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Geforderte Werte-Hüter

Von Walter Hämmerle

Politik

Woher kommen unsere Werte? Eine Veranstaltung suchte nach Antworten.


Wien. In früheren Zeiten musste man sich wenigstens um eines keine Sorgen machen: Um die Werte in einer Gesellschaft. Sie waren einfach wie selbstverständlich da, autoritativ vorgegeben durch die Religion, vermittelt durch die Familie, durchgesetzt vom Staat. Mittlerweile ist die Sache mit den Werten erheblich komplizierter geworden. Die vorherrschende Religion, der Katholizismus, hat ihre einstige Deutungshoheit verloren, die Familie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, und der Staat sieht sich plötzlich einer bunten Vielfalt von Religionen, Ethnien und Weltanschauungen gegenüber, die mit der alten Homogenität nur noch entfernt zu tun hat.

Woher also kommen künftig unsere Werte? Mit dieser Frage beschäftigte sich nun eine Podiumsdiskussion der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, der Bezirksvorstehung Innere Stadt sowie der "Wiener Zeitung".

Der Staat jedenfalls kann sich aus der Werte-Produktion nicht mehr zur Gänze heraushalten. Deutlich wird das vor allem, wenn es darum geht, Migranten aus anderen Kulturkreisen mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Normen vertraut zu machen, wie Michael Girardi, Leiter der Abteilung Integration im Innenministerium, berichtet. Gut möglich, dass Österreich auf diese - verspätet, aber immerhin - doch noch einen republikanischen, strikt säkularen Verfassungspatriotismus entwickelt, der Prinzipien wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte beinhaltet.

Aber welche Rolle spielen dann Gott und die Religion bei der Produktion von gesellschaftlichen Werten?

Eine zentrale, das findet jedenfalls Matthias Beck, Professor für Existentialethik an der Universität Wien. Die Frage nach dem Sinn von Ethik sieht er in der jüdischen Glaubensgeschichte begründet: Damit das Volk sich seine Freiheit verdiene. Offen bleibe lediglich die Frage, welches Gottesbild diesem Freiheitsversprechen zugrunde liege.

Auf die Rolle der Schule verweist sodann Michael Jahn, Direkter des BORG Hegelgasse in Wien, wo seit 1997 der Schulversuch Ethikunterricht läuft. "Schule kann keine Werte vermitteln", ist Jahn überzeugt, "sehr wohl jedoch eine aufgeklärte Diskussion über diese anregen". Angesichts sinkender Schülerzahlen im Religionsunterricht sei es überfällig, den Ethikunterricht in den Regelunterricht zu integrieren, appelliert der Schuldirektor an die Bildungspolitik.

Während in Europa der Bruch mit der Dominanz der Religion nicht zuletzt in ethischen Fragen wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung der Geschlechter als Fortschritt betrachtet wird, hadert der Islam mit dieser Rangordnung. Das machte Muhammed Sanac, islamischer Religionslehrer und Mitglied des Jugendrats der Islamischen Glaubensgemeinschaft, deutlich, der in der Diskussion um die Trennung von Staat und Kirche darauf beharrte, dass der Staat auf dem Fundament der Religion beruht.