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Ein Drachentor im Drachenjahr?

Von Jérôme Segal

Politik

Für die Chinesen in Wien gibt es wenige Gründe, das Neujahr zu feiern.


Wien.Seit Montag ist es so weit, ein Jahr wurde schon wieder abgehakt. Was? Neujahr, Ende Jänner? Ja, wir sind in das Jahr des Wasserdrachen eingetreten. In New York, San Francisco, Paris und London sind große, bunte Feste für das kommende Wochenende angekündigt, in New York etwa wird die "Chinese Lunar New Year Parade" stattfinden. Chinesen, Vietnamesen und Koreaner feiern jedes Jahr in diesen Städten ihr wichtigstes Fest.

In Berlin ist es der vietnamesischen Gemeinde und ihren langjährigen Kontakten mit der ehemaligen DDR zu verdanken, dass es ein Fest gibt, das "Tet-Fest" (Name des Neujahrfests auf Vietnamesisch), heuer bereits zum 17. Mal in Berlin-Treptow. In Wien herrscht aber Stille, zumindest im öffentlichen Raum.

Xiao Cheng, 43 Jahre alt und Geschäftsführer des asiatischen Restaurants Lucky Chen in Wien-Meidling, bedauert, dass dieses Fest hierzulande so "wenig populär" ist. Er plant deshalb nichts in seinem Lokal und fliegt stattdessen wie viele seiner Landsleute zusammen mit seiner Frau und seinen fünf Kindern nach China, um dort richtig feiern zu können. Alle sechs sind übrigens Österreicher geworden, während er chinesischer Staatsbürger ist.

Verglichen mit anderen Metropolen ist die chinesische Diaspora in Österreich nicht so bedeutend: Während zirka 500.000 Chinesen in der Pariser Umgebung wohnen, gibt es schätzungsweise in ganz Österreich nur 30.000 Personen mit chinesischen Wurzeln, ein Drittel davon sind als chinesische Staatsbürger bei der Botschaft gemeldet. Sie sind mehrheitlich wie Xiao Cheng im Gastgewerbe tätig.

Wer am Rand des Wiener Naschmarkts herumwandert, vor allem in der Nähe der U-Bahnstation Kettenbrückengasse, wird wohl merken, dass es dort eine authentische chinesische Community gibt, natürlich mit Restaurants, aber auch einem "Book Shop" und kleinen Supermärkten, wo die Waren nur auf Chinesisch beschrieben sind. Viele Chinesen dort stammen ursprünglich aus der Region Mitte-Süd, Zhejiang, etwa 70 Prozent.

Im Jahr 2008 war schon die Rede davon, ein Drachentor errichten zu lassen, wie es am Eingang aller Chinatowns der Welt geschehen ist. Obwohl es mit Spenden finanziert werden sollte, hatte die Bezirksvorstehung ein klares "Nein" erteilt.

Das Thema "Drachentor" ist seit 2008 nicht mehr auf die Tagesordnung gekommen, aber Geschäfte vermehren sich und es ist ein zweites Zentrum im 15. Wiener Gemeindebezirk in der Sechshauser Straße entstanden. Die chinesische Bevölkerung wächst auch ständig: Die Anzahl chinesischer Staatsbürger in Österreich hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Viele Chinesen sind Anfang der 80er Jahren gekommen, mit der Öffnungs- und Modernisierungspolitik von Deng Xiaoping, und haben in der Zwischenzeit Kinder bekommen, die sich meist gut integriert haben.

Während der Wirt Xiao Cheng als gut integriert gelten kann - er spricht perfekt Deutsch und kennt sich mit den Gesetzen aus -, gibt es andere Chinesen, die mehr Schwierigkeiten haben. Yu Yun Chang, 42 Jahre alt, zum Beispiel, arbeitete bis vor kurzem im exotischen Supermarkt Matha in Meidling. Dieser Laden wurde vor zwölf Jahren eröffnet und wird ausschließlich von Indern betrieben. Yu Yun Chang spricht noch nicht so gut Deutsch. Sie kommt eigentlich aus Kalkutta, wo sie geboren ist. Sie gehört der Volksgruppe der Hakka an, deren Diaspora 80 Millionen Leute zählt und die Homogamie pflegt (Leute heiraten innerhalb der Gruppe). Mit 23 ist sie nach Österreich gekommen, um ihren Mann zu heiraten.

Sowohl die dreizehnjährige Tochter von Yu Yun Chang als auch die fünf Kinder von Xiao Cheng sprechen zwar Mandarin, aber besser Deutsch. Alle feiern das Neujahrfest in der Familie, wenn sie in Wien bleiben, sonst beim riesigen Event, wenn sie in China sind. Sie feiern auch Weihnachten - "keine Wahl, es ist alles zu" sagt Xiao Cheng - ebenfalls Silvester, weil es international gefeiert wird.

Drei Schulen in Wien

Die Kinder wachsen in beiden Kulturen auf. Drei Schulen stehen in Wien zum Erlernen von Mandarin zur Verfügung, darunter die "Chinesische Schule Wien" und das "Bildungszentrum für chinesische Sprache", die insgesamt knapp 1000 Schüler aufnehmen können. In letzterer Schule wird am 28. Jänner ein Neujahrfest veranstaltet.

Im buddhistischen Fo Guang Shan Tempel in der Sechshauser Straße wurden schon Veranstaltungen zum Neujahr organisiert, die von jedermann besucht werden konnten. Am letzten Sonntag gab es zum Beispiel ein vegetarisches Essen vor einer chinesischen "Silvester"-Zeremonie und am kommenden Sonntag gibt es um 15.30 Uhr eine "Zeremonie der Niederwerfungen vor den Tausend Buddhas".

Einige Feste finden also schon in Wien statt, aber nichts davon ist vergleichbar mit dem, was es in einem Chinatown geben könnte.
Es ist jetzt noch zu früh, um zu
sagen, ob ein Drachentor das asiatische Leben in Wien wirklich aufpeppen könnte, aber wer weiß, was in einem Drachenjahr passieren kann. . .