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Seelsorge für orthodoxe Soldaten

Von Yordanka Weiss

Politik

Oberst Michael Bauer: "Bundesheer ist wichtiger Integrationsfaktor." | Rund 800 orthodoxe Wehrdiener gibt es in Österreich, 278 in Wien.


Wien. Einer Nation, aber vielen Religionen gehören die Soldaten des österreichischen Bundesheers an. Auf die religiöse Vielfalt innerhalb der heimischen Streitmacht reagiert nun auch die Seelsorge. Mit 1. Juli 2011 nimmt die orthodoxe Militärseelsorge ihren Betrieb auf. Österreichweit versehen rund 800 Angehörige verschiedener orthodoxer Kirchen ihren Wehrdienst, in Wien sind es 278. Darüber hinaus gibt es immer mehr orthodoxe Offiziere. Das neue Pilotprojekt soll vorläufig 18 Monate dauern. Es ist zurzeit nur auf Wien beschränkt.

Der Großteil von Wiens orthodoxen Grundwehrdienern gehört der serbisch-orthodoxen Kirche an; es sind 199. 57 sind griechisch-orthodox und zwölf russisch-orthodox, berichtet Oberst Michael Bauer vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Für ihn ist das Bundesheer "ein repräsentativer Querschnitt durch die österreichische männliche Bevölkerung" und "ein wichtiger Integrationsfaktor".

Die Aufgabenbereiche des künftigen Seelsorgers Alexander Lapin umfassen berufsethische Bildung und lebenskundlichen Unterricht, seelsorgliche Betreuung, etwa in Form von persönlichen Gesprächen oder Beratung in religiösen Fragen. "Ich werde Wissen über das orthodoxe Christentum vermitteln und Fragen wie Was ist der Glaube? beantworten", erzählt der gebürtige Prager. Seine Großeltern kommen aus Russland - von daher rührt auch seine Verbindung zur Orthodoxie. Neben seiner Theologentätigkeit arbeitet Lapin als Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik in Wien.

Darüber hinaus soll Lapin bei Problemlösungen zwischen Soldaten und Kommandanten helfen und den Rekruten in persönlichen Krisensituationen beistehen. "Was nicht vorgesehen ist, sind liturgische Aufgaben wie Messen", berichtet Lapin. "Die Soldaten sind bei den verschiedenen Landeskirchen und deren Pfarren verankert. Das sind autokephale Kirchen mit eigener administrativer Struktur. Serben, Rumänen, Russen und Griechen haben alle einen eigenen Patriarchen."

Die Liturgie der orthodoxen Kirchen ist ähnlich, allerdings kann nur ein Priester der jeweiligen Kirche den entsprechenden Gottesdienst zelebrieren. Lapin selber gehört der orthodoxen Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei an. Die ersten Schritte der orthodoxen Militärseelsorge werden darin bestehen, das Angebot unter der Zielgruppe erst einmal bekannt zu machen.

"Orthodoxe Militärseelsorge war schon in 80ern nötig"

Die orthodoxe Militärseelsorge ist eine wunderbare Idee, aber etwas verspätet, findet Erzpriester Drago Vujic von der serbisch-orthodoxen Kirche. Er meint, dass diese schon in den 80er Jahren notwendig gewesen wäre. Doch jetzt werde sie angesichts des rasanten Anwachsens der Community vor allem den jungen Menschen zugute kommen.

Seit dem 16. Jahrhundert gibt es beim österreichischen Heer eine kirchliche Betreuung für Soldaten. Die Anforderungen des militärischen Dienstes werfen besondere Gewissensfragen auf, etwa im Hinblick auf die Verwendung von Waffen oder den Gehorsam. Bei der Bewältigung dieser Fragen sollen die Priester helfen.

In der heutigen Zeit treten noch andere Anforderungen hinzu. Berufssoldaten sind häufig auf Auslandsaufenthalten. Die Militärseelsorge muss darüber hinaus zeitgemäß Christentum und Säkularisierung vermitteln.

Gestiegen ist auch die Zahl muslimischer Rekruten. Seit einigen Jahren ist deshalb eine islamische Militärseelsorge in Österreich vorgesehen. Im Jahr 2008 hätte ein Imam eigentlich schon angestellt werden sollen. Doch derzeit gibt es keinen islamischen Seelsorger. "Die Person, die vorgeschlagen wurde, hat nicht die notwendige Ausbildung gehabt und die Zeugnisse haben nicht gestimmt", erzählt Oberst Michael Bauer. Der Gebetsraum für Moslems in der Maria-Theresien-Kaserne sei trotzdem gut ausgelastet. Die Soldaten können zu Gebetszeiten den Dienst unterbrechen und werden religionskonform verköstigt.

Fast zwei Jahre hat die Vorbereitung für das orthodoxe Pilotprojekt gedauert, erzählt Metropolit Erzbischof Michael Staikos von der griechisch-orthodoxen Kirche. Er hat seitens der Orthodoxie und deren Interessenvertreter - der orthodoxen Bischofskonferenz - die Vereinbarung mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnet. Der Bischofskonferenz gehören nicht nur die staatlich anerkannten orthodoxen Kirchen an - wie die griechische, russische, serbische, rumänische und bulgarische Kirche - sondern auch nicht anerkannte Kirchen, die Gemeinden in Österreich haben, wie beispielsweise die georgische.

Zahl orthodoxer Christen wächst seit Jugoslawienkrieg

Ziel der Bischofskonferenz ist es, die Zusammenarbeit untereinander zu verbessern und "mit einer orthodoxen Stimme in der Öffentlichkeit zu sprechen", betont , so Erzbischof Staikos. "Nach dem Jugoslawienkrieg hat die Anzahl der Orthodoxen rasant zugenommen. Jetzt leben etwa 500.000 orthodoxe Christen in Österreich".

In der Vorbereitungsphase des Projekts hat Staikos mit vielen Offizieren und Soldaten gesprochen. Und "für viele wird das der einzige Kontakt zu Kirche und Religion sein." Laut Staikos werden für die orthodoxe Seelsorge nach Bedarf Räume in unterschiedlichen Kasernen zur Verfügung gestellt. "Gespräch, Unterricht und Beichte sind die Haupttätigkeiten, aber eben keine Gottesdienste", fasst der griechische Erzbischof das Pilotprojekt zusammen. Bis zum Ende des Jahres 2012 wird eine Evaluierung stattfinden und über die weitere Form der religiösen Betreuung der orthodoxen Ressortangehörigen entschieden werden.