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"Eine hochexplosive Situation"

Von Katharina Schmidt

Politik

Gebühren als Instrument, um Ansturm deutscher Studierender zu steuern?


"Wiener Zeitung": Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat mit seinem Gutachten, wonach die Unis ab 1. März autonom Studiengebühren einheben können, für Wirbel gesorgt. Stiehlt er sich nicht aus seiner politischen Verantwortung und überträgt sie den Unis?Heinrich Schmidinger: Viele Minister holen Rechtsgutachten ein, außerdem wurde er vom Verfassungsgerichtshof aufgefordert, dieses Gesetz zu reparieren. Ich sehe dahinter keine Strategie, die darauf hinauslaufen würde, den Universitäten den Schwarzen Peter zuzuspielen.

Sie sind ihm also nicht böse?

Nein. Es liegt - auch nach der Logik des Universitätsgesetzes 2002, in dem die Unis als autonome Einrichtungen definiert sind - auf der Hand, dass sie früher oder später auch in dieser Frage selbständig handeln können müssen.

Die Unis sollen also in Zukunft autonom Gebühren einheben?

Nach meiner Interpretation ja. Wie diese Autonomie konkret ausgestaltet werden könnte, müsste man sich genau anschauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Universitäten hier unabgestimmt vorgehen würden. Solange sich die gegenseitige Blockade in der Regierung nicht auflöst, ist es aber völlig müßig, über Zeitperspektiven nachzudenken.

Halten Sie es für realistisch, dass sich diese Blockade löst?

Es muss sein, weil wir sonst ab 1. März einen Zustand haben, der unter Umständen zum Schaden aller ausgeht. Ich halte das für eine hochexplosive Situation, die früher oder später die Regierung sprengen kann.

Die Studiengebühren-Debatte ist aber doch nur eine Nebenfront.

Natürlich. Wir haben wirklich bedeutend größere Herausforderungen zu bewältigen - vor allem die Finanzierung. Momentan beträgt das Gesamtbudget der Universitäten pro Jahr rund 2,8 Milliarden Euro, davon macht der Ersatz der Studienbeiträge 157 Millionen aus. Das zeigt, wie groß dieses Problem in der Kasse ist.

Töchterle kämpft bei Finanzministerin Maria Fekter um die Hochschulmilliarde. Müssten sich die Unis nicht auch selbst einmal bei der Nase nehmen und zum Beispiel mehr Drittmittel akquirieren oder organisatorisch aufrüsten?

Das tun wir. Ich kenne keine Universität, die sich nicht massiv um Drittmittel bemüht hätte. Man kann nicht behaupten, dass die Universitäten hier nicht das ihnen Mögliche getan haben - trotz der denkbar schlechten Rahmenbedingungen. Auch im Ausland wird das anerkannt.

Im Rahmen des Hochschulplans sind auch bessere Kooperationen zwischen den Unis angedacht. Könnten diese bis zu Zusammenlegungen gehen?

Ich halte es nicht für sehr realistisch, dass Unis zusammengelegt werden. Kooperationen gibt es bereits, wenn auch vielleicht zu wenige. Da besteht an den Standorten noch Potenzial. Es wäre nicht zu verantworten, an ein- und demselben Standort zu doppeln oder ein- und dasselbe noch einmal zu vervielfältigen.

Die Uni Salzburg ist neben Innsbruck wohl jene, die am meisten vom Ansturm deutscher Studierender betroffen ist. Mobilität ist zwar erwünscht, die Studienplätze werden aber national finanziert. Wie soll dieses Dilemma gelöst werden?

Ich kann nicht verstehen, dass wir dauernd den europäischen Hochschulraum beschwören und dann eine so wichtige Frage wie Unizugang und Finanzierung nicht europäisch lösen. Ich kann nur dringend raten, weiter den Weg zu verfolgen, damit es eines Tages zu einer europäischen Lösung kommt.

Eine europäische Lösung ist aber in weiter Ferne, was kann man kurz- und mittelfristig tun?

Das ist ein Grund, warum ich persönlich für die Einhebung moderater Gebühren bin. Das wäre rasch umsetzbar, und auch die Studierenden aus dem Ausland würden einen Beitrag leisten.

Wollen Sie die Gebühren als Steuerungsinstrument nutzen?

Natürlich ist das eine Idee. Man müsste gleichzeitig das Stipendienwesen ganz massiv aufstocken. Mit einigem Willen könnte man erreichen, dass viel mehr Österreicher in den Genuss von Stipendien kämen, die ihnen nicht nur die Gebühren ersetzen würden, sondern auch darüber hinaus Unterstützung bieten könnten. Die, die es sich wirklich leisten können, unterstützen mit ihren Beiträgen die anderen. Wir würden damit Gerechtigkeit schaffen, auch, was den Zustrom aus dem Ausland anbelangt.

Sie werden als konsensorientiert beschrieben, können nach eigener Diktion aber auch rotsehen. Wo sehen Sie rot?

Zum Beispiel in der jetzigen Situation: Man ist in der Auseinandersetzung um die leidigen Studienbeiträge und die Zugangsregelungen nicht einmal mehr bereit, einen Kompromiss zu finden. Ich sehe rot, wenn es nicht einmal möglich ist, darüber zu reden.

Zur Person

Heinrich Schmidinger

Seit 10. Oktober ist Heinrich Schmidinger Präsident der Universitätenkonferenz. Geboren 1954 in Wien, maturierte er in Vorarlberg. An der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom studierte er Philosophie und Theologie. Seit 2001 ist Schmidinger Rektor der Paris Lodron Universität Salzburg. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.