Zum Hauptinhalt springen

Regierung bastelt an 10-Milliarden-Paket

Von Wolfgang Zaunbauer und Brigitte Pechar

Politik

Experte rät zu massiver Pensionsreform.
| Faymann kündigt Sparpaket ohne Tabus an.
| Paket bis Ende Februar fix.


Wien. 2012 bringt zahlreiche Neuerungen, vor allem aber auch ein Sparpaket, das sich gewaschen haben wird. Konkrete Ergebnisse brachte das diesbezügliche Treffen von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger am Dienstag zwar wie erwartet keine. Allerdings haben die Spitzen von SPÖ und ÖVP die Eckpunkte des kommenden Sparpakets abgesteckt. Demnach sollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt zehn Milliarden Euro eingespart werden. Bis 2016 reicht nämlich der im kommenden Jahr fällige Finanzrahmen. Dadurch sollen die Zinsen für zehnjährige österreichische Staatsanleihen unter drei Prozent gehalten werden. Bis Ende Februar will sich die Koalition darauf einigen, wie die zwei Milliarden Euro jährlich aufgebracht werden sollen.

Bis dahin sollen in fünf Arbeitsgruppen (bisher war immer von sechs die Rede) unter Federführung des Finanzministeriums "alle möglichen und sinnhaften einnahmen- und ausgabenseitigen Vorschläge geprüft werden", so Faymann im Anschluss an das Treffen. Messlatte für die Vorschläge sei, so der Kanzler, ob sie die konjunkturelle Situation verbessern und "dieses Land ein Stück sozial gerechter machen". Dabei dürfe es "keine Tabus" geben. Die Verhandlungen sollen dabei möglichst ohne öffentliche Nebengeräusche ablaufen. "Das hätte den Vorteil, dass man sich nicht einander so lange etwas ausrichtet, bis alles stillsteht", so der Kanzler. "Entscheidend ist jetzt Bewegung."

Wo die beiden Koalitionspartner bei der Budgetsanierung jeweils ansetzen wollen, ist klar: Die SPÖ setzt mehrheitlich auf neue Steuern. So will Wiens Bürgermeister Michael Häupl die Konsolidierung zu zwei Drittel über neue Einnahmen bewerkstelligt haben. Konkret stehen dabei auf der SPÖ-Wunschliste eine neue Vermögenssteuer auf Privatvermögen über einer Million Euro, was 1,5 Milliarden Euro bringen soll, höhere Steuern auf Umwidmungsgewinne, eine höhere Grundsteuer und - nicht bei allen Roten willkommen - die Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuer. In der SPÖ fordert man zudem einen höheren Spitzensteuersatz für Einkommen über 300.000 Euro.

SPÖ und ÖVP zu Kompromissen bereit

Eine solche (befristete) Solidarabgabe können sich auch einige in der ÖVP (vor allem im ÖAAB) vorstellen. Überhaupt hat sich in der Volkspartei mittlerweile die Überzeugung breitgemacht, dass es nicht ohne ein Drehen an der Steuerschraube gehen wird - alleine schon wegen des Koalitionspartners. Lieber als eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Besserverdienende wäre den Schwarzen aber, wenn man bei den hohen Einkommen bei der steuerlichen Begünstigung des 13. und 14. Gehalts ansetzte.

Umgekehrt spricht nun die SPÖ (allen voran Finanzstaatssekretär Andreas Schieder) immer öfter vom Sparen. Und während die ÖVP hier bei den Förderungen und den ÖBB Milliarden einsparen will (wodurch etwa der Brennerbasistunnel wackelt), schlägt Schieder Verwaltungsreformen wie die Zusammenlegung von Botschaften und Außenhandelsstellen oder die Streichung kleinerer Bezirksgerichte vor.

Frühpensionierungengeht es an den Kragen

Auch im Bereich der Pensionen soll der Sparstift angesetzt werden. So soll nach dem Wunsch der ÖVP etwa die Angleichung des Pensionsantrittsalters für Frauen und Männer nicht erst 2024 beginnen (wodurch erst 2033 beide Geschlechter bis 65 arbeiten müssten), sondern schon früher - wogegen sich vor allem die ÖGB-Frauen wehren. Zudem will die ÖVP rund 1,5 Milliarden Euro durch die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters von derzeit 58 auf 62 Jahre einsparen. Dazu könnten etwa die Abschläge für Frühpensionen angehoben werden. Vom Tisch sein dürfte der Vorschlag, Arbeitnehmer mittels finanziellen Anreizen von der Frühpension abzuhalten.

SPÖ-Staatssekretär Schieder will auch bei den Beamten die Frühpensionierungen zurückdrängen. Zwar beträgt das Durchschnittsalter bei Pensionsantritt im öffentlichen Dienst 60,6 Jahre (wobei für Frauen wie Männer ein Pensionsalter von 65 gilt), im Vorjahr gingen dort allerdings 55 Prozent vorzeitig in den Ruhestand. Schieder fordert auch eine "zurückhaltende Lohnrunde" im öffentlichen Dienst. 2012 steigen die Beamtengehälter im Schnitt um 2,95 Prozent.

Bei der Beamtengewerkschaft will man sich zu den Sparplänen im Bereich des öffentlichen Dienstes noch nicht äußern. Derzeit sei noch alles in Schwebe und "ich bin nicht ausgebildet im Kaffeesudlesen", sagt GÖD-Chef Fritz Neugebauer zur "Wiener Zeitung". "Wir nehmen dann Stellung, wenn der Arbeitgeber konkrete Pläne auf den Tisch gelegt hat." Allerdings lässt er anklingen, dass er nicht viel Sparpotenzial bei den Beamten sieht, denn "Sparen ist bei uns ein permanenter Prozess. Bei uns wird immer gespart - schon seit zehn, fünfzehn Jahren."

Schuh: "Es muss jedes Jahr ein Sparpaket folgen"

Den Gedanken, dass es mit einem Sparpaket getan ist, sollte sich die Regierung gleich einmal abschminken. Denn bis 2017 soll mit dem geschätzten Konsolidierungsvolumen ja nur einmal ein ausgeglichenes Budget erreicht werden. Aber ab 2017, gibt Ökonom Ulrich Schuh von EcoAustria im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu bedenken, wirkt die Schuldenbremse und damit beginne ein permanentes Sparen. "Ich bin mir nicht sicher, ob der Bevölkerung und den Politikern bewusst ist, dass dann jedes Jahr ein Sparpaket folgen muss."

Möglich, dass die Politik auch nur das Triple-A-Rating im Hinterkopf hat und eine Schuldenbremse beschließt nach dem Motto: "Wenn wir jetzt so tun, als wären wir brav, können wir dann wieder auf den Putz hauen." Aber "da wird die Strafe auf den Fuß folgen", ist Schuh sicher. Denn Österreich sei ja nicht isoliert zu betrachten. Zwar spürt die Bevölkerung von der Krise sehr wenig: "Aber man sieht, wie nahe das Unheil schon an uns herangerückt ist", warnt Schuh und verweist auf Ungarn oder Griechenland, wo etwa die öffentlichen Gehälter um bis zu 25 Prozent gekürzt werden. "Daher ist Vorsicht angebracht." Und auch wenn das Fass überlaufe und es zu einem Crash komme, "ist es noch immer besser, ökonomisch gut da zu stehen, als mit einem Totalschaden in die Krise hineinzufahren".

Reformen bei dynamischen Ausgabenbereichen

Sicher ist jedenfalls, dass das Defizit um drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts abgesenkt werden muss, um einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Davon, so Schuh, sei Österreich aber weiter entfernt als es den Anschein habe. Denn die gute Konjunkturlage habe vieles übertüncht. Im kommenden Jahr, wenn das BIP-Wachstum nur noch 0,8 Prozent betragen wird, wie die Wirtschaftsforscher prognostizieren, werde der Konsolidierungsbedarf "schonungslos offengelegt werden", sagt Schuh. "Es muss ins Bewusstsein rücken, dass es mit einer einmaligen Aktion nicht getan ist."

Ansetzen sollte die Regierung bei Ausgabenbereichen, die sich sehr dynamisch entwickeln: bei den Pensionen, im Gesundheitssystem, bei der Pflege - und insgesamt bei den Transferleistungen im Finanzausgleich.

Die unangenehmen Maßnahmen, die bisher verschoben worden seien, müssten nun auf den Tisch. "Wenn man die Pensionsreform durchzieht, wären wir schon auf dem richtigen Pfad", rät Schuh. Dazu bedürfe es gar keiner Grausamkeiten, es sollten nur Anpassungen durchgeführt werden, die das Pensionsalter in den nächsten fünf Jahren von 58 auf 62 Jahre anheben. Alleine die Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters um ein Jahr bringe 1,4 Milliarden für den Staatshaushalt. Aber nur dann, wenn nicht mit Bonuszahlungen agiert werde. Das derzeitige Pensionssystem, so der Experte, sei so gestaltet, dass man wenig verliert, wenn man früher in Pension geht, und auch nur wenig bis gar nichts gewinnt, wenn man ein Jahr länger arbeitet, als man müsste.

"Bei den Pensionen sind enorme Summen kurzfristig zu holen, wenn man das ernst nimmt", sagt Schuh und er verweist auch darauf, dass der Arbeitsmarkt solche Reformen durchaus zulässt. "Daher gibt es keinen Grund, sich zurückzuhalten." Hingegen komme es zu einem Wohlstandsverlust, wenn ältere Arbeitnehmer in Pension gedrängt würden.

Paradigmenwechsel bei Invaliditätspension nötig

Ansetzen müsste man, so der Wirtschaftsforscher, bei einem Paradigmenwechsel in der Invaliditätspension. Derzeit werde das Produkt "Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt" verkauft. Der Königsweg, das zu ändern, sei, Hilfeleistung anzubieten, um die Menschen im Arbeitsmarkt zu halten. Dazu müsste ein umgekehrter Weg gegangen werden als bisher: Es wird nicht die Invaliditätspension gewährt und dann überprüft, ob sie gerechtfertigt ist. Sondern: Die Menschen bleiben im Arbeitsmarkt und erhalten Rehabilitation. Eine Flucht in die Pension ist nicht möglich. Erfahrungen aus Dänemark, Schweden, Finnland oder den Niederlanden hätten gezeigt, dass dadurch auch ein neues Denken entstehe: Man müsse etwas leisten, um von der Gesellschaft etwas zu bekommen.