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Zweidrittelmehrheit für Leitl unnötig

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Schweizer Politiker empfiehlt rein ausgabenseitige Sanierung.


Wien. Ohne Ergebnis endete am Donnerstag ein Treffen von Bundeskanzler Werner Faymann mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig in Sachen Schuldenbremse. Für eine entsprechende Verankerung in der Verfassung braucht die Koalition die Zustimmung von mindestens einer Oppositionspartei. Die Grünen knüpfen ihr Ja allerdings an die Einführung von Vermögenssteuern, was für die SPÖ kein Problem wäre, wogegen sich allerdings die ÖVP sträubt. Sollten sich Rot und Schwarz hier einigen, würde einer Zustimmung der Grünen nichts im Wege stehen. Dazu soll es auch ein Treffen von Glawischnig mit Vizekanzler Michael Spindelegger geben.

Allerdings hat nun der Druck, eine Oppositionspartei überzeugen zu müssen, massiv abgenommen, denn im jüngsten Entwurf zum europäischen Fiskalpakt ist von einer verpflichtenden Verankerung in der Verfassung keine Rede mehr. Stattdessen heißt es da, dass die Schuldenbremse "von bindender Kraft und permanentem Charakter" sein soll. "Auf EU-Ebene ist das gegessen", sagt der Sprecher von ÖVP-Chef Spindelegger zur "Wiener Zeitung", "das nimmt den Druck etwas, weil wir nicht mehr von der Opposition abhängig sind. Trotzdem wollen wir die Schuldenbremse in die Verfassung schreiben", denn dann seien auch künftige Regierungen daran gebunden. Auf die Verhandlungen zum Sparpaket hätte diese neue Entwicklung keine Einfluss, so der Sprecher. Aus Sicht von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) ist allerdings eine verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat nicht nötig. Viel wichtiger wäre ihm, dass unverzüglich mit entsprechenden Sparmaßnahmen begonnen wird. "Letzten Endes kannst du die Finanzmärkte nicht damit überzeugen, ob es in der Verfassung steht oder nicht, sondern nur, wenn du die Dinge tatsächlich in Angriff nimmst", so der WKO-Präsident am Donnerstag vor Journalisten.

"Von den Besten lernen" - den Schweizern

Neben dem Bund hätten auch Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen ihren Beitrag zu leisten und die bisher "verschlampten" strukturellen Reformen rasch durchzuführen, denn "wir haben keine Zeit zu verlieren".

Dabei will Leitl "von den Besten lernen, um selbst Bester zu werden". Und die Besten in Sachen Schuldenbremse sind für den Kammerpräsidenten die Schweizer, wo dieses Instrument 2003 in der Verfassung verankert wurde. Dazu hatten sich die Eidgenossen entschieden, nachdem die Staatsschulden in den 90er Jahren infolge einer notwendig gewordenen Sanierung des Pensionssystems massiv in die Höhe geschnellt waren. Während die meisten anderen Ländern von einer Schuldenquote von 28 Prozent des BIP nur träumen können, schrillten bei unseren westlichen Nachbarn die Alarmglocken, wie der Schweizer Nationalratsabgeordnete Hans Kaufmann bei einem Besuch in der WKO erklärte.

Kaufmann, Mitglied der rechtskonservativen SVP und maßgeblicher Mitgestalter der schweizerischen Schuldenbremse, betonte, dass die Sanierung in der Schweiz "zu 100 Prozent" ausgabenseitig erfolgt sei, etwa mit Einschnitten beim Militär oder der Landwirtschaft (Kürzungen im Sozialbereich waren nicht möglich, weil diese Leistungen gesetzlich verankert sind). Dabei sei nicht einmal wirklich gekürzt worden, so Kaufmann, oftmals hätte einfach gereicht, das Ausgabenwachstum zu kürzen. Eine Sanierung, die zu mehr als einem Drittel einnahmenseitig (also mit neuen Steuern) angegangen werde, funktioniere hingegen nicht, so Kaufmann. Defizite im eidgenössischen Budget müssen über einen Zeitraum von sechs Jahren amortisiert werden.

Die Zahlen sprechen für das Schweizer Modell

Die Zahlen sprechen durchaus für das Schweizer Modell: Nach einer zweijährigen Anlaufzeit machte die Schweiz seit 2006 durchgehend Überschüsse - und das "trotz Banken- und Finanzkrise", wie Kaufmann betont. Der Schuldenstand sank dadurch bis 2010 auf 20 Prozent. Dabei blieb die eidgenössische Budgetpolitik trotzdem flexibel genug, um etwa die Großbank UBS 2008 mit einem Milliardenkredit zu retten (womit der Bund im Übrigen letztlich selbst 1,2 Milliarden Franken Gewinn gemacht hat).

Allerdings warnte Kaufmann davor, "dass nach ein paar guten Jahren der Schlendrian zurückkehrt", denn "eher passt ein Hund auf einen Haufen Würste auf, als ein Politiker aufs Geld". Dies sei auch in der Schweiz zum Teil der Fall gewesen, weshalb es etwa bei der Straffung der Verwaltung "zu wenig Fortschritte" gegeben habe.

In Sachen Verwaltungsreform forderte am Donnerstag im ORF-Radio auch der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler Strukturreformen. Den Plan der Koalition, Beamte einzusparen, begrüßte Fiedler ausdrücklich.

Würden zusätzlich zu den im Personalplan bis 2014 vorgesehenen rund 1800 Stellenstreichungen jedes Jahr 1000 Beamte eingespart, brächte dies in den nächsten drei Jahren rund 280 Millionen Euro. Dies ist laut Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek möglich, wenn keine Pensionierung nachbesetzt wird. Allerdings müsste man sich das genau, Ressort für Ressort, ansehen, da es sonst zu Engpässen kommen könnte, so die Ministerin. Von einem Aufnahmestopp ausgenommen sein sollen Lehrer, Polizisten und die Justiz. Seit 1997 wurde die Zahl der Bundes-Bediensteten von 170.000 auf 133.000 (2010) gesenkt.

Empört reagierte die Finanzgewerkschaft in der GÖD auf den geplanten Aufnahmestopp. Trotz steigender Komplexität der Aufgaben habe bereits ein "drastischer Personalabbau" begonnen, was eine hohe Arbeitsbelastung zur Folge habe. Die Gewerkschaft warnte zudem vor einer Überalterung in der Finanzverwaltung.

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