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Chancen, die allen nützen

Von Stefan Beig

Politik
Clara Akinyosoye: "Rassismus nicht ausblenden."
© Copyright: Regina Antal

Teilnehmende Experten fordern gute Rahmenbedingungen für Migranten.


Wien. Auch Schulabbrecher haben bei Ikea eine Chance. "Wie gut passt dieser Mensch zu uns? Wie stark ist sein Interesse am Job?" Darauf achte man besonders, berichtet Doris Handl von der Personalabteilung. "Das ist bei uns wichtiger als die Qualifikation." Auch mit niedrigem Schulabschluss soll man schließlich eine Chance kriegen - im Verkauf, der Logistik oder einem Ikea-Restaurant. Viele gering qualifizierte Jobbewerber stammen aus Zuwandererfamilien, räumt Doris Handl ein. Das sei teils auch ein Vorteil, etwa wenn Kunden in ihrer Muttersprache betreut werden können: "Flaggen auf der Ikea-Kleidung zeigen, welche Sprachen ein Mitarbeiter spricht." Teilweise gibt es aber Probleme, wenn manche Angehörige der zweiten Generation nur ganz schlecht Deutsch können.

Doris Handl nimmt am Freitag neben vielen Experten am "Österreichischen Integrationstag" in Wien teil, den der Verein "Wirtschaft für Integration" zum zweiten Mal in Kooperation mit der Industriellenvereinigung und der Stadt Wien veranstaltet. Partizipation von Migranten steht heuer im Fokus, ein Schwerpunkt gilt dem Arbeitsmarkt - und dabei auch "gering qualifizierten Jugendlichen". Handl hält die Einstellung der Arbeitgeber, den Umgang mit Bewerbungen für entscheidend.

"Ein formaler Bildungsabschluss zählt in Österreich schon sehr viel", erzählt auch Doris Landauer, Projektleiterin von "Perspektiven für unentdeckte Talente" beim Arbeitsmarktservice Wien. Oft fehle Schulabbrechern einfach eine Vertrauensperson, die sie über ihre Möglichkeiten informiert. Kürzlich begegnete sie einem 17-jährigen Mädchen, dem schlicht niemand gesagt hatte, dass zum Nachholen des Hauptschulabschlusses ein nochmaliger Besuch der Schule nicht nötig ist. Um jungen Menschen eine zweite Chance zu bieten, werde mittlerweile viel in Jugend- und Lehrlingscoaching gesteckt. Billiger sei es, schon im Schulsystem anzusetzen: "Ich bin hochtalentierten Schulabbrechern und Sonderschülern begegnet, kürzlich einem 20-jährigen Mann mit Hauptschulabschluss, der perfekt Deutsch spricht und fünf weitere Sprachen beherrscht."

Andererseits benötigen Branchen im Management- und IT-Bereich dringend hochqualifizierte Fachkräfte und suchen sie im Ausland. Es bräuchte daher zurzeit ein "Bewusstsein über den Nutzen von Zuwanderung" in der Bevölkerung und eine Willkommenskultur, betont Margit Kreuzhuber von der Wirtschaftskammer Österreich. Wichtig sei, wie Zuwanderer die ersten Tage hier erleben. Lobend erwähnt sie die informative neue Internetseite www.migration.gv.at und die Rot-Weiß-Rot-Karte, die Familienangehörigen von Hochqualifizierten den sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Natürlich sei noch etwas wichtig: wie ausländerfreundlich Österreichs Image im Ausland ist.

"Ich treffe häufig hochqualifizierte Menschen, die bei uns unter ihrer Qualifikation arbeiten. Wenn OSZE-Studien belegen, dass es schon Menschen aus Zuwandererfamilien, die hier geboren sind, schwerer haben, dann darf man sich nicht wundern, wenn das für Neuzuwanderer doppelt gilt", meint Clara Akinyosoye, Chefredakteurin von M-Media. Am Thema Rassismus und Diskriminierung komme man nicht vorbei. Zugewanderte Hochqualifizierte müssten sich auch wohlfühlen und nicht wegen Aussehen oder Religion beschimpft werden. Einig sind sich die Teilnehmer in einem Punkt: Wenn unsere Gesellschaft Migranten Chancen bietet, werden alle davon profitieren.