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Die Fremde im Haus

Von Linda Say

Politik

Sibylle Hamanns Buch beleuchtet das Leben von Pflege- und Putzkräften.


Wien. Sie passen auf unsere Kinder auf, pflegen unsere Eltern oder haben Einblick in unsere Unterwäsche. Dinge, die wir selbst bestenfalls engsten Freunden anvertrauen, wandern durch die Finger eines fremden Menschen. Dafür sind wir sogar bereit, zu bezahlen. Die Rede ist von der Babysitterin, Pflegehilfe und Putzfrau.

"Auch wenn Männer diese Tätigkeiten ausführen, so sind es doch hauptsächlich Frauen, die diesen nachgehen", betont Sibylle Hamann, die sich die Fremde im Haus zum Thema für ihr neustes Werk gemacht hat. In "Saubere Dienste" befasst sich die Journalistin mit der Frage nach dem "Wer". Wer steckt hinter dem Menschen, dem wir wöchentlich eines der wichtigsten Güter, nämlich unsere Intimsphäre, anvertrauen?

Wir, das sind die modernen Familien, deren Zeit knapp ist. Sei es wegen der Karriere oder der Hobbys, denen man neben dem Familienleben nachgeht - die Zeiten haben sich geändert. Zeit ist kostbar und muss bestmöglich genutzt werden, sodass nur wenig davon für die sogenannte Reproduktionsarbeit übrig bleibt.

Hamann hält fest: "Es sind jene Tätigkeiten gemeint, die notwendig sind, damit alle Mitglieder einer Gesellschaft satt, sauber, zufrieden und emotional ausgeglichen sind. Sie sind weniger sichtbar, werden oft nicht als richtige Arbeit anerkannt und sind meistens unbezahlt." Daher suchen wir uns einen Menschen, dem wir diese Arbeit abgeben und der auch noch etwas davon hat. Doch wer ist dieser Mensch? Wie steht es um seine emotionale Ausgeglichenheit?

Nicht allzu gut, will man meinen, wenn man sich Hamanns Selbstversuch ansieht, den sie im Zuge ihrer Recherche gewagt hat. Als Franziska getarnt, schaltete sie Anzeigen in Zeitungen und bot ihre Putzdienste um magere sieben Euro an. In einer tragikomischen, ironischen und kritischen Art beschreibt Hamann ihre Erfahrungen bei der Undercover-Putzaktion, wobei der Leser zuweilen unschlüssig ist, ob er nun den Kopf schütteln oder laut lachen soll.

Verborgene Schicksale

Doch die Schicksale und Geschichten hinter den "echten" Putzfrauen sind keinesfalls zum Lachen. Hamann lässt jene zu Wort kommen, die sonst kaum Gelegenheit dazu haben. Frauen, die viel auf sich nehmen, um sich und ihrer Familie zumindest finanziell das Leben ein bisschen zu erleichtern. Was wissen wir über den Menschen, der eigentlich alles über mich weiß?

Wie belastbar so ein Job sein kann, wird etwa anhand einer slowakischen Pflegerin sichtbar, die zwei Jahre lang für je zwei Wochen demente Angehörige von Familien versorgt hat. Manche Familien schämten sich dafür, jemanden zu beauftragen, der sich um den pflegebedürftigen Vater kümmert. Deshalb blieb die Pflegerin die ganze Zeit im Haus. "Die einzige Gelegenheit, mir die Belastung von der Seele zu reden, hatte ich in einem Shuttlebus, der mich und andere Putzfrauen zurück nach Hause zu unseren Familien brachte."

"Saubere Dienste" erzählt die Geschichten von Menschen, die wir nicht kennen, weil wir nicht nach ihnen fragen. Von Müttern, die ihre österreichischen Pflegekinder mehr lieben als ihre eigenen zu Hause, da sie mehr Zeit mit diesen verbringen. Von Kindern, die im Ausland zurückgelassen werden, weil die Mutter im Ausland mit Putzen mehr verdient als mit ihrem Universitätsabschluss im eigenen Land. Von Frauen mit zerrissenem Selbstbild, zwischen Mutterrolle und arbeitender Frau.

Hamanns Werk berichtet auch von einer Arbeitsmigration, die es bereits vor hundert Jahren gab. Früher war es Janina, das Dienstmädchen, das es aus Böhmen und Mähren in die Residenzstadt Wien verschlagen hat, heute Margita aus dem 700-Seelendorf an der serbisch-rumänischen Grenze, die seit 40 Jahren hier lebt.

Politische Forderungen, etwa nach einer Änderung der Zuwanderergesetze, um Menschen das Hin- und Herreisen zu erleichtern, finden in "Saubere Dienste" sicherlich ihren Widerhall. Vor allem aber regt das Buch dazu an, sich Gedanken über die Person zu machen, der man so viel anvertraut, über die man aber so gut wie nichts weiß. Die meisten kennen nicht einmal den Nachnamen ihrer Putzfrau.