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Stolpersteine und Reformvorhaben

Von Brigitte Pechar

Politik

Halbzeit der Regierung Faymann I. | Reformen in Gesundheit, Bildung und Verwaltung ausständig.


Wien. Die Regierung Faymann I ist seit 2. Dezember 2008 in Amt und Würden und hat damit ungefähr ihre Halbzeit erreicht, denn das nächste Mal sollte im Herbst 2013 gewählt werden. Sollte, wenn es nicht wieder zu einem vorzeitigen Abbruch kommt, wie im Frühsommer 2008, als der damalige ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer aufgrund des Führungschaos in der SPÖ mit den Worten "Es reicht" vorzeitige Neuwahlen vom Zaun gebrochen hatte.

Seitdem ist das öffentliche Image der großen Koalition nicht wesentlich besser geworden. An Stammtischen und in zahllosen Leitartikeln wurde und wird beklagt, dass im Lande nichts weitergehe, sich die Koalitionsparteien ständig gegenseitig blockierten, die Länder die Bundesregierung am Gängelband führten, sich SPÖ und ÖVP im Angesicht einer von Umfragehoch zu Umfragehoch marschierenden FPÖ wie die sprichwörtlichen Kaninchen vor der Schlange verhielten und, und, und . . .

Dieser gefühlten Weltuntergangsstimmung in der heimischen Innenpolitik seitens der Bürger und Beobachter stehen die harten Zahlen für den Wirtschaftsstandort Österreich gegenüber. Und diese sind in zahlreichen Bereichen - zumindest im europäischen Vergleich - erstaunlich positiv, auch wenn der eigenständige Beitrag, den die heimische Politik zu diesen Erfolgen geleistet hat, durchaus kritisch zu hinterfragen ist.

Dennoch bleibt die massive Kluft zwischen miserabler öffentlicher Stimmung und relativ positiver Eckdaten der österreichischen Wirtschaft ein mittleres Geheimnis der hiesigen innenpolitischen Verhältnisse.

Dabei hat sich die Regierung von Werner Faymann und Josef Pröll, die am 2. Dezember 2008 von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt wurde, so bemüht, von Anfang an die neuerliche Zusammenarbeit der beiden großen Parteien unter neuen, besseren Vorzeichen zu beginnen. Die abgewählte Vorgängerregierung Gusenbauer/Molterer nämlich hatte noch unter dem Argument, je länger die Legislaturperiode, desto weniger innerkoalitionäre Streitigkeiten, die Maximaldauer zwischen zwei Wahlgängen von vier auf fünf Jahre verlängert.

Sehr große Würfe hat es abseits der Wirtschaftspolitik keine gegeben, sieht man von Ankündigungen ab. Im Schulbereich ist einiges in Bewegung geraten. Die teilzentrale Matura wurde eingeführt, die Neue Mittelschule wird in den nächsten Jahren flächendeckend sein, das verpflichtende Kindergartenjahr wurde eingeführt. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen aber zwei Megaprojekte ihren Abschluss finden: Die Pädagogenausbildung wird völlig neu gestaltet und es soll ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer geschaffen werden. Abgesagt wurde dagegen die Reform des Beamtendienstrechts. Dafür fehlt dem Bund schlicht das Geld.

Was der Bildung die Gesamtschule ist, die nicht gerade klimaförderlich in der Koalition wirkt, sind dem Hochschulsektor die Studiengebühren und die Studienplatzbewirtschaftung, die selbstverständlich mit einem Aufnahmemechanismus einhergehen muss. Bis Jahresende muss die Koalition aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts aber zumindest in Sachen Studienbeiträge einig werden.

Staatssekretariat

für Integration

Ein Wunsch wurde der SPÖ vom Koalitionspartner erfüllt: Es gibt erstmals ein Integrationsstaatssekretariat. Der neue ÖVP-Obmann und Vizekanzler Michael Spindelegger hat das bei seiner Umbildung der schwarzen Regierungsmannschaft im April des Jahres durchgesetzt. Zwar ist es im Innenministerium angesiedelt, allerdings gibt es dort mittlerweile einen Integrationsbeirat, der mit Rat und Tat zur Seite steht.

Einen weiteren Stolperstein hat die Regierung unterdessen verschoben: Die Wehrpflicht ist vorerst einmal klein Thema. Zwar liegt die neue Sicherheitsdoktrin schon im Parlament, die Frage, ob es ein Freiwilligenheer oder weiterhin die allgemeine Wehrpflicht geben soll, wird aber aller Voraussicht erst nach den nächsten Wahlen - und damit auch möglicherweise bei der Wahl - entschieden.

Hoffnungsfroh stimmt die Gesundheitsdebatte. Zwar hat es 2010 noch Sand im Getriebe gegeben, seit heuer scheint aber Reformwille auch in einigen Ländern eingekehrt zu sein. Das ist nicht zuletzt dem Diktat der leeren Kassen geschuldet. Und das ist auch ein Grund, warum Finanzministerin Fekter so sehr versucht, die sprudelnden Steuereinnahmen und die gute Konjunktur zu unterspielen. Die Zügel sollen straff bleiben, damit der Reformwille nicht versiegt.