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"An Pädagogischen Hochschulen und Unis fehlt Personal"

Von Brigitte Pechar

Politik
Roland Fischer: "Eine Professionalisierung der Lehrer ist unumgänglich." Foto:Privat

Experte Roland Fischer rät zu einer raschen Umsetzung. | "Mit Berufung der Lehrenden sofort beginnen." | Lehrer müssen die neue Kraft in der Bildungsdebatte sein.


"Wiener Zeitung":Wird es in der neuen Pädagogenausbildung Eignungstests geben?Roland Fischer: Es wird ein Aufnahmeverfahren geben, aber keine punktuellen Tests. Die Studenten werden zumindest ein Semester lang bewertet, auch in der Praxis. Die Studierenden sollen gleich zu Beginn in die Schulen oder Kindergärten gehen, um zu sehen, ob sie für den Beruf geeignet sind. Im Idealfall stimmen Selbst- und Fremdevaluation überein.

Alle Pädagogen müssen in Zukunft mit dem Master abschließen, auch die Kindergartenpädagoginnen. Ist das sinnvoll?

Wenn es nach uns (der Vorbereitungsgruppe für die neue Ausbildung, Anm.) geht, ja. In den Kindergärten wird es sicherlich noch eine Zeit brauchen, und am Anfang werden nur Leiterinnen oder Personen mit einer besonderen Verwendung den Master haben.

Erleichtert die neue Pädagogenausbildung einen Wechsel zwischen den Institutionen Kindergarten, Volksschule und Sekundarstufe?

Ja. Kindergärtnerinnen benötigen dann nur ein Zusatzsemester, um in der Volksschule unterrichten zu können und umgekehrt. Aber auch als Volksschullehrer kann man in der Sekundarstufe ein Fach unterrichten - dafür sind zwei Semester notwendig.

Gibt es an den Pädagogischen Hochschulen (PH) und Unis ausreichend Personal, um die angehenden Pädagogen ausbilden zu können?

Nein, weder an den PH noch an den Unis. Es gibt zwar ausreichend Mathematiker an den Unis, aber nicht genügend Fachdidaktiker. Um das Ausbildungsprogramm in vollem Umfang starten zu können, muss sofort eine Qualifizierungsoffensive beginnen. Die noch größere Herausforderung kommt dann mit der Betreuung der Masterstudenten. Aber das wird erst ab 2017 sein, wenn man 2013 mit der neuen Ausbildung beginnt. Bis dahin sollte genügend qualifiziertes Personal da sein. Wir reden ja insgesamt von einem zehnjährigen Übergang. Aber es wird schon 2013 eine Steigerung der Qualität des Ausbildungspersonals zu merken sein.

Wann muss mit der Rekrutierung begonnen werden?

Man muss sofort mit Berufungen beginnen. Die Politik darf sich nicht zu lange Zeit lassen. Die Engagierten an den Institutionen wollen ja schon beginnen. Wenn die Parteien jetzt nicht zügig voranschreiten und die Institutionen noch länger hingehalten werden, verpufft diese Energie wieder.

Am Ende des Prozesses, also nach etwa zehn Jahren, sollen die PH Pädagogische Universitäten sein. Wie soll das funktionieren?

Upgradings hat es immer gegeben, denken Sie an die Hochschule für Welthandel. Das hat auch mit den Professionalisierungsbewegungen der Berufe zu tun. Ich halte eine Professionalisierung der Lehrer für unumgänglich. Was sie an den Schulen tun, nämlich unterrichten, wird nicht gelehrt. Das wäre so, als würde man Ärzte als Chemiker oder Pharmazeuten ausbilden.

Der Schlüssel des Erfolgs liegt bei den PH und Unis?

Ja, das Wichtigste ist nicht das Curriculum, sondern die Institution. An den PH gibt es derzeit zu wenig Wissenschaft, zu wenig Forschung. An den Unis gibt es zwar Forschung, aber die falsche. Nicht jene, die man braucht, um Lehrer akademisch für ihren Beruf zu bilden.

Reichen zehn Jahre für den Umstieg?

Ja, das ist realistisch. Fünf Jahre wären zu wenig. Es gibt ja zwei Modelle: Im einen Fall übernehmen die PH die Führung und bilden mit Unis Kooperationen; im anderen Fall nehmen die Unis das Heft in die Hand. Ich halte es für gut, wenn es beide Modelle gibt.

Bei welchem Ministerium wird die Lehrerausbildung künftig angesiedelt sein?

Diese Auseinandersetzung ist kindisch, zumal das Ministeriengesetz ohnehin nach jeder Wahl geändert wird. Wer weiß, welche Partei nach der nächsten Wahl welches Ministerium hat? Sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, wo die Institutionen in zehn Jahren angesiedelt sein sollen, ist eine überflüssige Diskussion. Aber man muss entscheiden, wie das jetzt gehandhabt wird. Am besten wären gemeinsame Entscheidungen von Unterrichts- und Wissenschaftsministerium. Ansonsten gibt es halt ein PH-Modell und ein Uni-Modell und jeder Minister ist für seines zuständig. Auch das hat Charme, weil es dann eine gewisse Konkurrenz gibt. Da kann man auch schauen, wer es besser macht.

Wer beurteilt das?

Das macht der Entwicklungsrat, der weisungsfrei und unabhängig agiert.

Wozu brauchen wir eigentlich eine neue Pädagogenausbildung?

Das Bildungsthema braucht einen starken Akteur jenseits der Politik. Meine Hoffnung ist, dass dieser in Zukunft die Pädagogen sind. Die Lehrer verstehen sich heute als Beschäftigte, die ihre Interessen von Gewerkschaften vertreten lassen. In Zukunft sollen sie starke Akteure jenseits der Parteipolitik für ihre Profession sein. In der Zwischenzeit sollen diese Funktion noch die Institutionen wahrnehmen.

Roland Fischer (65) ist Universitätsprofessor für Mathematik mit besonderer Berücksichtigung der Didaktik. Er leitet die Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung. Fischer ist stellvertretender Vorsitzender der Vorbereitungsgruppe für die "PädagogInnenbildung NEU".