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Jeder Dritte bricht die Schule ab

Von Bettina Figl

Politik

Ehemalige Hauptschüler, Sitzenbleiber und Berufsschüler stellen den Großteil der Drop-Outs in der Oberstufe


Wien. "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir" - für viele Schüler hat dieser Satz einen ironischen Beigeschmack. So auch für David M., der sich immer schon für Robotik interessiert hat, aber mit dem in der Schule vermittelten Wissen fern jeder Praxis nie viel anfangen konnte. Die Fachschule für Mechatronik in der HTL Ettenreichgasse hat er nach einem Jahr mit sieben Nichtgenügend im Zeugnis hingeschmissen. Doch dies war der einzige Stolperstein auf seinem Weg ins Arbeitsleben: Nach nur einer abgeschickten Bewerbung hat er eine Lehre als Mechatroniker begonnen, diese mit Auszeichnung abgeschlossen, und seither arbeitet der mittlerweile 20-Jährige in derselben Firma.

Es ist ein Schulabbruch, wie er im Buche steht, und nicht untypisch. Das zeigt die am Mittwoch veröffentlichte Studie "Bildung in Zahlen" der Statistik Austria: Demnach hat jeder dritte Schüler, der im Schuljahr 2006/07 in der ersten Klasse Oberstufe war, diese Ausbildung ohne Abschluss abgebrochen. Aber nur knapp 13 Prozent aller Schüler haben damit das Bildungssystem komplett verlassen. 28 Prozent haben, wie David M., in eine Berufsschule und damit in eine Lehre gewechselt. Rund neun Prozent der AHS-Schüler gehen nach dem ersten Jahr von der Schule ab - an Berufsbildenden Mittleren Schulen (BMS) sind es rund 30 Prozent.

Dass die Drop-Out-Rate hier bereits nach einem Jahr sehr hoch ist, erklären die Statistiker mit der Nutzung der ersten Klasse als Ersatz für das letzte Pflichtschuljahr. Viele versuchen, damit das Polytechnikum zu umgehen. "Das Polytechnikum hat ein Imageproblem, aber kein Qualitätsproblem", sagt Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft zur "Wiener Zeitung". Die neunte Schulstufe werde als Probierjahr angeboten und würde den Interessen von Schulen und Eltern entgegenkommen: Während viele Schüler eine Lehre machen wollen, wünschen sich Eltern, dass es ihre Kinder an einer höheren Schule "zumindest probieren".

Schneeberger sagt, Österreich habe kein Problem mit Schulabbrechern, sondern mit Schulwechslern, denn nur ein sehr geringer Teil scheide nach dem neunten Schuljahr komplett aus dem Bildungssystem aus. Er betont, Österreichs Drop-Out-Rate sei mit unter zehn Prozent eine der niedrigsten in ganz Europa und entspreche schon jetzt dem OECD-Ziel für 2020.

Das entscheidendste Jahr

Für den Bildungsforscher ist das neunte Schuljahr die "entscheidendste Übergangsstelle in der Bildungslaufbahn", viel wichtiger als jene von der Politik oftmals diskutierte zwischen Volksschule und Hauptschule beziehungsweise Gymnasium. Daher plädiert er für die Einführung eines zweiten Pflichtschuljahres in der zehnten Schulstufe und verweist darauf, dass auch die OECD das "in der Luft hängende" neunte Schuljahr im österreichischen Schulsystem kritisiert hat. Auch Mario Steiner vom Institut für höhere Studien (IHS) sagt, das Polytechnikum sei besser als sein Ruf, ortet aber Orientierungslosigkeit bei den 14- bis 16-Jährigen und nimmt die Schulen in die Pflicht, Berufsorientierung anzubieten.

Dass Herkunft und Sprache beim frühzeitigen Schulaustritt im selektiven österreichischen Bildungssystem eine signifikante Rolle spielen, spiegelt sich ebenfalls in den nun veröffentlichten Zahlen wider: Drei von zehn Ex-Hauptschülern verlassen die AHS-Oberstufe vorzeitig (30 Prozent), die BHS schon jeder Dritte (33,3 Prozent) und die BMS fast die Hälfte (etwa 46 Prozent). Etwa 54 bzw. 39 Prozent der Schüler mit nichtdeutscher Umgangssprache brechen eine BHS bzw. AHS ab, während es unter Schülern mit deutscher Umgangssprache nur 31 bzw. 23 Prozent sind.

"Bei dem selektiven Schulsystem braucht man sich nicht wundern, wenn einige übrig bleiben", kommentiert Mario Steiner vom IHS. Strukturen wie verschiedene Leistungsgruppen und Schulformen würden diese Unterschiede befördern, so der Forscher.