Lange mussten Sophie Karmasin und der mitangeklagte Beamte des Sportministeriums nicht warten, um vom Richter das Urteil zu hören. Nach knapp einer Stunde kam der Schöffensenat von seinen Beratungen zurück. Karmasin wurde des schweren Betrugs freigesprochen, bei den wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen ist sie jedoch schuldig gesprochen worden. Der mitangeklagte Beamte wurde hingegen freigesprochen. Karmasin bekommt 15 Monate bedingte Haft mit einer dreijährigen Probezeit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, schon im Vorfeld kündigte Karmasins Verteidigung an, notfalls bis vor den Obersten Gerichtshof gehen zu wollen.
Der ehemaligen Familienministerin, die schon dreieinhalb Wochen in U-Haft verbringen musste, werden zwei Sachverhalte angelastet: zum einen die unrechtmäßige Bezugsfortzahlung nach ihrem Rücktritt als Ministerin. Ex-Ministerinnen und Minister haben einen begrenzten Anspruch auf Bezugsfortzahlung, wenn sie sonst kein Einkommen haben. Karmasin bekam so 78.590 Euro, verdiente nebenbei aber schon mit Studien und Vorträgen Geld.

Außerdem bekam sie schon als Ministerin ein Vermittlerhonorar von 20 Prozent von ihrer früheren Mitarbeiterin Sabine Beinschab. Laut Karmasin auf Initiative Beinschabs. Damit hat sie auch gegen das Berufsverbot für Minister verstoßen. Aufgrund der Höhe der Entgeltfortzahlung lautete die Anklage hier schwerer Betrug. Nach Medienberichten über Karmasins Bezüge ließ sie einen Betrag von 62.193 Euro von ihrem Anwalt zurückzahlen. Für ihn war das ein Akt der tätigen Reue, Karmasin dafür nicht verurteilbar. "Es ist rechtlich schlicht egal", kommentierte Oberstaatsanwalt Adamovic die Rückzahlung. Er sprach sich stattdessen für eine hohe Strafe aus. "Es muss ein Signal gesetzt werden." Der zweite WKStA-Ankläger ergänzte: "Es muss gezeigt werden, dass schwere Straftaten schwere Konsequenzen haben."

Der Schöffensenat sah das allerdings anders. Karmasin wusste zwar, dass sie hier Regeln verletzen würde. "Sie haben die ganze Zeit versucht, den Vorsatz zu leugnen", so der Richter, der sie als "unglaubwürdig" einstufte. "Insgesamt ist es zweifelsohne ein Betrug", einer, der so "eindeutig dokumentiert wurde, wie selten", meinte der Richter. Trotzdem wurde sie freigesprochen, weil durch die Rückzahlung kein Schaden entstanden ist.

Für Richter gab es einen Wettbewerb

Im zweiten Anklagepunkt wurde Karmasin schuldig gesprochen. Der ist etwas komplexer: Es geht um die mehrfache Studienbeauftragung, bei der Karmasin Vergleichsangebote organisierte und abstimmte. Die WKStA sah darin wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Karmasin und ihr Anwalt, Norbert Wess, nicht. Sie argumentierten, dass das Ministerium nie ein Interesse daran hatte, einen Wettbewerb abzuhalten, sondern immer nur Karmasin beauftragen wollte. Als Beweis legte Wess viele E-Mails zwischen Karmasin und Philipp Trattner, Sektionschef im Sportministerium und Vorgesetzter des Zweitangeklagten vor, in denen man monatelang über Konzepte sprach. Im Ministerium waren weder diese E-Mails noch ein mitgeschicktes Konzept in den Akten zu finden.

Der Richter ließ dies allerdings nicht gelten. Die Zeugen seien glaubwürdig gewesen, namentlich nannte er Beinschab. "Sicher ist die Vergabe nicht so gelaufen, wie sie sollte, aber das erschüttert nicht die Glaubwürdigkeit der Zeugen", so der Richter. Karmasin habe genau gewusst, was sie tat. Auch hier befand der Richter, dass die Aussagen von Karmasin nicht glaubwürdig seien. Er sah die Ex-Ministerin in einer führenden Rolle. Damit widersprach der Richter einem Argument, das sich Karmasins Verteidiger fürs Finale aufgehoben hatte: Wenn die Beamten des Sportministeriums, die in diesem Verfahren ausgesagt haben, gar keinen Wettbewerb zustandekommen lassen, im Nachhinein aber genau diesen Eindruck erwecken wollten, dann hätten sie Beweismittel gefälscht, so Wess. Denn in den Akten wurde ein korrekter Vergabeprozess mit zwei Vergleichsangeboten dokumentiert. "Für die Schublade", wie es Karmasin bezeichnete. Das wäre strafbar. Denn der Akt "ist objektivierbar falsch".

Neben dem angeklagten Abteilungsleiter hätten somit auch die involvierten und befragten Beamten und der Sektionsleiter Philipp Trattner einen sogenannten Aussagenotstand gehabt. Das bedeutet: Sie dürfen lügen, um sich nicht selbst in ein Strafverfahren hineinzutheatern. Wess verwies unter anderem auf die Nachrichten, in denen Trattner davon sprach "ein Projekt erarbeiten" zu wollen. Karmasin, so ihr Anwalt, hätte dabei zwar geholfen, sei dafür aber nicht zu belangen. Der Zweitangeklagte wurde freigesprochen, weil die Tat "im Zweifel nicht nachweisbar war".

Keine unbedingte Haftstrafe

Die Staatsanwaltschaft forderte aus generalpräventiven Gründen für beide Angeklagte hohe Strafen. Nur so würden andere Führungspersonen im Bundesdienst sehen, dass sie der Allgemeinheit verpflichtet sind "und nicht den Wünschen ihrer Vorgesetzten", so Adamovic. Doch unbedingte Haftstrafen gibt es weder für Karmasin noch den freigesprochenen Beamten.