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Auf die Justiz zu warten, könnte Jahre dauern

Von Christian Rösner

Politik

U-Ausschuss als Wahlkampfauftakt im nächsten Jahr? | Experten sehen keinen Grund, zu warten.


Wien. Während die Staatsanwaltschaft ermittelt, streiten sich die Parteien um die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Telekom-Affäre. Kommen soll auf alle Fälle einer - allerdings nicht sofort. In diesem Punkt sind sich zumindest SPÖ und ÖVP einig. Denn kaum jemand in der Koalition findet es sinnvoll, wenn Justiz und U-Ausschuss gleichzeitig tätig sind: Paralleles Arbeiten von Behörden und Parlament würde lediglich einen Ausschuss behindern, hieß es.

"Das Parlament ist keine Ersatz-Staatsanwaltschaft", erklärte Karlheinz Kopf. "Es muss jetzt alles auf den Tisch", dann liege es an den Parlamentsklubs, einen allfälligen U-Ausschuss zu erörtern, sagte Finanzstaatssekretär Andreas Schieder. Entscheidend sei, jetzt einmal die Ermittlungen abzuwarten, meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Zuerst müsse man das Ende der Ermittlungen abwarten, betonte auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Würde ein U-Ausschuss zu früh eingesetzt, drohe etwa, dass sich geladene Verdächtige aufgrund der laufenden Ermittlungen ihrer Aussage entschlagen könnten, so Kräuter.

Hinter dem Abwarten könnten sich aber auch durchaus taktische Motive verbergen. Insidern zufolge gibt es nämlich bereits eine Zusage der SPÖ, dass der U-Ausschuss im nächsten Jahr als Wahlkampfauftakt startet. Deswegen werde sich die SPÖ in den kommenden drei Monaten diesbezüglich noch ruhig verhalten, heißt es.

U-Ausschüsse zeitigen nur indirekte Folgen

Darüber, wie sinnvoll U-Ausschüsse überhaupt sind, scheiden sich jedenfalls schon länger die Geister. Denn aus einem solchen kann eigentlich nur ein Abschlussbericht mit Empfehlungen hervorgehen. Direkte rechtliche Folgen wie eine Anzeige sind nicht möglich - indirekte hingegen sehr wohl: 1989 mussten etwa Innenminister Karl Blecha und Nationalratspräsident Leopold Gratz im Zusammenhang mit dem Lucona-U-Ausschuss zurücktreten. Und bereits im Vorfeld des Spionage-Ausschusses wurde jener Polizeibeamte, der den Grünen Karl Öllinger mit Informationen über die FPÖ versorgt haben soll, vom Dienst suspendiert.

"Untersuchungsausschüsse bringen extrem viel", meint etwa auch der grüne Wehrsprecher Peter Pilz. "Ohne den Eurofighter-U-Ausschuss würde es keine Telekom-Affäre geben, schließlich sind bei den Hausdurchsuchungen von Alfons Mensdorff-Pouilly die Telekom-Rechnungen aufgetaucht", so Pilz.

Wie Pilz hatten sich auch FPÖ und BZÖ, aber auch der Kärntner SPÖ-Chef Peter Kaiser für eine sofortige Einsetzung eines Ausschusses ausgesprochen. Dass sich Verdächtige aufgrund laufender Ermittlungen ihrer Aussage Entschlagen könnten, lässt Pilz nicht gelten: "Das können sie später genauso."

Für den Politologen Hubert Sickinger ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss durchaus "das Mittel der Wahl für politische Landschaftspflege". Schließlich seien die meisten der erhobenen Vorwürfe strafrechtlich nicht relevant, aber durchaus politisch zu bewerten, meinte der Experte. Denn die Verwicklung von Amtsträgern könnte gewichtige politische Folgen haben.

Auf die Justiz zu warten könnte allerdings lange dauern, meinte Sickinger. "Da muss man den Ausschuss wohl um Jahre verschieben, wenn man darauf wartet, dass die Sache rechtskräftig abgeschlossen ist". Selbst eine erstinstanzliche Entscheidung könnte sich nicht bis nächstes Jahr ausgehen - "und dann gibt es die Möglichkeit der Berufung", so der Politologe. Fazit: Wartet man auf ein rechtskräftiges Urteil, könnte der U-Ausschuss erst in der nächsten Legislaturperiode stattfinden.

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer sieht keinen Grund, mit dem U-Ausschuss zu warten. "Bis der eingesetzt wird, sich konstituiert und zu arbeiten beginnt, haben wir eh schon Jahresende", so Mayer. Auch dass sich einzelne Personen der Aussage entschlagen könnten, bereitet dem Experten keinen Kummer, "schließlich werden nicht nur Verdächtige befragt, sondern auch Personen aus dem Umfeld, die ebenfalls interessante Fakten ans Licht bringen könnten", meinte Mayer.

Im Übrigen könnte der U-Ausschuss durchaus Daten der Telekom einsehen, obwohl das Unternehmen mittlerweile privatisiert ist. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss prüfe das Verhalten jener Amtsträger, die in der betreffenden Zeit mit der Telekom zu tun hatten - und damit kann mittelbar auf die Daten der Telekom zugegriffen werden, die in Zusammenhang mit den Vorwürfen stehen", so Mayer.

Telekom-Aufsichtsrat setzt Task Force ein

Schon heute, Freitag, wird sich die Telekom selbst mit der Causa beschäftigen. Ein vom Kernaktionär ÖIAG einberufener außerordentlicher Aufsichtsrat wird laut einer Aussendung die Einsetzung einer "international renommierten Task Force" zur Klärung der Affäre vorschlagen. Über Inhalte schweigt man sich aber aus, ebenso darüber, wo das Treffen stattfinden soll.

Neben fragwürdigen Zahlungen an den Lobbyisten Peter Hochegger und ehemalige Spitzenpolitiker - auf Hocheggers Pay-Roll standen unter anderem Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach und dessen Vorgänger als Infrastrukturminister, Mathias Reichhold (dieser hat als Reaktion auf die Vorwürfe sein Mandat als Aufsichtsratschef der Klagenfurter Stadtwerke am Donnerstag zurückgelegt) -, unter anderem im Zusammenhang mit der Vergabe des Auftrags für den bundesweiten Behördenfunk, geht es in der Telekom-Affäre auch um den Vorwurf der Kursmanipulation. 2004 soll über einen Broker der Aktienkurs der Telekom künstlich nach oben gedrückt worden sein, was den Telekom-Managern Bonuszahlungen in der Gesamthöhe von rund neun Millionen Euro bescherte.

Neben dem früheren Telekom-Vorstand Gernot Schieszler, der als Kronzeuge in der Affäre auftritt, hat bisher nur der frühere Finanzvorstand Rudolf Fischer eine Beteiligung an der Kursmanipulation gestanden. Ermittelt wird allerdings auch gegen die früheren Telekom-Chefs Heinz Sundt und Boris Nemsic sowie den ehemaligen Finanzvorstand Stefano Colombo, die allerdings sämtliche Vorwürfe dementieren.