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"Bei der Schularbeit sitzen sie hinten und kichern"

Von Bettina Figl

Politik

Die Kandlgasse ist eine von sieben Mittelschulen an AHS-Standorten.


Wien. "Wenn zwei Lehrerinnen plaudern, dann stört das", sagt Kira, "und bei der Schularbeit sitzen sie hinten und kichern", wirft Julian ein. Die Schüler der 3a und 3c erzählen von ihrem Alltag in der Wiener Mittelschule (WMS) Kandlgasse im 7. Bezirk. Hier kommen oft zwei, oder in Integrationsklassen sogar drei, Lehrer auf 25 Schüler.

Die Schule ist eine von sieben Wiener AHS, die vor drei Jahren in eine Neue Mittelschule (NMS) umgewandelt wurden. Doch Direktor Georg Waschulin betont: Seine Schule sei eine WMS, und keine NMS - denn dies sei lediglich eine neue Bezeichnung für Hauptschulen. Die WMS hingegen würde die Vorteile von AHS und Pflichtschulen vereinen, es gibt eine Schulberaterin und außerdem eine Schulpsychologin.

Als die Kandlgasse zur WMS wurde, kamen 15 Lehrer zusätzlich an die Schule. Sie sollen vor allem Teamteaching ermöglichen: "Ein Lehrer unterrichtet an der Tafel, der andere geht durch und gibt den Fortgeschrittenen Zusatzaufgaben" berichtet Kira - aber nicht immer sind die Schüler mit ihren beiden Lehrern zufrieden: "Manchmal reden sie durcheinander" und "einmal wollte mich die eine Lehrerin nach Hauptschullehrplan unterrichten, und die andere nicht", sagt Julian. Den Unterricht müssen die Lehrer im Team vorbereiten, was arbeitsintensiver ist. In den Hauptfächern bringt es hingegen Erleichterung, da sie sich die Korrekturen aufteilen können. Hauptschullehrer zu finden, die es sich trauen, in dem "Akademikerverein" zu arbeiten, sei schwierig, berichtet der Direktor. Derzeit unterrichten nur zwei Hauptsschullehrer in der Kandlgasse. Und während Waschulin zugibt, die fachliche Ausbildung der AHS-Lehrer sei besser, sagt er: "Unsere beiden Hauptschullehrer sind toll."

Lob gibt es auch für die Schüler, ihre "besondere Leistungen" tragen sie in Mappen ein, die in den Klassenzimmern aufliegen: Egal ob sie gut Fußball spielen, Englisch sprechen oder knifflige Rechnungen lösen können - jede Leistung zählt. Manche Schüler besuchen Samstagskurse, um sich zu "Peer-Mediatoren" ausbilden zu lassen. "Das ist urcool und macht Spaß", sagt Nursen. Sie freut sich schon darauf, ab der vierten Klasse Ansprechpartnerin für die Probleme ihrer Mitschüler zu sein. "Wir lernen dort, dass man Regeln aufstellen muss und wie man miteinander reden soll. Und es gibt eigene Mediatoren nur für Mädchen und nur für Jungen", sagt die Schülerin mit den dunklen Zöpfen.

Vom Lerncoaching sind die Schüler weniger überzeugt: "Wir lernen, wie man lernen soll und sich die Zeit besser einteilt, aber das ist nicht so speziell", sagen sie. "Mir bringt das nichts", meint Julian. Dieses führen an der Pädagogischen Hochschule eigens dafür ausgebildete Lerncoaches durch, die nun auch in der Modularen Oberstufe zum Einsatz kommen sollen. Die Schüler finden es gut, nicht die Schule wechseln zu müssen, falls sie im Unterricht nicht mitkommen. Es wird zwar nach AHS-Lehrplan unterrichtet, aber schwache Schüler können auf den Hauptschul-Lehrplan umsteigen - derzeit sind das etwa zwei bis drei Schüler pro Klasse.

Seitdem der Schulversuch in der Kandlgasse läuft, gibt es mehr Schüler mit deutscher Muttersprache und zunehmend Kinder von "bildungsinteressierten Eltern", berichtet der Schulleiter.

Zwei Drittel der Lehrer stimmten in einer geheimen Abstimmung für den Schulversuch - damit ist die Kandlgasse die einzige AHS, bei der dieser nicht gegen den Willen der Lehrer durchgesetzt wurde. Doch der Direktor stieß auch auf Widerstand: Der "konservative Standesdünkel" der Gewerkschaft war dagegen, und auch Eltern hätten Stimmung dagegen gemacht, erzählt er - "aber jetzt sind sie zufrieden". Heute drängen doppelt so viele Schüler an die Schule, als diese aufnehmen kann.