Nach der Mitgliederbefragung über Parteivorsitz und Spitzenkandidatur gibt es einiges an Gesprächsbedarf für die Gremien der SPÖ, und man tut sich sichtlich schwer mit einer Einigung. Die Sitzung des Parteipräsidiums dauert erheblich länger als geplant. Dem Vernehmen nach gibt es von der Wiener Partei Bestrebungen, den Parteitag vorerst abzusagen und stattdessen eine Stichwahl unter den Mitgliedern durchzuführen.

Selbiges fordert Babler seit Wochen. Doch war eigentlich im Vorstand der Prozess klar festgelegt worden. Die Mitgliederbefragung dient quasi als Stimmungsbild und im Anschluss wird endgültig bei einem außerordentlichen Parteitag entschieden.

So richtig ernst nimmt man diesen eigenen Beschluss aber offenbar auch angesichts des knappen Ergebnisses nicht mehr. Babler meinte schon vor der Sitzung: "Schau' ma mal, ob es einen Parteitag gibt." Die Wiener Partei hat ja mit Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner ihre eigene Kandidatin verloren und pflegt eine Rivalität mit dem Sieger der Befragung Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Ergebnis "arschknapp"

Rendi-Wagner hatte vor dem Parteipräsidium erklärt, am Parteitag nicht zu kandidieren. Sie hatte allerdings offen gelassen, ob sie überhaupt aus der Politik ausscheidet oder ihr Mandat im Nationalrat behält.

Auch wenn das Ergebnis der Befragung "arschknapp" gewesen sei, respektiere sie es, meinte Rendi-Wagner. Daher werde sie den Gremien einen geordneten Wechsel des Parteivorsitzes und der Klubführung vorschlagen.

Doskozil erhebt Führungsanspruch

Einmal mehr erhob der burgenländische Landeshauptmann bei seinem Eintreffen den Führungsanspruch und betonte es sei an der Zeit, "persönliche Befindlichkeiten hintanzustellen".

Anders sah das der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler, der den linken Flügel repräsentiert und der bei der Mitgliederbefragung hinter Doskozil auf den zweiten Platz kam. "Ja ich will Vorsitzender werden", sagte er auf eine entsprechende Frage. Einmal mehr redete er einer Stichwahl das Wort. "Ein Vorsitzender braucht ein klares Votum der Mitglieder". Der Fristenlauf würde eine Stichwahl nicht verunmöglichen, meint Babler. Für ihn ist der Sonderparteitag in knapp zwei Wochen keine ausgemachte Sache: "Schau ma mal, ob es einen Parteitag gibt." Telefonat mit Doskozil habe er noch keines geführt.

Viel Unterstützung für Doskozil

Doskozil erinnerte daran, dass das Mitgliedervotum zu respektieren sei. Ein Angebot habe er Babler noch keines gemacht, so der burgenländische Landeschef. Freilich werde es aber darum gehen, dass die Führungsmannschaft das Spektrum der Sozialdemokratie abbilde. "Es geht darum, den Bogen nicht nur inhaltlich sondern auch personell zu spannen."

Auf Unterstützung kann Doskozil aus den meisten Ländern bauen. Für den steirischen Landeschef Anton Lang ist das Mitgliedervotum zu respektieren, wie dieser vor den Gremien festhielt. Er hoffe, dass es am Parteitag nur einen Kandidaten geben werde. Auch der designierte SPÖ-NÖ-Landesparteivorsitzende Sven Hergovich stellte sich klar hinter Doskozil. Er habe schon vor der Befragung gesagt, er werde die Person mit den meisten Stimmen unterstützen, und das gelte auch nach der Wahl.

Platz eins noch keine Entscheidung über Parteiführung

Für eine Stichwahl plädierte hingegen SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim. Der Wunsch danach sei sehr groß, berichtete sie von Anrufen, die sie erreicht hätten. Ob diese auch kommen wird, würden die Mehrheiten in den Gremien entscheiden. Aufgrund der Statuten sei jedenfalls klar, dass Platz eins für Doskozil bei der Mitgliederbefragung noch keine Entscheidung über die Parteiführung sei. Ob sie selbst Doskozil oder Babler ihre Stimme geben würde, ließ Yildirim offen.

Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch aus dem Team um die unterlegene Noch-Parteichefin Rendi-Wagner sprach angesichts der hohen Beteiligung bei der Mitgliederbefragung von einem "sehr machtvollen Stimmungsbild". Nun werde man in den Vorstand gehen, um das Ergebnis zu bewerten. Auch Deutsch betonte erneut, dass die Mitgliederbefragung nur Teil eins einer Entscheidung über die Parteiführung sei. Die Entscheidung werde am Parteitag getroffen.

FSG-Chef Rainer Wimmer ging wortlos an den wartenden Journalisten vorbei. Die Gewerkschafter hatten ja mehr oder weniger offen Rendi-Wagner unterstützt. Der Doskozil-skeptische Wiener Bürgermeister Michael Ludwig zeigte sich den wartenden Journalisten nicht vor dem Präsidium.

Entscheidung am Bundesparteitag

Die Gremien beraten am Dienstag, wie sie mit dem Votum der Mitgliederbefragung umzugehen gedenken. Denn die letztlich gültige Entscheidung kann erst der Bundesparteitag kommende Woche treffen. Knifflig macht die Angelegenheit, dass die drei Lager bei der Befragung mehr oder weniger gleichauf lagen. Zudem ist zu klären, ob der Vorstand nur einen Kandidaten für den Parteitag nominiert. Sollte dies mit Doskozil der Fall sein, hat Babler die Möglichkeit, seine Gegenkandidatur am Parteitag selbst zu erkämpfen. Freilich bliebe er auch in dem Fall Außenseiter, sind seine Unterstützer wie die Jugendorganisationen doch sehr schwach repräsentiert. Nötig hätte Babler eine breite Unterstütztungsfront an Delegierten aus Wiener Stadtpartei und Gewerkschaft.

Bei einem Parteitag hätte Doskozil wohl auch mit Babler als Gegenkandidat die besseren Chancen. Ein Mitglieder-Entscheid könnte Babler in die Hände spielen. Dementsprechend verfolgen beide Kandidaten jeweils den Pfad, der ihnen erfolgsversprechender erscheint. Eine Verständigung scheint schwierig, vor allem dürfte es nicht gerade einfach sein, für eine Stichwahl im Vorstand, der nach dem Präsidium tagt, eine Mehrheit zu finden. (apa)

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