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"Das wird zu einer Katastrophe"

Von Brigitte Pechar

Politik
Harald Walser befürchtet, dass aus der gemeinsamen Lehrerausbildung nichts wird.

"NMS ist an der ÖVP gescheitert, weil sie keine gemeinsame Schule wollte."


"Wiener Zeitung": Die Umwandlung aller Hauptschulen in Neue Mittelschulen (NMS) soll österreichweit bis 2015 abgeschlossen sein. Im Jänner wird die NMS im Nationalrat beschlossen. Die ÖVP hatte zuvor von einem "Austauschen der Türschilder" gesprochen. Jetzt haben die Grünen diese Formel übernommen. Was stört Sie an der NMS?Harald Walser: Wir übernehmen den ÖVP-Sprech nicht. Der zentrale Ansatz der NMS war die Verschiebung der Bildungslaufbahnentscheidung nach hinten. Das hat die ÖVP aber verhindert. Denn in den NMS-Modellschulen wurde wie in den AHS der "umfassende und vertiefende" Lehrplan der AHS-Unterstufe angewendet. Damit erhielten die Kinder am Ende ein Realgymnasiumzeugnis ausgestellt. Im nunmehrigen Gesetzesentwurf, der im Jänner beschlossen werden wird, ist ein eigener Lehrplan vorgesehen. Dieser sieht nur eine "grundlegende", beziehungsweise für einen Teil der Kinder eine "vertiefte Allgemeinbildung" vor. Ich bezweifle daher sogar, dass die NMS eine Verbesserung zur Hauptschule darstellt. Tatsächlich ist die NMS eine extrem teure Fehlentwicklung. Am Ende werden damit der einstige A- und B-Zug wiedereingeführt.

Das klingt nach der äußeren Differenzierung und widerspricht dem ursprünglichen Gedanken der individuellen Differenzierung.

So ist es. Im Entwurf ist von einer "temporären Differenzierung" der Kinder die Rede. Die kann also auch zehn Monate dauern.

Sie glauben also, dass das Niveau der künftigen NMS niedriger sein wird als jenes der Hauptschulen?

Das nicht, aber die Chancen vieler Kinder werden geringer sein. Wir gehen mit diesem Gesetzesentwurf einen Schritt zurück. Ich halte das für eine Katastrophe. Ich hätte gerne etwas Positives an der NMS gefunden, aber es gelingt mir nicht. Am Ende - und das zeigen die Erfahrungen aus Vorarlberg - wird die Klasse in gute und schlechte Schüler geteilt. Diese Separierung der Kinder ist eine fatale Fehlentwicklung. Zwar kann der Unterricht durch gute Lehrer verbessert werden, aber die Berechtigungen für den Übertritt in eine AHS sind teilweise geringer als bisher beim Übertritt von Hauptschulen in AHS.

Warum ist das Projekt Neue Mittelschule gescheitert?

Weil die ÖVP die Grundidee der NMS, die Bildungsentscheidung hinauszuschieben, torpediert hat. Unterrichtsministerin Claudia Schmied ist zwar ambitioniert gestartet, aber sie wurde nicht nur von der ÖVP bekämpft, sondern auch von der eigenen Partei im Stich gelassen.

Schmied hat auf eine "Abstimmung mit den Füßen" gehofft. Also darauf, dass die Eltern ihre Kinder lieber in eine gut ausgestattete, neue Schulform geben als in die AHS. Und sie hofft noch darauf, dass nach Einführung einer gemeinsamen Lehrerausbildung der Widerstand der AHS-Lehrer gegen eine Gesamtschule entfallen wird.

Diesen Braten hat die Betonfraktion in der ÖVP schon gerochen. Ich befürchte daher, dass diese gemeinsame Lehrerausbildung scheitern wird. Und ich befürchte außerdem, dass all jene engagierten Lehrer, die sich am Modellversuch NMS beteiligt haben, durch dieses Gesetz frustriert werden.

Zur Person

Harald Walser

Der 58-Jährige ist seit 2003 Direktor des Elitegymnasiums Feldkirch (derzeit karenziert). Er ist seit 2008 für die Grünen im Nationalrat und deren Bildungssprecher. Walser fordert die gemeinsame Schule für alle 10- bis 14-Jährigen.