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Revolution der Evolutionsgeschichte durch "Millennium-Menschen"?

Von Antje Passenheim und Petra Klingbeil

Wissen

BEr liegt still in einem dunklen Banksafe der kenianischen Hauptstadt Nairobi und gleichzeitig wirbelt er die Wissenschaft auf: Der "Millennium-Mensch", den kenianische und französische Paläontologen nach sechs Millionen Jahren aus den Tiefen des ostafrikanischen Grabenbruchs ans Licht holten, revolutioniert nach Ansicht der Forscher die gesamte Evolutionsgeschichte. "Dies wird die Diskussion um den Ursprung des Menschen beleben", sagte die Ko-Leiterin der Expeditionsgruppe des College de France in Paris, Brigitte Senut.

elebend sei vor allem die Erkenntnis, dass "die Trennung der Arten zwischen Menschenaffen und Menschen nicht, wie bisher angenommen, rund vier Millionen Jahre zurückliegt, sondern auf die Zeit vor sechs Millionen Jahren und davor zurückgeht." Bisher galten rund vier Millionen Jahre alte Knochenfunde aus Afrika als älteste Hinweise auf Vorgänger des heutigen Menschen.

Bekannt wurde vor allem die etwas "jüngere" Lucy. Dieses Teilskelett eines Australopithecus afarensis ist 3,2 Millionen Jahre alt. Es ist das erste weitgehend zusammenhängende Skelett der Australopithecinen und wurde 1974 in der Nordost-Äthiopischen Afar-Region ausgegraben. Das Team des amerikanischen Paläontologen Donald Johanson benannte seinen Fund nach dem Beatles-Hit "Lucy in the Sky with Diamonds", der die Ausgrabungen aus dem Radio begleitete.

Der "Millennium Mensch" hat Lucy nach Meinung der Wissenschafter nun eindeutig überholt. Nicht nur ist seine Zahn- und Kieferstruktur dem Menschen sehr ähnlich. Auch deuten die kräftigen Hinterbeine des Urmenschen in Schimpansengröße darauf hin, dass er bereits über zwei Millionen Jahre vor seinen Verwandten den aufrechten Gang beherrschte. Und das belegen seine Entdecker gleich mehrfach. Unter den Funden in der Baringo Region befinden sich "ein Kind, mehrere Erwachsene und ein alter Erwachsener", wie Forscherin Senut erklärt. Die ersten Knochen habe ein Arbeiter am 25. Oktober entdeckt, die letzten gruben Senut und ihr Team am 18. November aus.

Die verblüffend schnelle Datierung der Funde war auf Grund der Beschaffenheit des ostafrikanischen Grabenbruchs möglich, der in der Evolutionsgeschichte oft als "Wiege der Menschheit" bezeichnet wird. Seine geologischen Verhältnisse geben Paläontologen ein ideales Arbeitsfeld. Zum einen wurden in den aufeinander folgenden Schichten von vulkanischer Asche und Sedimenten Fossilien und Artefakte gut konserviert. Zum anderen legten Erdbewegungen und Erosion diese Schichten wieder frei. "Die Lavaformation, aus der unsere Funde stammen, wurde bereits in den siebziger Jahren von einem britischen Forscherteam auf ein Alter von sechs Millionen Jahren datiert", erklärt Senuts Team-Partner Martin Pickford. "Auch Tiere wie Flusspferde, Schweine und Antilopen, deren Überreste hier zu finden sind, bestätigen diesen Zeitraum."

Für dieses Jahr hat das Forscherteam seine Ausgrabungen beendet. 200 weitere Fundstellen warten in der Baringo-Region darauf, ausgewertet zu werden. Damit wollen die Paläontologen unter Zusammenarbeit mit ihren kenianischen Kollegen im Sommer beginnen. Einziges Problem: "Um unter guten Bedingungen weiterarbeiten zu können, brauchen wir rund 150.000 Francs (314.662 S)", so Senut.