ parteipolitische Motive und "altes Denken" vor, das sich auch budgetär auswirken werde. Aufgrund der Versäumnisse bei der Energieeffizienz läuft derzeit gegen Österreich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Laut Maurer muss Österreich mit einer Strafzahlung von sieben Millionen Euro rechnen, wobei pro Tag der Nicht-Umsetzung weitere 7.000 Euro hinzukämen. "Ich finde das skandalös", so Maurer. Regierungskollege Wöginger befand, dass die SPÖ damit als staatstragende Partei aufgehört habe, zu existieren. "Das geht demokratiepolitisch gar nicht."
Auch Neos kritisieren das Verhalten der SPÖ
Kritik am Verhalten der SPÖ kam auch von den Neos, deren Fraktion mit 15 Mandaten zu klein ist, um als Mehrheitsbeschaffer einzuspringen. Zwar teilen die Pinken die Sichtweise der SPÖ, dass die Regierung im Kampf gegen die Teuerung versagt habe, "deshalb aber jetzt die Arbeit einzustellen und wichtige Gesetze zu blockieren, ist einfach nur unverantwortlich", sagte Energiesprecherin Karin Doppelbauer in einer Aussendung.
Die Freiheitlichen, die zuvor im Plenum nicht nur gegen die Regierungsparteien gewettert hatten, stimmen im Plenum zwar bei wenig umstrittenen Beschlüssen immer wieder mit den Regierungsparteien mit, bei einer benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit bei Verfassungsgesetzen war dies schon länger nicht mehr der Fall. In der Regel sind die Blauen auch de facto nicht mehr in Verhandlungen eingebunden.
Im Rahmen der Pressekonferenz erklärte Maurer zudem, geradezu en passant, dass in den kommenden Wochen die seit Jahren offene Informationsfreiheit, also das Ende des Amtsgeheimnisses ins Parlament kommen werde. Auch dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
Leichtfried reagierte auf die Pressekonferenz der Regierungsparteien per Aussendung. Die SPÖ sei die "Anwältin der Bevölkerung", deshalb wolle man nun "Druck auszuüben, damit endlich Preise gesenkt werden". Der Abgeordnete verwies auf 31 Anträge der SPÖ mit Vorschlägen, die von ÖVP und Grünen allesamt abgelehnt oder schubladisiert worden seien. "Und beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz gibt es überhaupt keinen Konsens zwischen ÖVP und Grünen", so Leichtfried.
Zuvor in der von der SPÖ einberufenen Sondersitzung waren die diametralen Sichtweisen zwischen Regierung und Opposition hinsichtlich der Krisenbewältigung aufeinandergeprallt. "Ich erwarte mir von der Regierung nichts mehr außer ihren Rücktritt", sagte Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner.

Aus Sicht von FPÖ-Chef Herbert Kickl zöge die Regierung eine "Spur der Verwüstung durch dieses Land", auch die Pensionisten habe die Regierung im Stich gelassen. SPÖ und Neos ließ Kickl auch nicht ungeschoren, alle vier Parteien seien eine einzige "Einheitspartei". Die Neos sahen kein Nichtstun der Regierung wie die SPÖ, sondern eine "expansive Förderungspolitik" und das "Auspacken der Gießkanne". Das habe zu Überförderung geführt und die Inflation befördert, so Beate Meinl-Reisinger.
Bundeskanzler Nehammer wollte sich seine Politik nicht schlecht reden lassen. Die Arbeitslosigkeit sei gering und es sei gelungen, die Kaufkraft zu erhalten. Er verwies auf das von der SPÖ genannte Vorbild Spanien. Dort sei zwar die Teuerungsrate gering, aber die Kaufkraft sei dort dennoch viel stärker zurückgegangen als in Österreich. Die Regierung diene den Österreichern weiter, so Nehammer. Für kommende Woche kündigte er ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut an. (sir/apa)