Zum Hauptinhalt springen

Von Tortilla bis zur Latino-Bar

Von Barbara Essig

Politik

Lateinamerikanische Kost ist nicht so verbreitet wie Sushi, kommt aber gut an.


Wien.

In Mexiko ist das Fladenbrot Tortilla daheim. In den USA ist es mittlerweile auch verbreitet.
© © Viviane Moos/CORBIS

"Bei der Wirtschaftskammer sagte man uns: Das geht nicht, das steht in keiner Liste", erzählt Carmen Schiner. Doch dann hat es doch geklappt: Carmens Ehemann, der gebürtige Mexikaner Ruben Contreras Salazar, betreibt seit 2010 mit Mex&Co Österreichs erste und einzige Tortilleria. Produziert werden nicht nur Tortillas, Nachos und Tamales, seit 2011 verkaufen beide im Shop in der Webgasse auch importierte Produkte aus Lateinamerika. Neben Kunden aus ganz Europa zählen die meisten mexikanischen Restaurants in Wien zu den Abnehmern.

Salazar ist einer von 100 lateinamerikanischen Unternehmern in Wien. Die meisten stammen aus Brasilien, Kolumbien und Peru; mit einem Anteil von etwa 0,1 Prozent an den in Wien ansässigen Einzelunternehmen eine fast schon verschwindend kleine Gruppe. Dennoch ist Lateinamerika in Wien präsenter denn je: Lateinamerikanische Restaurants und Bars boomen.

Dass die Wiener Wirtschaft ohne ethnische Ökonomien, wie Unternehmen ausländischer Staatsbürger in der Wirtschaftswissenschaft genannt werden, wesentlich weniger dynamisch wäre, zeigen aktuelle Zahlen: Von den insgesamt 10.900 neu gegründeten Unternehmen im Jahr 2010 wurden 2900 von Ausländern angemeldet - rund 27 Prozent. Ihre Bedeutung hat auch die Wirtschaftskammer erkannt und ein eigenes Diversity Referat eingerichtet, das den Wirtschaftstreibenden den Wert von sonst oft marginalisierten Gruppen bewusst machen wolle, erklärt Pressesprecher Franziskus Schmising-Kerssenbrock. Für nicht-österreichische Staatsbürger halte das Referat regelmäßig Informationsveranstaltungen über das Service der Wirtschaftskammer ab.

In Österreich bietet zurzeit nur Mex&Co eigene Tortillas.

Niemals hätte er sich vorstellen können, wie schwierig es ist, in Österreich eine Tortilleria zu eröffnen, betont Rubén Contreras Salazar: "Allein auf die Genehmigung, um die Backmaschine für die Tortillas an das Gasnetz anschließen zu dürfen, haben wir fast ein Jahr gewartet." Er glaubt, dass es für Ausländer schwieriger ist, ein Unternehmen zu gründen, als für Inländer. Daher ist er froh, eine Österreicherin an seiner Seite zu haben: "Glücklicherweise bin ich mit einer Österreicherin verheiratet, sonst wäre es unmöglich gewesen."

Auch Lautaro Alava und Mario Cortés, die Betreiber der kolumbianischen Bar Fania am Yppenplatz, waren froh über Hilfe von Bekannten. "Wir hatten zwar schon etwas Vorwissen im Bereich der Gastronomie, trotzdem hat uns der Vermieter des Lokals anfangs viel geholfen. Er besitzt auch den benachbarten Club International und hat sehr viel Erfahrung", sagt Alava.

In der Wirtschaftskammer Wien ist die Gründungsberatung für die Unterstützung sowohl in- als auch ausländischer Unternehmer zuständig. "Eine eigene Abteilung für Migranten gibt es dort nicht, aber wir haben Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen. Auch Spanisch ist dabei", erklärt Schmising-Kerssenbrock. Um als Ausländer in Wien ein Unternehmen zu gründen muss man eine gültige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung vorweisen. Für gewisse Berufe ist es für Drittstaatsangehörige zudem nötig, Zusatzprüfungen abzulegen, weil ihre Qualifikationen nicht immer anerkannt werden.

Zusatzprüfungen mussten die Kolumbianer Alava und Cortés keine ablegen. Sie kamen allerdings auch nicht als Unternehmer, sondern als Studenten nach Österreich - "zu einem Zeitpunkt als dafür noch kein Visum nötig war. Heute wäre das sicher viel schwieriger", merkt Alava an. In Österreich wollen sie bleiben, sie fühlen sich wohl, ihr Lokal läuft gut: "Die Leute mögen uns, sie sind von der Musik im Fania begeistert. Die Musik ist überhaupt das Allerwichtigste an unserem Lokal."

Freilich haben auch die beiden ihre Probleme mit der österreichischen Bürokratie. Zwei Jahre warten sie jetzt schon auf eine Genehmigung zum Ausbau des Lokales, zwölf Mal haben sie die Pläne bereits neu eingereicht. Dennoch: "Wien gefällt mir super. Anders als in Kolumbien gibt es hier noch Respekt für das Leben - und eine funktionierende Demokratie", ist Lautaro Alava überzeugt.

Vom Baustellenarbeiterzum erfolgreichen Künstler

Der Peruaner Martin Ponce ist Inhaber von Planeta Papaya. In seinem grellorangen Geschäftslokal in der Strozzigasse verkauft der gelernte Grafiker T-Shirt-Eigenkreationen. Nach Wien ist er wegen seiner Freundin gekommen. Anfangs hätte er auf einer Baustelle gearbeitet. "Ich habe kaum Deutsch gesprochen und keine Kontakte in Österreich gehabt. Daher hatte ich keine andere Wahl, aber ich habe es gehasst", sagt er. Schritt für Schritt machte er sich selbständig. Zuerst mit einem kleinen Siebdruckatelier - die T-Shirts verkaufte er noch in verschiedenen Geschäften - und seit drei Jahren nun mit seinem eigenen Verkaufsraum. Heute macht er in Österreich das, was er auch in Peru gemacht hat, und wofür er eine Ausbildung hat: "Ich habe Kunst studiert. Ich bin Künstler." Planeta Papaya ist eine Erfolgsgeschichte. Das Geschäft läuft gut. Der Umzug in ein Lokal in der Neubaugasse steht bevor.

Viele seiner lateinamerikanischen Bekannten wollen sich ebenso selbständig machen, erzählt Ponce, um ihrer Ausbildung entsprechende Jobs zu finden. Eine Beobachtung, die nicht nur die Wiener Wirtschaftskammer bestätigt, sondern auch Rubén Contreras Salazar: Er selbst hat als Koch und Kellner angefangen, bevor er Mex&Co gründete. Heute leidet er darunter, dass seine lateinamerikanischen Angestellten den harten Job in der Tortilleria oft schnell aufgeben. "Entweder sie wechseln in ein mexikanisches Restaurant oder sie verbessern ihr Deutsch. Und steigen auf."