Zum Hauptinhalt springen

Saudischer König wählte Wien

Von Stefan Beig

Politik
Neue Offenheit? König Abdullah ibn Abd al-Aziz will den interreligiösen Dialog fördern.
© © © Alessandra Benedetti/Corbis

Muslime begegnen Interreligiösem Zentrum abwartend bis kritisch.


Wien. Eine neue Plattform für interreligiösen Dialog soll in Wien entstehen. Finanziert wird sie von Saudi-Arabien. Es handelt sich um eine persönliche Initiative des saudischen Königs.

Am Dienstag hat der Ministerrat Außenminister Michael Spindelegger dazu ermächtigt, die Verträge für das neue Dialogzentrum am 13. Oktober mit Spanien und Saudi-Arabien zu unterfertigen. Noch heuer soll das Zentrum mit 60 Mitarbeitern seine Tätigkeit beginnen. Sein Sitz ist im Palais Sturany in der Wiener City.

Was aus Spindeleggers Sicht eine Chance für Wien ist, sich als Drehscheibe für Dialog und Frieden zu präsentieren, stieß bei den Grünen auf scharfe Kritik. Abgeordnete Alev Korun sprach von einem "schlechten Scherz". Ausgerechnet Saudi-Arabien, wo auf "Abfall vom Islam" die Todesstrafe stehe, wolle den internationalen interreligiösen Dialog fördern, fragte die Grün-Mandatarin. Sie verwies darauf, dass alle anderen Religionen "außer dem ultrakonservativen und fundamentalistischen Wahhabismus" in Saudi-Arabien verboten sind.

Ähnlich äußerte sich die Initiative Liberaler Muslime Österreichs (Ilmö), die vor einem neuen "wahhabitischem Zentrum" warnte, das "die Integration der Muslime durch eine feundamentalistisch-konservative Islamauslegung verhindert". Auch der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger forderte Außenminister in einem offenen Brief auf, "keinerlei Kooperationen mit dem Königreich Saudi-Arabien einzugehen, die diesem die Propagierung von Intoleranz und Hass gegen NichtwahhabitInnen ermöglichen." Aus Sicht des Außenministeriums sind die Sorgen unbegründet. Dem "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" gehe es nur um Dialog zwischen Vertretern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. So wolle man mit Dialog Konflikten und Kriegen vorbeugen. Konferenzen, Seminare und Fortbildungsveranstaltungen sind geplant. Der Heilige Stuhl wird Beobachterstatus haben.

Worauf das Ministerium gegenüber der "Wiener Zeitung" besonders hinwies: Nicht nur die monotheistischen Religionen, deren Anhänger der Islam als "Leute des Buches" bezeichnet, werden an der Plattform teilnehmen, sondern auch andere Glaubensrichtungen wie der Hinduismus und Buddhismus. Aus streng wahhabitischer Sicht ist das ein Unding. Eine wahhabitische Ausrichtung werde das Zentrum daher nicht haben.

Zurückhaltend gibt sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich. "Wir werden am 13. Oktober bei der Unterzeichnung dabei sein. Über die inhaltliche Ausrichtung und Struktur des Zentrums wissen wir zurzeit nichts", betont Medienreferent Zekirija Sejdini. Man hoffe auf eine positive Auswirkung der Initiative und wolle erst einmal die Arbeit abwarten, bevor man das Projekt beurteilt.

Der im 18. Jahrhundert gegründete Wahhabismus gilt als besonders konservativ-puritanische Auslegung des Islam. Viele Muslime vermissen bei ihm auch innerislamische Dialogbereitschaft. In den vergangenen Jahrzehnten hat eine von Saudi-Arabien betriebene Mission für seine weltweite Verbreitung gesorgt, was in Europa besonders am Balkan zu Spannungen führte.

Ein "Hindernis für den Dialog" ist der Wahhabismus aus Sicht von Ednan Aslan, der Islamische Religionspädagogik an der Uni Wien lehrt. Aslan, der sich zum neuen Zentrum noch nicht äußern will, kennt den Wahhabismus von seiner Arbeit am Balkan. Der Generalsekretär der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Kosovo Xhabir Hamiti wurde vor zwei Jahren von Wahhabiten in seiner eigenen Wohnung zusammengeschlagen. "Die islamische Glaubensgemeinschaft Riyasat in Bosnien-Herzegowina ist ganz klar gegen den Wahhabismus ausgerichtet."

Gefahr für Islam in Europa?

Laut dem an der Uni Wien lehrenden Balkan-Experten Vedran Dzihic sorgt in Bosnien eine wahhabitische Minderheit für Unmut bei der muslimischen Mehrheit sorgt. Entstanden sind wahhabitische Einrichtungen erst während des Jugoslawienkriegs. Ihre Blütezeit sei zwar vorbei, doch Wahhabiten seien noch immer im Alltag sichtbar. Für Aslan ist klar: "Die Vertreter der wahhabitischen Ideologie sind am Balkan eine Gefahr für den Islam europäischer Prägung."

Zekirija Sejdini gibt sich dennoch zuversichtlich: "Da das Zentrum in Österreich ist, hoffen wir auch, dass es hier seine Prägung hat." Auch er hält fest: "Grundsätzlich begrüßen wir es nicht, eine islamische Strömung von außerhalb zu importieren." Als theologische Strömung seien die Wahhabiten gar nicht anerkannt. "Sie stellen eine politische Richtung dar, deren Vermischung von Religion und Politik wir nicht gutheißen."

Auch der Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayeb, hat Außenminister Spindelegger bei dessen Ägypten-Besuch Anfang April vor dem Zentrum gewarnt. Es sei doch bekannt, welche Unruhe die Saudis mit solchen Zentren weltweit gesät hätten.

"Es gibt in Saudi-Arabien auch aufgeschlossene Wissenschafter", meint der in Ägypten geborene Islamwissenschafer Elsayed Elshahed, der zehn Jahre in Saudi-Arabien gelebt hat. Man müsste genau hinsehen, wer bei dem Zentrum mitmacht. Bei den Hütern des Wahhabismus, den Elshahed als "sehr konservativ und buchstabengetreu" bezeichnet, ist auch er zurückhaltend.

Einzelne Namen der beteiligten Persönlichkeiten sind bereits bekannt. Mohamad El Sammak, Generalsekretär des Christlich-Muslimischen Komitees für Dialog im Libanon, gehört dem Vorstand an, ebenso Rabbiner David Rosen, Präsident des Internationalen Jüdischen Komitees für den interreligiösen Dialog, und ein Professor von der Imam Mohammad bin Saud University in Saudi-Arabien.

Beobachter mutmaßen, dass sich der saudische König mit dem Projekt auch aus der Enge der wahhabitischen Lehre befreien wolle. Durch diese Institution wolle er Dialogbereitschaft auch in den eigenen Reihen erzwingen.