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Muslim sucht Muslima im Netz

Von Yordanka Weiss

Politik
Die Suche nach geeigneten Ehepartnern fällt Muslimen in Europa zuweilen schwer.
© © www.BilderBox.com

Hat man sich virtuell kennengelernt, kommt die "Roadmap zur Heirat".


Wien. Familiennetzwerke haben jahrhundertlang eine entscheidende Rolle bei Vermählungen gespielt. Als Alternative etabliert sich nun die virtuelle Möglichkeit, den Lebenspartner zu finden. "In traditionell islamischen Gesellschaften, wie der Türkei, fällt die Suche leichter. In Europa, wo Muslime eine Minderheit darstellen, ist es deutlich schwieriger einen Partner aus ihrem Kulturkreis zu ehelichen", erzählt Cüneyt Tirgil von Muslimlife. "Darüber hinaus engen Wünsche wie gleiche Nationalität, bestimmtes Bildungsniveau oder erwünschtes Berufsfeld den Kreis ein."

Muslimlife wurde Ende 2007 gegründet. Die Onlineplattform positionierte sich im europäischen Markt der islamischen Partnervermittlungen und ist führend in Deutschland. Angeboten werden Heiratsanzeigen auf Deutsch, Englisch und Türkisch. Mehr als 110.000 Singles haben sich bereits registriert.

Anders als virtuelle Partnerbörsen wie Parship oder ElitePartner setzen islamische Partnerbörsen einen bestimmten Verhaltenskodex voraus. Gemeint sind die sozialen Praktiken, die vom Propheten Muhammad vorgegeben sind, darunter auch die Heirat. "Die Trennung von Mann und Frau ist streng. Man spricht sich nicht so einfach an und experimentiert nicht lang herum. Außereheliche sexuelle Beziehungen sind verboten", betont Tirgil. Ziel islamischer Partnervermittlungen sei deshalb nur die Heirat.

Online geben die Heiratsanwärter viele persönliche Informationen preis: Aussehen (Größe, Augenfarbe, Figur, Gewicht), Lebensweise (Ernährung, Bildung, Fremdsprachen), Religion (Praxis, Barttragen, Koranlesen, Pilgerfahrt), Interessen und Gewohnheiten. Auch viele österreichische Singles sind bei der Plattform registriert, darunter etwa eine Dame, die konvertiert ist, eine Tochter hat und einen "Seelenverwandten" sucht. Idealerweise soll der gewünschte Partner ein konvertierter Muslim sein.

Eine 23-jährige Kopftuchträgerin aus Marokko lächelt aus einem anderen Foto. Sie gibt an, Betriebswirtschaft in Klagenfurt zu studieren, beschreibt sich als ehrgeizig und sucht einen Mann zwischen 25 und 35 Jahren - "egal ob Student oder Beamter". Er soll sie respektieren und eine Familie mit Kindern gründen wollen. Ein junger Mann, der seine "zweite Hälfte" sucht, beschreibt sich als praktizierenden Muslim, offen, unkompliziert und tolerant.

"Die räumliche Distanz beim Internet lässt Hemmungen verschwinden und die Selbstkontrolle lässt nach", erzählt Tirgil. Deshalb hat Muslimlife - wie andere ähnliche Anbieter - einige Tipps, um den Singles böse Überraschungen zu ersparen. Zu lesen ist etwa: "Egal was man tut, Allah sieht alles. Deshalb verhalte Dich im Leben nach den Geboten Allahs. Nur eine hauchdünne Linie trennt im Internet das Erlaubte (Halal) vom Verwehrtem (Haram)." Empfohlen wird Selbstkontrolle im und außerhalb des Netzes, das islamische Istikhara-Gebet soll beim Treffen wichtiger Entscheidungen verhelfen.

Wichtig sei, dass Heiratswillige auf Alarmzeichen wie widersprüchliche Informationen über Alter, Interessen und Äußeres achten. Man solle nicht vergessen, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt. Die einfache Faustregel lautet: "Schreibe nie etwas, was Du dem Adressaten nicht auch vor anderen Menschen ins Gesicht sagen würdest." Bei textbasierter Kommunikation ist die Gefahr von Missverständnissen besonders hoch, deshalb gilt online: "Lesen, denken, dann noch mal lesen und denken - erst dann - abschicken." Und bei Humor und Sarkasmus empfiehlt man unbedingt eine Kennzeichnung durch ein Smiley-Symbol.

Belästigungen geahndet

"Wir raten auch unseren Mitgliedern aus Selbstschutz, anfangs die Kommunikation innerhalb der Plattform zu führen und nicht auf externe Kommunikationsmittel wie Handy auszuweichen", berichtet Tirgil. Einen unerwünschten Kotakt könne man so unkompliziert beenden. Beschwerden über Belästigungen werden verfolgt und durch Ausschluss aus der Partnerbörse geahndet. Bilder und Texte werden kontrolliert, wenn nötig revidiert.

"Sind bereits private Kontaktdaten ausgetauscht, können wir nichts unternehmen. Die Kommunikation wird außerhalb unseres Wirkungsbereiches geführt", sagt Tirgil. Wenn man sich online näher kennengelernt hat und alles stimmt, wird eine "Roadmap zur Heirat" erstellt. Empfohlen wird folgende Herangehensweise: Der erste Kontakt sollte außerhalb der Plattform telefonisch stattfinden. Danach - mit Wissen der Familien - könnte ein Treffen an einem öffentlichen Ort in Anwesenheit einer Begleitperson organisiert werden. Der weitere Schritt schaltet die Familien ein, um die Heirat zu besprechen.

"17 Prozent der Singles geben an, einen Partner gefunden zu haben", unterstreicht Tirgil den Erfolg seiner Online-Partnerbörse. Oft bekomme er Einladungen für Hochzeiten. "Meine Frau und ich haben uns im Oktober letzten Jahres online kennengelernt. Schon nach dem zweiten Treffen wussten wir, dass wir füreinander bestimmt sind. Im Dezember haben wir uns verlobt und sind nun verheiratet", teilen Salma und Mustafa mit. Das Paar betont, wie schwer es sei, einen geeigneten muslimischen Partner zu finden: "Schön fanden wir beide, dass wir uns nicht mehr über das Ob der Heirat sondern nun noch über das Wie unterhalten mussten."

"Auch Menschen in meiner Umgebung haben sich online kennengelernt und geheiratet, ohne zu wissen, dass ich für die Plattform arbeite", erzählt Tirgil. Die Hälfte der Kunden komme aus der Türkei, 40 Prozent aus dem deutschsprachigen Raum, der Rest aus der ganzen Welt. Männer seien kontaktfreudiger als Frauen. Auch Muslime mit gesundheitlichen Problemen oder Geschiedene suchen Partner im Netz: "Eine Frau wurde im Krankenhaus mit dem HI-Virus infiziert und hat eine Anzeige bei uns gemacht. Sie hat dies offen mitgeteilt und einen HIV-positiven Muslim gesucht."

Website Muslimlife