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Ein Mix aus Balkan, Orient, Klezmer

Von Selina Nowak

Politik
Golnar Shahyar (Gesang, Def, Berimbao), Mona Ratbou Riahi (Klarinette), Jelena Popran (Gesang, Viola, Setar, Loops).

Neues Trio mischt die Musikstile miteinander. | Am Freitag treten "Sormeh" erstmals auf.


Wien. Ihr Name ist Programm. "Sormeh" ist das persische Wort für Lidstrich - ein wiederkehrendes Motiv in der Literatur, das für Schönheit und Kraft steht - wie die Musik von "Sormeh". Das Trio schafft eine Verbindung zwischen Balkan und Orient, spielt bulgarische, armenische, griechische, persische, jiddische, sephardische Lieder, lässt geografische und geistige Grenzen verschwinden.

Die Idee zum Projekt kam Mona Ratbou Riahi. Schon in Teheran war Klezmer ihre Lieblingsmusik. Doch diese jüdische Musik war dort verboten und niemand wollte sie mit ihr spielen. Seit drei Jahren lebt die Studentin in Wien. An der Uni für Musik und Darstellende Kunst lernte die Klarinettistin Landsfrau Golnar Shahyar kennen. Nach gemeinsamen Projekten mit persischer Musik fand es Riahi an der Zeit, ihre alte Leidenschaft aufleben zu lassen. Auch Shahyar, die zuvor in Toronto Biologie studiert hatte, war auf der Suche nach einer musikalischen Ausdrucksform "die man mit seinem ganzen Körper fühlt."

Die Dritte im Bunde ist Jelena Popran. Sie ist in Wien schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr. Vor neun Jahren kam sie nach Österreich, studierte zunächst Bratsche in Oberschützen, einem kleinen Ort im Burgenland nahe der Gemeinde Oberwart. Dort hat die Kunstuni Graz eine eigene Abteilung für junge Talente. Nach zwei Jahren in dieser "Anstalt für Wunderkinder", wie Jelena das Institut schmunzelnd nennt, beendete sie ihr Studium in Wien. Vor drei Jahren hat sie ihr erstes nicht-klassisches Projekt angefangen. Das von der Kritik hochgelobte Duo "Catch-Pop String-Strong" mit der albanischen Cellistin Rina Kaçinari.

Alle drei Frauen gehören zu einer Generation junger Musiker, die keine Scheu hat, Genregrenzen zu überschreiten und unbefangen Klassik, Pop, Jazz und verschiedene Kulturen miteinander zu kombinieren, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Dass dies gerade in Wien passiert, ist kein Zufall. Aus aller Welt kommen Menschen hierher, studieren Klassik oder Jazz und finden einen fruchtbaren Boden, um ihre Stile weiterzuentwickeln oder gar neue zu erfinden. Der Ruf Wiens als Musikweltstadt gilt zwar hauptsächlich im Bereich Klassik, trotzdem brauche sich die Stadt vor Musikmetropolen wie London, Paris oder New York nicht zu verstecken, meint Shahyar. "Jeden Tag kann man in Wien super Musik hören, sei es in kleinen Cafés oder Theatern. Das Niveau ist sehr hoch und die Konzerte sind - im Gegensatz zu Paris - leistbar."

Popran ergänzt: "Man hört oft, dass es in anderen Städten viel schwieriger ist. Ich kenne Jazzmusiker aus New York, die es kaum erwarten können, nach Europa zu kommen. In New York müssen sie oft lange warten, um in einem kleinen Lokal spielen zu können, wirklich Geld bekommen sie nicht." Einen Kritikpunkt muss Jelena aber loswerden: "In Wien gibt es viele verschiedene Musikszenen, relativ viel Geld, aber ein Großteil der Förderungen geht nur an klassische Musik."

Noch etwas stört Popran: Alle nehmen an, sie würde traditionelle Musik spielen, nur weil sie aus Serbien kommt. "Wenn man die Menschen dann fragt, was diese traditionelle Musik sein soll, dann kennen sie nur Goran Bregoviæ oder Boban Markoviæ. Aber sie meinen, ich habe diesen Sound im Blut, quasi in meinen genetischen Code eingebrannt. Das ist natürlich Blödsinn!"

Shahyar bestätigt: "Ich habe vor meinem Musikstudium nie traditionelle iranische Musik gespielt. Die Vorstellung, dass für uns Balkanieros oder Iranieros Volksmusik etwas ganz Natürliches wäre, stimmt nicht." In Österreich würde Volksmusik viel mehr gepflegt, stimmen alle drei Musikerinnen überein. In Serbien werde hingegen traditionelle Musik primär von Ethnologen oder Ethno-Musikern erhalten, erzählt Jelena. Ein paar alte "Hits" würden auch in der Schlagermusik - genannt "Turbofolk" - gesungen.

Die Iranerin Shahyar erzählt, dass sich momentan in ihrem Heimatland viele junge Leute für echte Volksmusik interessieren, da diese in der Populärkultur nur noch als hybride Pop-Mischung zu hören ist. Die intellektuelle Schicht höre eher Rock aus den 70ern und 80ern. Als offizielles Aushängeschild des Landes würde klassische persische Musik gefördert und an den Unis unterrichtet. Trotzdem sind im Iran viele traditionelle Lieder gesammelt und ediert worden. Die große iranische Sängerin Sima Bina etwa hat mehr als 30 Jahre lang Wiegenlieder zusammengetragen, eines davon haben Sormeh in ihrem Repertoire.

Rembetiko und Liebeslied

Die Lieder des Trios sind teils sehr alt. Aber auch jüngere Lieder, wie ein Rembetiko-Lied aus den 80ern, nehmen Sormeh in ihr Programm auf. Rembetiko ist der Musikstil jener Griechen, die 1922 aus der Türkei vertrieben wurden. Die Texte sind voll Trauer und Sehnsucht, weshalb der Stil auch "griechischer Blues" genannt wird. Lustiger ist "What can you mach, s’is America", ein jiddischer Varieté-Chanson aus dem New York der 20er Jahre. Es geht darin um einen jüdischen Einwanderer aus Osteuropa, der in die USA kommt und dort alles genau umgekehrt vorfindet, als er es gewohnt ist.

"Sormeh" spielen die Lieder nicht einfach nach, sondern entwickeln sie weiter. Ein sehnsüchtig schmachtendes Liebeslied hat Shahyar selbst komponiert, Riahi schrieb einen Text über Freiheit zu einer jüdischen Melodie - als Statement zur grünen Revolution im Iran vor zwei Jahren.

Die jungen Frauen sehen ihre Musik nicht explizit politisch. Ihre Botschaft ist: Kulturen sind Mischungen und haben unzählige Gemeinsamkeiten. Diese Berührungspunkte herauszuarbeiten ist der Anspruch von "Sormeh". Eine CD ist in Planung, am Freitag spielt das Trio im Theater am Spittelberg, viele weitere Konzerte sollen folgen.

Jelena Popran wird in nächster Zeit viel unterwegs sein - sie wurde mit ihrem Zweitprojekt "Catch-Pop String-Strong" vom Außenministerium zur "Offiziellen Botschafterin österreichischer Kultur im Ausland" ernannt.