Zum Hauptinhalt springen

Mit "Merlin" gegen Sozialbetrug

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Vor allem am Bau wird "Merlin" vermehrt Jagd auf Schwarzarbeiter machen.

"Milliardenschaden" durch Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung.


Wien. Genaue Zahlen oder Schätzungen, wie groß der Schaden durch Sozialbetrug in Österreich ist, gibt es nicht. Aber es müsse "ein Millionen-, ein Milliardengeschäft" sein, sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Genug jedenfalls, um Firmen vor allem im Bausektor, die weder Steuern noch Abgaben für ihre Angestellten zahlen, mit einer eigenen Truppe zu Leibe zu rücken.

"Die Antwort heißt, in Zukunft strenger zu kontrollieren", und zwar mit der "Task Force Merlin", so die Innenministerin. Mit an Bord sind neben rund 100 speziell geschulten Beamten des Innenministeriums auch das Sozialministerium, Fahnder des Finanzministeriums und die Sozialversicherungen. Wissenschaftlich begleitet wird das Ganze von Strafrechtlern der Universität Wien.

Vom Erfolg ist Mikl-Leitner überzeugt, wird "Merlin" doch schon seit zwei Jahren in Wien und Graz erprobt. Im Zuge dieser Pilotprojekte wurden bisher 202 "dubiose Firmen" ausfindig gemacht, wie Franz Lang vom Bundeskriminalamt erklärt. Das Vorgehen ist dabei immer ähnlich: Unternehmen vor allem im Baubereich, aber auch Reinigungsfirmen und Gastronomie, stellen Personal ein, für das aber weder Steuern noch Sozialabgaben entrichtet werden. Sobald Finanz und Sozialversicherungen Forderungen stellen, werden die Firmen in Insolvenz geschickt. Die Arbeiter sind zu diesem Zeitpunkt bereits in einer neu gegründeten Firma angestellt - und das Spiel beginnt von vorne.

Als Geschäftsführer fungieren laut Lang Strohmänner, etwa ein "bosnischer Bergbauer", der seine Identität zur Verfügung stellt. Auch die Täter selbst würden mehrere Identitäten verwenden, sagt Lang. In einem Fall sogar gleich 20 verschiedene. Dies erschwert die Suche nach den eigentlichen Hintermännern. Im Zuge der Ermittlungen gegen die 202 Firmen in Wien und Graz wird derzeit noch gegen 190 Personen ermittelt. 19 Personen wurden bereits verurteilt, darunter laut Lang auch acht sogenannte Drahtzieher. Die Täter stammen dabei hauptsächlich "aus dem Balkanbereich", sagt Lang.

Den Schaden, den die 202 Unternehmen angerichtet haben, beziffert das Bundeskriminalamt mit 186 Millionen Euro. Alleine die Wiener Gebietskrankenkasse blieb auf offenen Forderungen über 32,3 Millionen Euro sitzen. Bei einer Ausweitung von "Merlin" auf alle neun Bundesländer, wobei die Verantwortung dann bei den jeweiligen Landeskriminalämtern liegt, wird mit einer entsprechend höheren Schadenssumme gerechnet.

Auf Österreichs Baustellen ist demnach künftig vermehrt mit Kontrollen zu rechnen. Diese seien nicht als Schikanen zu verstehen, sondern würden auch zu mehr Fairness im Wettbewerb führen, so Mikl-Leitner.

Im Zuge der Kontrollen könne auch das Lohn- und Sozialdumping besser kontrolliert werden, sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. So könne Unterentlohnung besser bekämpft werden. Hundstorfer: "Sozialbetrug soll und darf kein Kavaliersdelikt sein."

Polizeigeneral Lang betont noch einen weiteren positiven Nebeneffekt von "Merlin": Im Zuge der Pilotprojekte konnten bei den Ermittlungen gegen die Scheinfirmen auch gleich eine ganze Reihe weiterer Verbrechen geklärt werden, darunter Raub und sogar ein Mord.

Außerdem, so Lang, würden die vermehrten Kontrollen den Druck auf die Unternehmen erhöhen. Schon einige hätten sich zu freiwilligen Nachzahlungen entschlossen. Lang: "Die Branche ist vorsichtig geworden."