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"Muskeljuden" und Makkabi

Von Alexia Weiss

Politik

Erste jüdische Klubs bildeten sich um 1900 in Europa. | Erste Maccabi World Games 1932. | "Achtung! Fertig!! Los!!!" läuft bis 28. September.


Wien. Juden und Sport, das sei immer noch "ein exotisches Thema", betont Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museum in Wien, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Achtung! Fertig!! Los!!! Jüdischer Sport - Maccabi Games" am Museumsstandort Judenplatz. Die Schau begleitet die derzeit in Wien laufenden europäischen Makkabi Spiele und gibt Einblick in die jüdische Sportbewegung.

Sieht Spera dieses Bild des unsportlichen Juden in vielen Köpfen als Stereotyp? "Mit wem immer ich im Vorfeld über die Ausstellung gesprochen habe, haben diese gefragt: ,Juden und Sport - geht das? Wir wollten mit diesem Vorurteil aufräumen", sagt die Museumsdirektorin, die bei den Wiener Spielen gleich drei Familienmitgliedern die Daumen hält. Sowohl ihr Mann als auch ihre beiden älteren Kinder treten im Tennis an.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts sahen sich Juden dem Vorurteil der dürftigen körperlichen Tüchtigkeit ausgesetzt. Es war jene Zeit, in der der Sport in der gesamten Gesellschaft zu einem Massenphänomen wurde, aber eben auch in der jüdischen. Vor allem bei jenen, die durch Assimilation nach Anerkennung strebten. Bestärkt wurden sie durch Max Nordau, einen Zirkuskünstler und Mitstreiter Theodor Herzls. Er prägte den Begriff des "Muskeljuden", erklärt Ausstellungskurator Marcus Patka. Jugendliche sollten als Pioniere nach Palästina gehen und darauf auch physisch vorbereitet werden. Beliebt waren daher Kraftsportaten wie Ringen und Boxen, aber auch Schwimmen und Laufen.

Neues Selbstbild

Wer Sport betreiben wollte, stand bei vielen Sportklubs allerdings vor verschlossenen Türen. Antisemitismus war vor allem in den meist national eingestellten Turnvereinen allgegenwärtig. Dieser Umstand, aber auch ein neues jüdisches Selbstbewusstsein führte zur Gründung von jüdischen Sportvereinen in ganz Europa. Der erste bildete sich 1895 im damaligen Konstantinopel (heute: Istanbul), später wurden auch in Deutschland und Österreich-Ungarn Vereine wie etwa die Wiener Hakoah (Hebräisch: Kraft) gegründet.

Bald entstand auch die Idee, analog den Olympischen Spielen jüdische Sportfeste durchzuführen: die Maccabi Games. Leitfigur war Judas Makkabäus, der Anführer des Aufstands gegen die Griechen. Die Maccabi World Union wurde 1921 in Karlsbad gegründet, 1932 fanden dann die ersten Maccabi World Games in Tel Aviv statt.

Einen Wendepunkt in der jüdischen Sportbewegung stellten die Olympischen Spiele 1936 in Berlin dar, die von einigen jüdischen Sportlern wie der österreichischen Schwimmerin Judith Deutsch boykottiert wurden. Nach Siegen bei den Maccabi Games 1935 zählte sie zu den Favoritinnen. Um aber nicht vor Hitler defilieren zu müssen, verweigerte sie die Teilnahme, worauf sie vom österreichischen Schwimmverband lebenslang gesperrt wurde und ihre Titel aberkannt wurden. Erst 1995 erfolgte die Rehabilitierung.

Nach der Shoah und der Gründung des Staates Israel wurden die Makkabi Weltspiele wieder 1950 abgehalten. Sie sind, wie die auch nun in Wien laufenden europäischen Makkabi Spiele, weitgehend Amateurbewerbe, wenn auch immer wieder Spitzensportler daran teilgenommen haben.

Als Beispiel nannte Patka die Schwimmlegende Mark Spitz, der mit 15 bei den Makkabi Spielen debütierte. Die jüdischen Spiele sind aber vor allem eines: "ein Familienfest", sagt der Kurator. Das bestätigt auch Spera, die ihren Mann vor vier Jahren zu den europäischen Makkabi Spielen nach Rom begleitete, wo dieser im Tennis eine Silbermedaille errang. "Man hat einfach das Gefühl, man gehört zusammen."

Die Ausstellung, die bis 28. September zu sehen ist, widmet sich sowohl den Pionierzeiten als auch der Gegenwart des jüdischen Sports. Das Phänomen des "Muskeljudentums" wird dabei am Beispiel des Varietékünstlers Siegmund Breitbart lebendig gemacht. Anfang des 20. Jahrhunderts zog er in Mitteleuropa und USA Besucher an, die sehen wollten, wie er dicke Eisenstangen bog, mit der Faust Nägel in Balken schlug oder mit den Zähnen ein Pferdegespann hielt. Er widerlegte das Klischee des kränklichen und wehrlosen Juden und verkörperte jüdisches Selbstbewusstsein.

Jüdischer Fußball

Historische und aktuelle Fotos sowie Videointerviews mit Teilnehmern an Makkabi Spielen dominieren diese Schau. Ein eigener Raum ist den Fußball-Vätern des österreichischen Wunderteams der frühen 1930er Jahre gewidmet: Hugo Meisl, von 1913 bis 1938 Verbandskapitän der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft, sein Bruder, der Sportjournalist Willy Meisl, Team-Arzt Emanuel Michael Schwarz sowie Arthur Baar, Leiter der Hakoah-Fußballsektion, Mitherausgeber der Zeitung "Neues Wiener Sportblatt" und Gründer des Sporthauses "Stadion" (Handel und Produktion).

Zwei abstrakte Bilder in der Ausstellung überraschen in diesem Kontext: Sie wurden von der Schwimmlegende Mark Spitz bei einem Wien-Besuch vor einigen Jahren gemalt.

Link
Jüdisches Museum Wien