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"Eine Gesundheitsreform ist Ende 2012 unter Dach und Fach"

Von Brigitte Pechar

Politik

Gesundheitsökonom Czypionka fordert ein zukunftsfähiges Modell.


Wien. 1,4 Milliarden Euro müssen im Gesundheitsbereich von 2012 bis 2016 eingespart werden. So steht es im Sparpaket. Die Gesundheitsökonomen Ernest G. Pichlbauer und Thomas Czypionka halten das für durchaus machbar. Allerdings mit dem Vorbehalt: Es kommt darauf an, wie die Modelle der Kostendämpfung aussehen. Und Czypionka findet es gut, dass im Sparpaket keine Details zur Gesundheitsreform festgeschrieben wurden, "weil es hier um strukturelle Reformen geht". Mehr Zeit sei daher sinnvoll.

Die Berechnungen der Regierung für das Sparpaket gehen davon aus, dass das Absenken der Ausgabensteigerungen bei den Spitälern die 1,4 Milliarden einbringt. Die Ausgaben der Krankenhäuser steigen derzeit mit etwa 5 Prozent im Jahr. Das Sparpaket sieht eine Senkung der Ausgabensteigerung auf etwa 3,5 Prozent und damit eine Angleichung an das BIP-Wachstum vor.

Sowohl Pichlbauer als auch Czypionka warnen davor, dass nur Effizienzgewinne lukriert und keine Strukturreformen angegangen werden. Man könne natürlich Prozesse optimieren, Preise - etwa der Medikamente und anderer Behelfe - weiter herunterverhandeln und Verbände gründen. "Die eine Gefahr ist, dass die Kosten nur verschoben werden. Die zweite Gefahr ist, dass die Qualität leidet und falsch gespart wird", befürchtet Czypionka, der am Institut für höhere Studien für Health Econ verantwortlich ist.

Auch Pichlbauer warnt davor, dass weder die Demographie - also die immer älter werdende Bevölkerung - noch der medizinisch-technische Fortschritt berücksichtigt werden. Denn eine Kostensteigerung von 3,5 Prozent würde zu einem Gutteil von den steigenden Personalkosten aufgefressen. Das bedeute daher Einsparungen beim Personal und keine Rücksicht auf medizinische Entwicklung und den zunehmenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung.

Bundeskanzler Werner Faymann hat den Ländern eine Vorgabe mit auf den Weg gegeben: Zuerst müsse die Gesundheitsreform feststehen, erst dann könne der Finanzausgleich vereinbart werden. Der Finanzausgleich, der den Geldtransfer vom Bund zu den Ländern regelt, hat ursprünglich bis 2013 gegolten, wurde aber bereits um ein Jahr verlängert und läuft Ende 2014 aus. "Das bietet ausreichend Zeit, um eine ordentliche Gesundheitsreform auf die Beine zu stellen", sagt Czypionka. "Ich gehe davon aus, dass die Reform Ende 2012 unter Dach und Fach ist."

Finanzierung

aus einem Topf

Die Gesundheitsökonomen halten eine Finanzierung von niedergelassenen Ärzten und Spitälern aus einem Topf für den wichtigsten Schritt einer Reform. Derzeit werden die Kosten hin und her geschoben. Die Sozialversicherung finanziert den Bereich der niedergelassenen Ärzte und gibt 43 Prozent ihrer Einnahmen an die Spitäler ab. Der Kostenabgang der Spitäler wird von den Ländern ausgeglichen. Einen genauen Überblick über die Spitalsschulden gibt es nicht. Das Finanzamt hat zuletzt den Schuldenstand der öffentlichen Spitäler mit knapp über drei Milliarden Euro angesetzt. "Es könnte aber auch das Doppelte oder das Dreifache sein", sagt Czypionka.

Aus der Steuerungsgruppe zur Gesundheitsreform, in der Bund, Länder und Sozialversicherung vertreten sind, wurde zuletzt vermeldet, dass die Finanzierung des intra- und extramuralen Bereiches über neun Landestöpfe erfolgen soll. Aber das scheint noch keine ausgemachte Sache zu sein.

Neun Landestöpfebergen viele Probleme

Czypionka sieht darüber hinaus in diesem Modell der neun Landestöpfe "sehr viele Probleme". Ein Beispiel: Die Wiener Gebietskrankenkasse ist nicht deckungsgleich mit den Wienern. Denn Arbeitnehmer sind dort versichert, wo ihr Arbeitsplatz ist. Arbeitet ein Wiener also außerhalb, ist er nicht bei der WGKK, sondern möglicherweise bei der NÖGKK versichert. Andere wiederum sind bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft versichert. Diese Landesfonds müssten daher, so folgert Czypionka, nicht über die Spitäler, sondern über die Versicherten definiert werden. "Darüber hinaus sind die Länder zu klein, um nach dem territorialen Prinzip zu arbeiten", gibt der Gesundheitsökonom zu bedenken und verweist etwa auf das Burgenland.

In Oberösterreich, der Steiermark und Wien wurde eine Spitalsreform bereits eingeleitet: Abteilungen werden zusammengelegt, Spitäler werden teilweise geschlossen. Diese "Kleinstreformen" führten sehr wohl zu Ergebnissen, gesteht Pichlbauer zu. "Das ist aber keine Reform des gesamten Gesundheitswesens."

Czypionka sieht jedenfalls "die große Herausforderung jetzt darin, ein zukunftsfähiges Modell zu erarbeiten".