Die Regierung hat ein Maßnahmenpaket für finanziell Schwächere geschnürt, von dem insbesondere Familien mit Kindern profitieren sollen. Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage erhalten bis Ende 2024 pro Kind 60 Euro zusätzlich. Dieselbe Leistung bekommen auch Alleinerziehende, die Einkünfte unter 2.000 Euro brutto pro Monat aufweisen - sowie Sozialhilfebeziehende ohne Kinder (diese aber nur bis Ende 2023).


Familien und insbesondere Alleinerziehende seien am stärksten von der Teuerung betroffen, begründete die Bundesregierung die Maßnahmen, die Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) in der Früh vor der Ministerratssitzung vorstellten.

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) präsentierten das Paket. 
- © apa / Eva Manhart

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) präsentierten das Paket.

- © apa / Eva Manhart

Die Sonderzahlung für die betroffenen Familien ohne Einkommen mit Kindern wird automatisiert und ohne Antrag ausbezahlt. Auch Alleinerziehende, die über Einkünfte (unter 2.000 Euro brutto) verfügen, müssen diese Extra-Zahlung nicht gesondert beantragen. Welche Einkünfte genau unter die Grenze fallen, wird noch ausgearbeitet, hieß es auf Nachfrage aus dem Sozialministerium.

Sozialhilfeempfänger - auch ohne Kinder - erhalten bis Ende 2023 ebenfalls 60 Euro pro Monat mehr. Sind Kinder im Haus, so gibt es die 60 Euro pro Kind zusätzlich dazu.

Verbesserung bei Schulstartpaket

Eine Verbesserung gibt es beim Schulstartpaket "Schulstartklar": Für Kinder wird die Zahlung von 120 Euro auf 150 Euro ausgeweitet und zwei Mal im Jahr ausbezahlt - dies betrifft jene in "finanziell prekären Situationen" (sofern im Haushalt Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung bezogen wird). Laut Regierung werden dazu 15 Millionen Euro investiert. Aufgestockt werden auch die Mittel für die Plattform www.weiterlernen.at, über die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen kostenfrei Zugang zu Lernhilfe durch NGOs und Lehramtsstudierende ermöglicht wird. Insgesamt werden für diesen Punkt zehn Mio Euro zur Verfügung gestellt.

Es gelte darum, die betroffenen Familien treffsicher zu unterstützen, sagte Raab. "Wir wollen dort ansetzen, wo Kinder in Österreich unsere Hilfe benötigen". Rund 400.000 Kinder werden von den Maßnahmen profitieren, sagte sie. Das Gesamtvolumen des Pakets betrage rund 500 Millionen Euro.

Befristete Maßnahmen gegen aktuelle Teuerung

Die zeitliche Befristung der Hilfe auf Ende 2024 begründeten Raab und Rauch damit, dass damit ja der aktuellen Teuerung begegnet werden soll. Auch Experten hätten die Meinung vertreten, es gehe darum, inflationsdämpfende Maßnahmen zu setzen - "und dann anzuschauen, wie sich die Inflation weiter entwickelt", sagte Rauch.

"Wir haben ein gutes soziales Netz in Österreich", betonte Raab - so habe man alle Sozialleistungen an die Inflation angepasst, erinnerte sie. Aber man wolle "in dieser speziellen Situation mit hoher Inflation" den Betroffenen nun "zusätzlich unter die Arme greifen, besonders den Familien mit Kindern". "Wir werden selbstverständlich beobachten, wie sich die hohe Inflation weiterentwickelt", sagte sie.

NGOs fordern weitere Reformen

Bei Caritas, Diakonie und Volkshilfe zeigte man sich erfreut über diesen "ersten wichtigen Schritt", gleichzeitig wurden weitere - strukturelle - Reformen eingefordert. Diese forderte auch die Opposition. Der ÖGB bezeichnete das Paket als unzureichend.

Das ist ein erster wichtiger Schritt für Kinder und Familien, sagt Klaus Schwertner, Direktor der Caritas Wien. Klar sei aber auch, dass trotz der Erhöhungen und der Maßnahmen viele Menschen und Kinder weiter unter der Armutsgefährdungsschwelle bleiben werden. Konkret fordert die Caritas in einer Aussendung eine Reform der Sozialhilfe, die Anhebung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie eine Erhöhung der Ausgleichszulage.

Ähnlich kommentierte die Diakonie die Maßnahmen, auch für sie solle das Paket der "erste Schritt zu einem Gesamtpaket gegen Kinderarmut in Österreich sein", forderte Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk. Auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger zeigte sich erfreut, betonte aber ebenfalls, dass die Maßnahmen gegen die Teuerung nicht strukturelle Reformen ersetzen - etwa beim Arbeitslosengeld. Auch sei eine "Totalreform" der Sozialhilfe notwendig.

ÖGB: Paket "unzureichend"

Als "unzureichend" bezeichnete das Paket der Gewerkschaftsbund. "Wesentliches fehlt", sagte ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann in einer Aussendung. "Der Familienzuschlag für Arbeitslose ist seit Ewigkeiten nicht valorisiert worden. Zudem muss das Arbeitslosengeld dringend auf 70 Prozent der Nettoersatzrate erhöht werden. Hier braucht es dringend Absicherung gegen Armut." Und einmal mehr betonte Schumann die Notwendigkeit für preissenkende Maßnahmen und verwies u.a. auf die Forderung nach einem Aussetzen der Mehrwertsteuer auf die wichtigsten Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs.

Lob kam von Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker: "Ich habe das Prinzip Gießkanne immer kritisiert. Der Staat kann nicht unendlich viel Geld verteilen. Darum müssen die Hilfen für jene bereitgestellt werden, die sie wirklich brauchen." Der Rechnungshof trete immer dafür ein, "Hilfsmaßnahmen gezielt einzusetzen". Erfreut zeigte sich auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr: "Sehr positiv & hilft. Fokus auf Kinder ist genau richtig, weil zielgerichtet", schrieb er via Kurznachrichtendienst Twitter. "Der nächste Schritt könnte sein, dauerhafte Lösungen zu finden, damit Kinderarmut erst gar nicht entsteht", sprach auch er strukturelle Reformen an.

SPÖ: Nur Symptom-Linderung

Die SPÖ kritisierte, dass die Regierung nicht die Ursache bekämpfe: "Wieder kein Markteingriff, um die Preise zu senken. Wieder versucht die Regierung heute nur, die Symptome zu lindern. Menschen durch verfehlte Politik in die Armut zu treiben und ihnen dann Almosen zu geben ist weder gerecht noch ökonomisch sinnvoll. Und es ist unmoralisch", schrieb SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner auf Twitter. "Ein weiterer Tag vergeht, ohne dass die Inflation bekämpft wird", erklärte auch Sozialsprecher Josef Muchitsch. Die Regierung rücke aktuell jeden zweiten Tag aus "um den selbst verursachten Totalschaden mit Pflastern behelfsmäßig zu kaschieren", sagte er via Aussendung. Strukturelle Maßnahmen forderten auch SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner und SPÖ-Familiensprecherin Petra Wimmer. (apa)