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Geburtstagsparty des Propheten

Von Rusen Timur Aksak

Politik

Alle türkischen Islamverbände feiern an einem regennassen Sonntag in Wien.


Wien. Verdutzte Gesichter bei den Fahrgästen in der U3-Linie am Sonntagnachmittag: Junge Muslime, Mütter mit Kopftuch und fromme Gastarbeiter der ersten Generation, die ihre schlohweißen Bärte streichelten, hatten sich auf den Weg zum Gasometer gemacht, und das trotz des Regens und des abendlichen Fußballmatchs in Istanbul zwischen Galatasaray und Fenerbahce. Sie alle nahmen an den Festlichkeiten zum Geburtstag des Propheten Mohammed teil. Einige Jugendliche trugen Sporttrikots - sie wollten sich das etwas später beginnende Fußballspiel doch nicht ganz entgehen lassen.

Bereits um Punkt 15 Uhr war der Saal bummvoll, die Luft stickig. Dennoch strömten - vorbei an den Plakaten diverser Rock- und Hardrock-Bands - immer mehr Muslime hinein und mussten feststellen, dass in der 4200 Personen fassenden Veranstaltungshalle des Gasometers einfach kein Platz mehr war. Der 64-jährige Ahmet, Gastarbeiter erster Stunde, versuchte seinen überforderten Kreislauf zu beruhigen und rang nach Luft. Seine Frage an die zumeist jugendlichen Ordner, warum man die Veranstaltung denn nicht mehr in der Wiener Stadthalle abgehalten hatte, wurde mit Achselzucken quittiert.

Veranstaltet wurde die Festivität von der vereinsübergreifenden Plattform "Kutlu Dogum", die sich 2006 konstituiert hat und alle größeren türkisch-islamischen Verbände umfasst: die von der Türkei staatlich geförderte Atib (Türkisch-islamische Union in Österreich), die Islamische Föderation Wien, die Union der Islamischen Kulturzentren, die Türkisch-Islamische Föderation und andere kleinere Verbände und Vereine. Der eigentliche Ideengeber dürfte wohl das türkische Ministerium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) gewesen sein. Denn in der Türkei wird schon seit dem Jahr 1989 offiziell der Geburt des Propheten Mohammed gedacht, wie die türkische Botschafterin Ayse Sezgin in ihrer Ansprache festhielt. So ist es auch kein Wunder, dass die Webseite von "Kutlu Dogum" ausgerechnet auf die Homepage von ATIB umleitet.

In Österreich findet die Feierlichkeit seit 2006 statt. Dass ein so zentrales Fest erst seit kurzem gefeiert wird, führt Moussa Diaw, Dozent an der Universität Osnabrück für Islamische Religionspädagogik, auf dessen fehlende Grundlage in Koran und Sunna (Überlieferungen und Aussprüche des Propheten und der ersten Muslime) zurück. Es wäre Ausdruck einer "traditionellen Volksfrömmigkeit", die sich nach und nach "eingebürgert" hätte. Heute feiern die meisten mehrheitlich muslimischen Länder den Geburtstag des Propheten, in einigen Ländern wurde der 20. April offizieller Feiertag. Das sogenannte "Blasphemiegesetz" in Pakistan habe auch Muslime bestraft, die das Feiern des Geburtstages des Propheten als "bid’a" (unerlaubte Neuerung im Islam) bezeichnet haben, und sie würden auch strafrechtlich belangt, erzählt Diaw.

Unmut über das Zelebrieren des Geburtstages äußern etwa puritanische Bewegungen in der islamischen Welt, wie etwa die Salafisten, die aufgrund ihrer verstärkten Missionstätigkeit im deutschsprachigen Raum ja allgemeine Bekanntheit erlangt haben. Auch die Wahabiten in Saudi-Arabien und die in Indien beheimateten Deobandi lehnen es ab.

Einigkeit der Muslime ganz im Vordergrund

Angesprochen auf die Kritik dieser Kreise am "Mawlid an-Nabi" (Geburtstag des Propheten) reagiert die junge Schülerin Emine verstört, denn es sei nicht nachzuvollziehen, wieso man den Propheten nicht "lieben" solle, im Übrigen kenne sie keinen Muslim, der sich weigern würde, zu dieser Veranstaltung zu kommen. Dennoch scheint die Kritik am "Mawlid" nicht ganz ignoriert werden zu können: Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich Fuat Sanac hält in seiner auf Deutsch und Türkisch gehaltenen Rede fest: Es gehe nicht darum, der Geburt zu gedenken, sondern es solle das Vorbild des Propheten für die Muslime an diesem Tag besonders betont und in Erinnerung gerufen werden. Damit würde Sanac weder die Traditionalisten verprellen noch den Kritikern zu viel Angriffsfläche bieten, meint Diaw.

Der eigentliche Fokus des Abends lag in der beständigen Betonung der Einigkeit und Brüderlichkeit der Muslime: kein musikalischer Beitrag, der dies nicht behandelt hätte, kein Leinwandvideo, das nicht die Einigkeit der Muslime visualisiert hätte. Das übertrug sich auch auf die personelle Besetzung der Veranstaltung: Man war penibel darauf bedacht, keinen Verband zu kurz kommen zu lassen, und erwähnte auch, welchem Verband ein Vortragender angehörte.

Zum Höhepunkt des Abends wurde der Vortrag der kleinen Pelin, die ein Gedicht über den Propheten vortrug. Als die anfängliche Schüchternheit zusehends verflog, konnte sie gegen Ende die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nach begeistertem Applaus ließen sich die Verbandsverantwortlichen, die Botschafterin der Türkei und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft nochmals Schulter an Schulter mit einer roten Rose in der Hand feiern, die die bevorzugte Zierpflanze des Propheten gewesen sein soll. Dann war die Gebetszeit gekommen.