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Irische Bürgerinitiative als letzte Hoffnung für Änderung der Vorratsdatenspeicherung?

Von Christian Rösner

Politik

Nationale Verfassungsklage bringt laut Experten nur Vertragsverletzungsverfahren.


Wien. Am Sonntag tritt das viel umstrittene Gesetz zu Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Basis ist eine entsprechende EU-Richtlinie, die 2006 zwecks Terror-Bekämpfung verabschiedet wurde und bei deren Umsetzung Österreich lange säumig war. Durch das Gesetz können nun die Behörden sechs Monate im Nachhinein auf Kommunikationsdaten zugreifen.

Darunter fallen neben den Stammdaten (Name und Adresse des Benutzers) unter anderem Handy- und Telefonnummern, IP-Adressen - also jene Nummer, mit der sich ein Computer ins Internet einklinkt - und E-Mail-Adressen, aber auch die Geräte-Identifikationsnummern von Mobiltelefonen oder die Standortdaten - also wo sich ein Handy zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet.

Für das Ausheben von Stammdaten oder Zugangsdaten (Telefonnummer oder IP-Adresse) genügt für Ermittlungsbehörden ein begründetes Ersuchen seitens der Staatsanwaltschaft. Dabei gilt das Vier-Augen-Prinzip, es muss also ein zweiter Staatsanwalt das Ersuchen absegnen.

Für Verkehrsdaten - sie geben Aufschluss darüber, wer mit wem wie geredet oder gemailt hat - muss die Anordnung der Staatsanwaltschaft von einem Richter genehmigt werden. Weitere Voraussetzungen sind der Verdacht eines vorsätzlich begangenen Delikts, das mit einer Strafe von mehr als einem Jahr geahndet wird. Zusätzlich wird zur Kontrolle der Rechtsschutzbeauftragte eingeschaltet.

Ausnahmen gibt es für kleine Provider, für sie ist die Verpflichtung nicht wirklich verhältnismäßig, wird argumentiert. Und auch private Betreiber sind ausgenommen - also zum Beispiel User, die einen eigenen kleinen Mailserver aufgesetzt haben. Als "Private" gelten im Übrigen auch Universitäten und ihre Netzwerke.

In punkto Rechtsschutz sollen Betroffene grundsätzlich informiert werden, wenn auf ihre Daten zugegriffen wird - zumindest nachträglich, falls Gefahr in Verzug ist. Zuständig dafür sind die Sicherheitsbehörden. Allerdings unterliegt diese Informationspflicht Einschränkungen, so dürfen etwa Ermittlungserfolge nicht gefährdet werden. Jedenfalls ist der Rechtsschutzbeauftragte einzuschalten. Die unzulässige Veröffentlichung von Informationen aus Vorratsdaten wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet, so lautet das Gesetz.

Massive Kritik

Die Richtlinie und ihre Übernahme ins österreichische Recht werden seit langem massiv kritisiert. Selbst die Regierungsparteien, die das Gesetz am Donnerstag gegen die Stimmen der Opposition beschlossen haben, zeigten sich dabei zurückhaltend. Gerade einmal Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidigte den Beschluss mit den Worten: "Datenschutz darf eben nicht zum Täterschutz werden" - während SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim eingestand, dass es sich um eine "Gratwanderung an der Grenze der Grundrechte" handle.

Der "Arbeitskreis Vorrat" hatte bereits 82.000 Unterschriften für eine Online-Petition an das Parlament gesammelt. Jetzt wird die Initiative von den Grünen unterstützt - gemeinsam will man mindestens 1000 Bürger gewinnen, die eine Vollmacht für eine Individualbeschwerde unterschreiben, sagte Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser am Freitag. Bis dahin wurden bereits 2000 Bereitschaftserklärungen dafür abgegeben.

In anderen europäischen Staaten haben die Höchstgerichte die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung bereits gekippt - wie etwa in Deutschland, Tschechien, Ungarn und Rumänien. Ihnen droht nun ein Vertragsverletzungsverfahren, da es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um geltendes europäisches Recht handelt, erklärt SPÖ-Konsumentensprecher und Vorsitzender des Datenschutzrates Johann Maier.

Auf die Frage, was man mit einer Verfassungsklage erreichen könnte, meinte Maier: "Gar nichts." Und zwar deswegen, weil 2006 alle Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der Richtlinie zugestimmt hatten. "Eine Entscheidung, ob diese Richtlinie der Europäischen Grundrechte-Charta entspricht, kann nur der EuGH treffen, nicht jedoch nationale Verfassungsgerichte", betonte Maier. Außer ein Vertragsverletzungsverfahren würde ein VfGH-Bescheid gegen die Umsetzung der Richtlinie jedenfalls nichts bringen. Maiers Hoffnungen ruhen vielmehr auf einem EuGH-Verfahren, das gerade vom High Court der Republik Irland auf Antrag der Bürgerrechtsinitiative Digital Right Ireland - unter Berufung auf die Grundrechte-Charta - betrieben wird.

Hier sieht auch der Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk eine "Perspektive", schließlich sei die Grundrechte-Charta 2006 noch nicht in Kraft gewesen. Und die widerspreche in vielen Punkten der Richtlinie - die im Übrigen die EU-Kommission aufgrund des Widerstands bereits evaluiert hat. Sie hat auch schon Abänderungsvorschläge angekündigt. Diese müsse man abwarten, meint Funk.

"Klage eher aussichtslos"

Die Aussichten, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof die Umsetzung des nationalen Rechts nach einer Klage kippen könnte, bezeichnet Funk hingegen als "eher bescheiden". Dass dies in Deutschland, Tschechien, Ungarn und Rumänien gelungen ist, sei für Österreich nicht relevant, "weil die rechtliche Argumentation nicht einfach auf Österreich übertragen werden kann", erklärte Funk. So habe Deutschland im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung unter anderem damit argumentiert, nicht über ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zu verfügen - in Österreich seien diese aber definitiv vorhanden, so Funk.

Für Albert Steinhauser ist das Warten auf eine Entscheidung der EU-Kommission auf jeden Fall zu wenig. Er sieht in der Möglichkeit einer Verfassungsklage auf nationaler Ebene vor allem ein wirksames Instrument, um den Reformdruck innerhalb der EU zu erhöhen. "Es geht hier nicht darum, ob Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren angehängt bekommt oder nicht, sondern primär um die Bewahrung der Grundrechte", betonte Steinhauser. Und er verwies auf ein Gespräch, das die Grünen bei einem Besuch in Brüssel mit EU-Justizkommissarin Viviane Reding geführt haben: "Sie hat uns sinngemäß gesagt, die Vorratsdatenspeicherung hat nicht ganz das gehalten, was sie versprochen hat." Deshalb ist Steinhauser zuversichtlich, dass es Änderungen auf EU-Ebene geben wird.