Hochspannung am Wiener Landesgericht für Strafsachen, wo am Dienstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium wegen schweren Betrugs sowie Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen zu Ende gehen dürfte. Zu Beginn des vermutlich finalen Verhandlungstags legte der vorsitzende Richter Karmasins Vermögensverhältnisse offen, die dazu beim Prozessauftakt keine Angaben machen hatte wollen.
Der Richter hatte daraufhin eine Anfrage an den Rechnungshof gerichtet, die Antwort verlas er nun im Großen Schwurgerichtssaal. Demnach besaß Karmasin zuletzt zwei Eigentumswohnungen am Mondsee, eine Eigentumswohnung in Wien-Josefstadt, eine weitere Mieteigentumswohnung in der Bundeshauptstadt, Unternehmensanteile an mehreren Firmen sowie ein Barvermögen in Höhe von einer Million Euro. Dazu kommt ein Grundstück in Klosterneuburg, auf dem - wie Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic zunächst bemerkte - ein Haus steht. "Ein schönes Haus", wie er hinzufügte, nachdem sich Verteidiger Norbert Wess über diese Anmerkung beschwert hatte. Wess berichtete daraufhin, mittlerweile würden fremde Leute vor Karmasins Haus auftauchen und seine Mandantin bedrohen: "Die Situation ist nicht lustig."
Kurz vor Mittag wurde mit der Verlesung des Akteninhalts begonnen. Anschließend stehen die Schlussvorträge der Anklagebehörde sowie der Verteidigung auf dem Programm. Die Urteile dürften - je nach Länge der Plädoyers und abhängig von der Beratungsdauer des Schöffensenats - im Verlauf des Nachmittags verkündet werden.
Sollte es zu Schuldsprüchen kommen, drohen den Angeklagten bis zu drei Jahre Haft, wobei Karmasin die in der U-Haft verbrachte Zeit auf die Strafe anzurechnen wäre. Die Meinungsforscherin und Ex-Politikerin war am 2. März 2022 fest- und zwei Tage später wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Erst am 28. März gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien einer Haftbeschwerde ihrer Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm Folge - Karmasin war somit immerhin 26 Tage in einer Zelle der Justizanstalt Josefstadt gesessen.
Von Beinschab massiv belastet
Die Ex-Ministerin soll sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst sind 78.589,95 Euro.
Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklageschrift).
Karmasin hat sich in dem Verfahren, in dem es noch nicht um die ÖVP-Umfragen-Affäre geht, "nicht schuldig" bekannt. Allerdings wurde sie im gegenständlichen Verfahren in der Vorwoche von ihrer ehemaligen Mitarbeiterin, der nunmehrigen Kronzeugin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Sabine Beinschab massiv und auch in Richtung des ÖVP-Komplexes belastet. Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, schilderte Beinschab. In weiterer Folge sei das so genannte Beinschab-Tool entwickelt worden: "Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen."
"Mit Frischi abklären"
Inhaltlich habe Karmasin an den Studien fürs Finanzministerium zwar nicht mitgewirkt, sie habe aber von sich aus 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Kontakt-Vermittlung und Beratung verlangt, berichtete Beinschab: "Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket."
Diese 20 Prozent auf den Umsatz aller für das Finanzministerium erstellten Studien seien die Gegenleistung dafür gewesen, dass Karmasin den Kontakt zu Thomas Schmid, aber auch zu den Fellner-Brüdern hergestellt hatte. Den Inhalt der Studien, die sie im Auftrag von Schmid für das Finanzministerium erstellt habe, habe sie im Vorhinein absprechen müssen. "Fragen bitte mit Frischi abklären", liest sich dazu eine Chatnachricht von Karmasin an Beinschab. Gemeint ist damit der ehemalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Kurz, Johannes Frischmann.
Rückblickend betrachtet hatte Beinschab in ihrer Zeugenbefragung abschließend festgehalten: "Es wäre das Beste für Sophie gewesen, sie wäre im Unternehmen geblieben und wir hätten weiter legale Marktforschung betreiben können. Für sie war es wahrscheinlich ein Fehler, in die Politik zu gehen. Für mich war es ein Fehler, dass ich mich auf manche Dinge eingelassen habe." (apa)