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Weihnachten, eine Renaissance

Von Todor Ovtcharov

Politik
In vielen bulgarischen Haushalten wird das Essen von Hollywood geprägt - Truthahn.
© © Randy Faris/Corbis

Bulgaren und Griechen in Wien importieren ihre Weihnachtsbräuche.


Wien. "Ich bin nicht sehr religiös", sagt Peter, ein bulgarischer Student in Wien. "Aber ich halte mich in der letzten Zeit an die Weihnachtsfastenzeit. Für mich ist das eine Möglichkeit, mich vom ganzen Dreck, den ich das ganze Jahr esse, zu reinigen." Peter studiert seit drei Jahren in Wien und obwohl er heuer nicht die Möglichkeit hat, für die Weihnachtstage in die Heimat zurück zu fahren, wird er versuchen, so zu feiern, als ob er zu Hause wäre. Nichts darf beim traditionellen Festmahl fehlen.

Im Unterschied zu Serben und Russen, die Weihnachten am 7. Jänner feiern, zelebrieren Bulgaren und Griechen, die ebenfalls orthodoxe Christen sind, die Geburt Christi wie die Österreicher am 24. Dezember. Das liegt daran, dass man sich in Russland und Serbien nach dem julianischen und in Bulgarien und Griechenland nach dem gregorianischen Kalender richtet.

Vor den Weihnachtsfeiern müssen religiöse Griechen und Bulgaren eine 40-tägige Fastenzeit überstehen. In dieser Periode verzichtet man auf Fleisch und Fett tierischer Herkunft. Man darf auch keine Milch und Milchprodukte konsumieren. Pflanzliche Fettmittel wie Sonnenblumen- und Olivenöl sind erlaubt. Am 21. November (Maria Darstellung) und am 6. Dezember (Hl. Nikolaus) darf man ausnahmsweise Fisch essen. Während des Fastens sind auch Alkohol, Geschlechtsverkehr, Heiraten und unangemessenes Verhalten verboten.

Das Weihnachtsfasten ist nicht so streng wie die Osterfastenzeit, die es bei den Katholiken ebenso gibt. Da soll man die letzten Tage vor Ostern völlig auf Nahrung verzichten. Während manchen solches Verhalten heutzutage wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit erscheint, das zur Dynamik des 21. Jahrhunderts nicht passt, halten immer mehr junge Bulgaren die Weihnachtsfastenzeit ein. Auch ohne seinen religiösen Inhalt wird das Fasten als eine nötige "Säuberung" des Organismus angesehen, eine Art moderner "Biolifestyle". Deshalb meiden Bulgaren, die das Weihnachtsfasten einhalten, in Wien auch die Weihnachtsmärkte mit ihrem Glühwein und Süßigkeiten.

Weihnachten ist für die Bulgaren in seiner heutigen offiziellen Form ein ziemlich junges Fest. Erst einige Monate nach der Wende, im Jahre 1990, wurde Weihnachten als ein offizieller Feiertag vom Parlament anerkannt. Die politischen Flüchtlinge aus Bulgarien, die in Wien als Asylanten lebten, erzählen, wie sie vor 1989 ihren Verwandten im Osten Päckchen mit geheimen Weihnachtsgrüßen geschickt haben. Für das kommunistische Regime war die Religion "Opium fürs Volk" und die kirchlichen Feiertage verboten. In den letzten 20 Jahren hat aber Weihnachten seinen Platz unter den Festen wieder eingenommen.

Am 24. Dezember essen die Bulgaren nur fleischlose Gerichte, die immer eine ungerade Anzahl haben sollen - sieben, neun oder elf. Typisch für das Festmahl am Heiligen Abend sind Weintraubensarmarouladen mit Reis, gebackener Kürbis mit Honig und Walnüssen, gefüllte Paprika mit gekochten Bohnen oder getrocknete Früchte. Das Einhalten der Tradition ist selbst für die bulgarischen Studenten in Österreich, die zu Weihnachten nicht bei ihren Familien sein können, ein Muss. An ihren Festtischen sehen die Sarmarouladen oft so aus, als wären sie von einem surrealistischen Bildhauer gemacht.

Man bäckt auch eine große "Banitza" - einen Blätterteigkuchen, ähnlich dem türkischen Börek. In die Banitza steckt man Glückwünsche, die man um einen kleinen Kirschenzweig wickelt. Die Glückwünsche sind ganz traditionell Liebe, Glück und Gesundheit, aber auch materielle Dinge wie ein neues Haus, ein neues Auto oder eine Weltreise. Das größte Glück soll aber die Münze bringen. Derjenige, der sie bekommt, soll sich im nächsten Jahr über finanzielles Glück freuen. Seitdem Bulgarien in der EU ist, benutzt man häufig eine Euromünze als Glücksbringer.

Das staatliche Fernsehen überträgt in Bulgarien die Weihnachtsmesse aus der Kathedrale "Hl. Alexander Njewski" in Sofia, die aber von Jung und Alt kaum wahrgenommen wird. Während zu Ostern in der Nacht von Samstag auf Sonntag viele Menschen, besonders im Ausland, den Gottesdienst besuchen, bleiben zu Weihnachten die meisten zu Hause. Am 25. Dezember isst man gebackenes Schweinefleisch und unter dem Einfluss von Hollywood neuerdings auch Truthahn. Der ist aber nicht wie bei den Amerikanern gefüllt, sondern wird mit Sauerkraut, eingetaucht in roten Pfeffer, genossen.

Nicht ohne Melomakarona!

Die Griechen feiern Weihnachten ähnlich wie die Bulgaren, nur wurde die Tradition der Weihnachtsfeier nicht von 45 Jahren Kommunismus unterbrochen. Die Familien, die die Fastenzeit eingehalten haben, besuchen am 24. Dezember die Kirche, wo sie sich von ihren Sünden "reinigen". Am nächsten Tag isst man am Festmahl Schweinefleisch, Krautrouladen und verschiedene Salate. Auch gefüllte Hühner und Truthähne sind für das Weihnachtsfestmahl gewöhnlich, und die traditionellen griechischen Süßigkeiten "Melomakarona". Die Familien, die die Fastenzeit nicht eingehalten haben, beginnen mit dem Festmahl schon am Heiligen Abend. Ein interessanter Brauch in Griechenland ist das Schmücken von Schiffen, was aus der alten Seefahrttradition des Landes stammt. Der Weihnachtsbaum und das Geschenke-Verteilen drangen in Bulgarien und in Griechenland erst später unter Einfluss der westlichen Kultur ein.

Giorgos, der seit fast 30 Jahren in Österreich lebt und ein griechischer Lebensmittelladen in Wien betreibt, sagt: "Ich bin mit einer Österreicherin verheiratet und zu Hause ist sie der Chef. Ich feiere Weihnachten wie die Österreicher. Aber ohne Kourabiedes, die griechischen Vanillekipferln, kann ich mir Weihnachten nicht vorstellen. Die isst jeder. Ich bin nach Österreich gekommen und halte mich an die hiesigen Regeln. Ich hoffe, Gott wird mir verzeihen, wenn ich nicht faste."

Einige griechisch-orthodoxe Christen werden aber die Feiertage nutzen, um für eine Woche ihre Verwandten in Griechenland zu besuchen. Und was für Geschenke werden von ihnen erwartet? Am liebsten eine dicke Brieftasche voll mit Euros.