Bisher hatte Innenminister Gerhard Karner stets die gute Zusammenarbeit mit Ungarn im Kampf gegen irreguläre Migration betont. So sind seit Dezember 2022 im Rahmen der "Operation Fox" etwa gemischte Streifen mit österreichischen und ungarischen Polizisten im Grenzgebiet im Einsatz. Bei einer Zwischenbilanz im April sprach Karner von einem Erfolg. Die Operation sei mit dem Ziel gestartet worden, "Asylmissbrauch zu verhindern und die Schleppermafia effizient zu bekämpfen", sagte Karner damals. In den ersten fünf Monaten der Operation seien jedenfalls 60 Schlepper festgenommen worden.

Inhaftierung ausländischer Straftäter zu teuer

Doch nun schlägt die ungarische Regierung offenbar einen anderen Weg in Sachen Schleppereibekämfung ein. Wie bekannt wurde, lässt Ungarn nun Tausende ausländische Strafgefangene frei, die derzeit Haftstrafen wegen Menschenschmuggels verbüßen. Einzige Bedingung ist, dass sie Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen. Das geht aus einer Verordnung hervor, die die Regierung von Viktor Orban Ende des Vormonats erließ.

Dabei sieht das ungarische Strafrecht an sich langjährige Haftstrafen für Menschenschmuggel vor – das Strafmaß reicht von zwei bis 20 Jahren. Doch die Inhaftierung zahlreicher ausländischer Straftäter komme zu teuer, begründete Kanzleramtsminister Gergely Gulyás den Schritt. Offiziellen Angaben zufolge sitzen derzeit 2.600 Ausländer in Ungarn in Haft, beim überwiegenden Teil von ihnen handelt es sich um Straftäter, die wegen Schlepperei verurteilt sind. Denn Ungarn liegt auf der sogenannten Balkanroute, über die Schutzsuchende versuchen, von der Türkei nach Westeuropa zu gelangen – und sich dafür nicht selten in die Hände von Schlappern begeben.

In Österreich reagierte man auf diese Entscheidung – wenig überraschend – irritiert. "Innenminister Gerhard Karner hat den Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit beauftragt, sofort Kontakt zu den ungarischen Behörden aufzunehmen und allfällige Gegenmaßnahmen vorzubereiten", heiß es Freitagmittag gegenüber der APA aus dem Innenministerium. Bei Schleppern handle es sich "um Kriminelle, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind. Durch ihre brutalen Tathandlungen werden Menschenleben gefährdet".

Freigelassene müssen nicht in Heimatland zurück

Die von Ungarn verfügte Freilassung der Schlepper kam überraschend und ist nicht daran gebunden, dass die Betroffenen in ihre Heimat zurückkehren und dort ihre Reststrafen verbüßen. Der TV-Sender RTL-Klub zeigte am Donnerstagabend einen mit versteckter Kamera aufgenommenen Bericht, in dem zu sehen war, wie fünf Menschen am Bahnhof von Szombathely aus einem Kleinbus der örtlichen Justizvollzugsanstalt stiegen. Das Innenministerium dementierte auf Anfrage des Senders nicht, dass es sich bei den gezeigten Personen um freigelassene Schlepper handelte.