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Aufklärung, aber nicht zu direkt

Von Linda Say

Politik
Islamische Anweisungen zu Ehe und Sexualität stoßen auf großes Interesse.

Ein Buch über Ehe und Sexualität im Islam ist jetzt auf Deutsch erhältlich.


Wien. Zurzeit findet in Wien zum zweiten Mal eine von der Islamischen Föderation organisierte Buchmesse statt. Wie bereits im letzten Jahr reicht das Angebot auch diesmal von Kinderbüchern über Gebetsbücher für Erwachsene bis hin zu Gastreden und Konferenzen. So ist es kaum verwunderlich, dass sie vor allem von Familien stundenlang besucht wird. Der zusätzlich eingerichtete Gebetsraum tut hierfür sein Übriges.

In der Bank Austria Halle im Wiener Gasometer, wo die Buchmesse diesmal stattfindet, kriegen die Besucher am Empfang zunächst Stapel von Flyer in die Hand gedrückt. Diverse Vereine nutzen hiermit die Chance, ihre Zielgruppe direkt anzusprechen. Von islamischen Bildungs- und Beratungszentren über Bestattungsfonds bis hin zu islamischen Kindertageskrippen und Sportmöglichkeiten nach Geschlechtertrennung ist alles dabei.

Stargast ist wieder Ahmet Turgut, Drehbuchautor der beliebten und zugleich wegen Antisemitismus umstrittenen Fernsehserie "Tal der Wölfe", der auch dieses Jahr sein neu erschienenes Buch vorstellt und der vor allem von den männlichen Besuchern fieberhaft erwartet wird.

Hat man sich erst zu der Buchmesse durchgerungen, kann man sich Bücher verschiedener Verlage, die eigens aus der Türkei angereist sind, zu Gemüte führen. Ob sich das Geschäft für die Verlage rentiert, lässt sich nur erahnen. "Wir sind nicht wegen des Gewinns hier, sondern tun unsere Pflicht. Leider sind unsere Leute hier nicht die größten Leseratten", beklagt sich etwa Necati Uysal vom Uysal Verlag. Dass er von Menschentrauben umringt ist, ist vor allem dem Werk "Ehe und Sexualität im Islam" zu verdanken, an dem seine Mutter Mürside Uysal mitgeschrieben hat, die vor Ort Autogramme verteilt.

"Das Buch ist sehr beliebt, doch viele kennen es nur auf Türkisch. Seit kurzem ist die deutsche Übersetzung auf dem Markt", erzählt die Co-Autorin mit Kopftuch, die das Werk gemeinsam mit ihrem Mann Asim Uysal verfasst hat. Sie ist gemeinsam mit ihrem Sohn aus Istanbul angereist, um die Übersetzung im deutschsprachigen Raum zu verbreiten. Dies erweise sich in Österreich als schwieriges Unterfangen: "Die österreichischen Verlage zu überzeugen ist nicht einfach. Sie akzeptieren meist Bücher von Autoren, die zu diesem Thema eine Auffassung haben, die zu ihrer eigenen Sichtweise passt. Unser Buch bezieht sich aber auf religiöse Quellen", erklärt Necati Uysal. Seine Mutter ergänzt: "Übrigens kommen in dem Buch auch Psychologen und Fachärzte zu Wort, die Fragen aller Art beantworten."

Was das Feedback zu dem Buch betrifft, kann sich Mürside Uysal nicht beklagen: "Männer und Frauen bedanken sich bei uns. Endlich gäbe es klare Antworten auf ihre Fragen. Viele hatten zuvor keine Ahnung über Sexualität, selbst wenn sie verheiratet waren. Aufklärung findet in den seltensten Fällen statt." Doch das Autorenpaar erntet nicht nur Lob: "Ab und zu müssen wir auch negative Kritik einstecken, da manche meinen, wir schreiben zu direkt. Wir hätten mehr umschreiben sollen. Es waren auch Bebilderungen geplant, auf die wir dann verzichten mussten. In ein paar Jahren sehen die Menschen das vielleicht lockerer, dann gibt es auch Bilder dazu."

Zu direkt sind Kritikern womöglich die Erfahrungsberichte über die Hochzeitsnacht, in der Frauen ihr "erstes Mal" erleben. Ohne Umschweife werden intime Fragen zum Geschlechtsakt beantwortet. Immer wieder nimmt das Buch auf Worte und Taten des Propheten Mohammed Bezug. So erfährt ein Leser, dass Geschlechtsverkehr eines verheirateten Paares vor allem freitags empfohlen wird.

Zudem versucht das Werk, den Lesern unter Heranziehung von Psychologen und Ärzten "Sünden" wie Masturbation abzugewöhnen. Unverheirateten männlichen Jugendlichen wird etwa geraten, möglichst oft zu fasten und keine sexuell erregenden Sachen anzuschauen. Bei verheirateten Männern verhärtet sich der Ton: "Personen, die vor der Heirat Selbstbefriedigung betrieben haben, müssten eigentlich begreifen, dass es eine unglaubliche Torheit ist, wenn man auf dem Misthaufen statt im eigenen Rosengarten Luft einatmen geht."

Regeln für das Paradies

Neben dem 943 Seiten langen Buch wird ein anderes Werk von Asim und Mürside Uysal angeboten. "Islamisches Grundwissen für Frauen" richtet sich aber primär an Männer, denn "jeder Mann", heißt es, "ist islamrechtlich verpflichtet, sich Wissen über die Frau und frauenbezogene religiöse Bestimmungen anzueignen". Doch auch Frauen sollten sich damit befassen, denn "wenn eine Frau stirbt und ihr Mann zufrieden mit ihr war, ist auch Allah zufrieden. Sie hat es verdient, ins Paradies einzugehen." In 686 Seiten erfährt man hier alles über Heiratsregeln, Brautgaben, Unterhalt, Frauen, die in die Hölle kommen, Scheidung und vieles mehr.

So sollen vor allem jene Frauen in die Hölle kommen, die "dem Mann ständig in den Ohren liegen", "die Keuschheit nicht wahren" und "sich vor fremden Männern nicht in Acht nehmen". Außerdem wird darauf verwiesen, dass die Mehrheit der Höllenbewohner ohnehin Frauen sind.

Die Werke richten sich vor allem an Anhänger des sunnitischen Glaubens, die anders als Aleviten nicht nur den Koran, sondern auch zahlreiche Hadithe, also Überlieferungen des Propheten, als Grundlage ansehen.

Die Islamische Föderation ist Teil der europaweit aktiven Milli-Görüs-Bewegung, deren Hauptsitz in Kerpen ist. Fuat Sanac, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, stammt ebenfalls aus ihren Reihen. Viele geladene Gäste sind Milli-Görüs-Sympathisanten.