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"Wichtig, die Matura zu schaffen"

Von Alexia Weiss

Politik
Rahma Yasin, Jaspal Singh und Saifurahman Rahmani erhielten das "Start"-Stipendium.

Das "Start"-Programm unterstützt Migranten auf dem Weg zur Matura. | Gute Leistungen in der Schule werden honoriert.


Wien. Saifurahman Rahmani (15) kam vor vier Jahren aus Pakistan nach Österreich. Geboren wurde er in Afghanistan, doch die Familie floh vor dem Krieg, als der Bub noch ein Kleinkind war. Rahmanis Vater ist bereits vor etwas mehr als zehn Jahren in Wien gelandet: Seitdem wartet er auf seinen Asylbescheid. Für die Familie ist die Situation schwierig: Rahmani hat zwei Geschwister, die Mutter kann nach einer misslungenen Operation nicht mehr arbeiten.

All das erzählt Saifurahman Rahmani in perfektem Deutsch. Seine Muttersprache ist Paschtu. In Pakistan musste er Dari erlernen und wurde auch in dieser Sprache alphabetisiert. In Wien angekommen, hieß es dann Deutsch lernen. Einen Monat besuchte er hier noch die Volksschule, dann ging es an eine Kooperative Mittelschule. Da kam dann auch noch Englisch dazu. Nach zwei Jahren wechselte er an eine AHS. Heute besucht er die fünfte Klasse. Und zeigt dabei so gute Leistungen, dass er heute, Dienstag, im Innenministerium als einer von 16 neuen Stipendiaten des Programms "Start"-Wien vorgestellt wird.

Dieses von der Crespo Foundation initiierte und maßgeblich finanzierte Projekt unterstützt Jugendliche mit Migrationshintergrund, die besonders begabt und engagiert sind, auf ihrem Weg zur Matura. Sie erhalten einen Laptop mit Internetanschluss, ein monatliches Bildungsgeld in Höhe von 100 Euro und Unterstützung von Mentoren sowie die Möglichkeit, an Workshops und Exkursionen teilzunehmen.

Rahmani sagt: "Für mich ist es wichtig, die Matura zu schaffen. ,Start ist dabei ein Schlüssel für mein Leben, meine Zukunft." Hier könne er sich vernetzen, werde finanziell unterstützt. Sein Ziel: ein naturwissenschaftliches Studium. Und danach nach Afghanistan zu gehen, zu forschen, vielleicht im Bereich der Geologie. Langfristig sieht er sich aber in Österreich, hier gebe es bessere Möglichkeiten zu experimentieren. Kraft gibt ihm seine Religion, der Islam. "Unsere Religion sagt uns auch, dass es wichtig ist, eine gute Ausbildung zu haben. Und die bekomme ich hier in der Schule."

Rahma Yasin (16) ist ebenfalls praktizierende Muslima. Das zeigt sie auch, denn sie trägt Kopftuch. Sie besucht derzeit eine Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, "damit ich dann nicht nur die Matura, sondern auch eine Ausbildung habe". Doch sie hat vor, noch weiterzustudieren, vielleicht Ernährungswissenschaften, vielleicht Psychologie.

Yasin ist bereits in Österreich geboren, ihre Eltern kommen aus Ägypten. Zu Hause wird Arabisch gesprochen, das die junge Frau auch schriftlich beherrscht - aus dem Unterricht in der Moschee, den sie besucht. Deutsch hat sie im Kindergarten erlernt, erzählt sie, und ihre Mutter, eine Englisch-Lehrerin, habe auch immer geschaut, dass im Fernsehen deutsches Programm lief. Das habe auch geholfen. Mit den Geschwistern spricht Yasin vorrangig Deutsch.

Jaspal Singh (14) kam mit vier Jahren in den Kindergarten. Zu Hause wurde Punjabi gesprochen, dennoch verstand er, was die anderen Kinder ihm erzählten: Deutsch hatte er beim Fernsehen erlernt. Singhs Eltern stammen aus Indien, er wurde bereits in Wien geboren. Indische Kultur spielt in der Familie eine wichtige Rolle, zur Religion - Singh ist Sikh - bekennt man sich, doch weder sein Vater noch er selbst tragen Turban. Nur für Insider ist aufgrund des silbernen Armreifens, den Singh trägt, zu erkennen, dass er dieser Religion angehört.

Von der Möglichkeit, sich für ein "Start"-Stipendium zu bewerben, hat ihm eine seiner Professorinnen an der Handelsakademie, die er besucht, erzählt. Was ihm an diesem Programm gefällt? "Man lernt neue Leute kennen, hat viele Möglichkeiten, neben der Schule weiterzulernen, und das vier Jahre lang. Ich weiß, damit ich erfolgreich bin, muss ich mich von anderen hervorheben. Hier lerne ich auch Rhetorik und Präsentationstechniken. Das wird mir sehr helfen." Singh will nach der Matura ein Wirtschaftsstudium absolvieren. Neben seiner Muttersprache Punjabi beherrscht er auch Hindi, "aus den Filmen", sowie Urdu.

In der Schule lernt er Englisch und Französisch. Dass er in seiner Muttersprache nicht schreiben kann, empfindet er als Defizit. Und wenn man ihn nach seiner gefühlten Identität fragt, dann antwortet er: "Dass ich Österreicher mit indischem Hintergrund bin. Denn wenn ich mich als Inder bezeichnen würde, wäre das falsch, weil ich gar nicht wirklich weiß, wie das ist, in Indien zu leben. Dort bin ich ja nur in den Ferien."

Heimat oder Urlaubsziel?

Für immer nach Indien zu gehen, kann sich Singh auch nicht vorstellen. Vielleicht werde er ein, zwei Jahre dort arbeiten, aber immer dort leben: nein. "An die Standards, die wir hier in Österreich haben, habe ich mich schon sehr gut angepasst. Zum Beispiel die Hygiene. Ich kann in Indien kein Leitungswasser trinken, ich brauche das abgepackte in der Flasche."

Auch Yasin kennt Ägypten "nur vom Urlaub". Und sie empfindet es dann so, dass sie die Sprache, also Arabisch, nicht so perfekt spricht wie jene, die dort leben. Ihre Zukunft sieht sie also in Österreich - und es ist eine Zukunft, in der sie arbeiten wird, denn Berufstätigkeit ist ihr wichtig. Yasin freut sich, dass das "Start"-Programm ihr auf dem Weg dorthin helfen wird. Sie betont daher auch, dass sie das Geld, das sie erhält, "nicht verschwenden wird. Man sollte diese Mittel wirklich gut nutzen." Yasin will damit eine Therapie in Anspruch nehmen, um ihre Legasthenie in den Griff zu bekommen. Noch nähmen die Lehrer auf diese Krankheit Rücksicht. Doch bis zur Matura müsse sie alles richtig schreiben können, hat sie sich vorgenommen.

start-stipendium.at