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Wie sage ich es richtig?

Von Alexia Weiss

Politik

Viele Begriffe, die noch gängig sind, sind bereits negativ besetzt. | "Türkischstämmig" ist völlig veraltet. | Wien. Darf ich den Nachbarn, der ursprünglich aus Bosnien kommt, als Ausländer bezeichnen? Ist die Verkäuferin, die nicht akzentfrei Deutsch spricht, eine Migrantin? Die "Wiener Zeitung" bat den Sprachwissenschafter Martin Reisigl von der Universität Wien um Antworten. Ernüchterndes Fazit: So sehr man sich auch bemüht, politisch korrekte Sprachregeln zu finden, sie sind immer nur kurzfristig erfolgreich.


Die Bezeichnung "Personen mit Migrationshintergrund" etwa ist eine, wie Reisigl meint, "schwerfällige Bezeichnung", die eingeführt wurde, "um eine vom Kriterium der Staatsbürgerschaft abgekoppelte Bezeichnung zur Verfügung zu haben, die Menschengruppen mitbezeichnet, die bereits die Staatsbürgerschaft eines Landes erworben haben und deren Eltern oder Großeltern zugewandert sind". Die Bezeichnung sei derzeit "wohl noch die akzeptabelste, um Menschen der sogenannten ersten, zweiten und zum Teil auch dritten Generation in einer Benennung zusammenzufassen".

Die Frage ist nur, wie lange das noch so bleibt. Denn, so Reisigl, der Begriff erfahre gerade eine Bedeutungsverschlechterung. Konkret heißt das, dass jene Faktoren, die mit dem inzwischen so negativ besetzten Wort Ausländer verbunden werden, meist die sozialen Ursachen der Diskriminierung, ebenfalls für jene wirksam werden, die als Personen mit Migrationshintergrund bezeichnet werden. Dass neu geschaffene Begriffe abgewertet werden können, ist ein bekanntes Phänomen. Der Sprachwissenschaft sind solche Zyklen der Bedeutungsveränderung von Wörtern seit jeher bekannt. Ein neu eingeführter Sprachgebrauch ist stets in einen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang eingebettet. "Ist dieser durch Diskriminierung gekennzeichnet, färbt der negative soziale Kontext allmählich auch auf die Bedeutung des alternativ eingeführten Wortes ab."

Den Begriff Ausländer zu verwenden ist aus rechtlicher Sicht korrekt, und zwar dann, wenn eine Person nicht die Staatsbürgerschaft des Landes besitzt, in dem sie sich gerade aufhält.

Aus Sicht der Sprachwissenschaft steckt im Wort Ausländer, das der Gegenbegriff zum Inländer ist, die Metapher des "draußen" im Gegensatz zum "drinnen". "Insofern dient das Begriffspaar Ausländer versus Inländer einer politischen Grenzziehung", so Reisigl. Während im rechtlichen Begriff häufig zunächst keine negative Bedeutung mitschwingt, "zeigt sich im alltäglichen Sprachgebrauch vieler Menschen und Massenmedien und vor allem in der Sprache des Rechtspopulismus, dass das Wort Ausländer emotional sehr negativ besetzt ist und höchst selektiv verwendet wird".

Reiche Menschen selten als Ausländer bezeichnet

Denn: Der Begriff wird vorwiegend für jene verwendet, die keinen österreichischen Pass besitzen und sozial schlechter gestellt sind. "Reiche Menschen mit einer anderen Staatsbürgerschaft, die zum Beispiel aus den USA, aus Japan oder aus Deutschland nach Österreich zugewandert sind, werden in den Medien und in der Politik nur selten als Ausländer bezeichnet."

Um den Begriff Ausländer zu vermeiden, wird immer wieder gerne das Wort Migrant benutzt. Dieser Begriff trifft aber nur dann zu, wenn Menschen gerade dabei sind, ihr Land zu verlassen, um in ein anderes zu ziehen. "Die Bezeichnung ist aber schon nicht mehr zutreffend, wenn diese Menschen schon seit Jahren in dem Land leben, in das sie einst eingewandert sind", so Reisigl. Rein wörtlich gesehen wäre es hier korrekt, Migrat und Migratin zu verwenden. Doch diese Bezeichnungen sind nicht etabliert "und laufen Gefahr, rasch eine Bedeutungsverschlechterung zu erfahren".

Zigeuner ist auch ein Begriff, den jene, die politisch korrekt formulieren wollen, heute meiden. Er gilt als ebenso unkorrekt, wie Menschen nach ihrer Hautfarbe oder anderen äußeren Merkmalen zu benennen - "Schwarze", "Rothaut". Allerdings gibt es durchaus Personen, die sich selbst statt als Roma oder Sinti als Zigeuner bezeichnen oder eben als schwarz. Daher betont der Sprachwissenschafter: "Die Frage, wie ich eine Person bezeichnen darf und wie ich sie nicht bezeichnen sollte, hängt in erster Linie von der Frage ab, wie die Gruppe von Personen, deren Mitglieder bezeichnet werden sollen, selbst gerne bezeichnet werden möchte."

Reisigl meint zudem: Bezeichnungen, die sich auf die Hautfarbe eines Menschen beziehen, konstruieren sprachlich etwas, was es in der Realität gar nicht gibt. "In Wirklichkeit gibt es nur eine unglaublich große Bandbreite und Kontinuität an verschiedensten Tönungen der menschlichen Hautfarbe." Wie aber nun jemanden bezeichnen, den man früher - und heute politisch unkorrekt - als Schwarzafrikaner tituliert hätte? Der Begriff Afrikaner sei in vielen Kommunikationssituationen so unspezifisch wie jener des Europäers, betont der Linguist. Man sollte daher, sofern die Angabe der Herkunft überhaupt relevant ist, immer das konkrete Land oder den Ort benennen, aus dem eine Person nach Österreich zugewandert ist.

"Die biologistische Rede vom Stamm ist veraltet"

Um eine Herkunft zu beschreiben, wird oft auch der Begriff stämmig gebraucht. Besonders häufig hört man ihn hier zu Lande, wenn von Familien die Rede ist, die ihre Wurzeln in der Türkei haben. "Die biologistische Rede vom Stamm ist völlig veraltet und oft in der Nähe eines biologisch verstandenen Rassismus angesiedelt." Doch auch von türkischer Herkunft zu sprechen, sei nur dann richtig, wenn die in Wien geborene Person viel stärker in die türkische als in die österreichische Kultur hineinsozialisiert wird. Der Sprachwissenschafter empfiehlt, von türkisch-österreichischer oder österreichisch-türkischer Herkunft zu sprechen.