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Kindergeld massiv gekürzt

Von Christian Mayr

Politik
Kindersegen bringt seit kurzem teils drastische Einschränkungen bei der einkommensabhängigen Kindergeld-Variante. (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
© Mayr

Bemessungszeitraum nunmehr beschränkt. |Novelle bringt bis zu 12.000 Euro weniger bei Einkommensvariante.


Wien. Das im Herbst 2009 eingeführte einkommensabhängige Kindergeld sollte nicht nur mehr Väter in die Karenz locken, sondern auch die Geburtenrate ankurbeln. Doch seit kurzem sorgt eine Gesetzesnovelle dafür, dass ausgerechnet Familien mit mehr als einem Kind benachteiligt werden und mit unvorhergesehenen Einbußen von bis zu 50 Prozent beziehungsweise 12.000 Euro pro Jahr konfrontiert sind. Der "Wiener Zeitung" liegt ein Fall vor, wo eine zweifache Mutter statt 1930 Euro pro Monat plötzlich nur noch 1260 Euro Kindergeld bekommen soll.

Die Novelle des Kinderbetreuungsgeldgesetzes wurde Anfang Dezember 2011 - gegen die Stimmen der Opposition - vom Nationalrat beschlossen; als Neuerung wurde damals allerdings nur kommuniziert, dass die Zuverdienstgrenzen gelockert und von 5800 auf 6100 Euro pro Kalenderjahr erhöht werden. Von möglichen Einbußen für Familien war jedoch nie die Rede. "Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich nach der Geburt meines zweiten Kindes erfahren habe, dass ich nun insgesamt mehr als 8000 Euro weniger bekommen soll", berichtet die 34-jährige Wienerin (Name der Redaktion bekannt). Das sei zwar für die Familie nicht existenzgefährdend, aber natürlich fehle das Geld nun in dem Vier-Personen-Haushalt. Schließlich habe sie vergangenes Jahr noch eine ganz andere Auskunft zu ihrer Bezugshöhe bekommen.

Tatsächlich ist die Berechnung des einkommensabhängigen Kindergeldes eine eigene Wissenschaft - vor allem, wenn Eltern mehr als ein Kind bekommen: Prinzipiell können Eltern 14 Mal 80Prozent des letzten Nettobezuges (maximal 2000 Euro pro Monat) beziehen; und zwar beschränkt auf höchstens zwölf Monate pro Elternteil (siehe Grafik mit allen Varianten).

Damit das einkommensabhängige Kindergeld auch für Mehrkindfamilien Sinn macht, galt bisher folgende Regelung: Liegt kein volles Jahr ohne Kindergeldbezug zwischen den einzelnen Geburten, galt als Berechnungsbasis das Jahr vor der ersten Geburt - also meist das Vollgehalt der Mutter. In dem konkreten Fall kam Kind 1 im August 2009 zur Welt; danach bezogen Mutter und Vater zusammen 24Monate lang (also bis Mitte 2011) Kindergeld - weshalb für das nun im Mai geborene zweite Kind als Berechnungsbasis das Jahr 2008 gegolten hätte.

Keine Übergangsfristen

In der Novelle wurde aber dieser Zeitraum auf das "drittvorangegangene Jahr" beschränkt, was bedeutet: Als Basis dient nicht mehr das Vollgehalt von 2008, sondern der Bezug von 2009, wo nur einige Monate Vollgehalt vor der Karenz zu Buche stehen.

Theoretisch wäre es auch möglich, dass betroffene Mütter gleich um die Hälfte - also 12.000 Euro - umfallen und sich nicht wehren können, weil die Novelle mitten in der Schwangerschaft passierte. Denn Übergangsfristen oder Abfederungen sind nicht vorgesehen. Immerhin gibt es laut Familienministerium mehr als 600 Betroffene aus den vergangenen zwei Jahren, die diese neue Regelung - in unterschiedlicher Ausprägung - trifft. Im Ministerium verteidigt man allerdings die Einschränkung: Das einkommensabhängige Kindergeld soll nämlich "ein repräsentativer Einkommensersatz, der unmittelbar vor der Geburt des Kindes erzielten Einkünfte" sein. Andernfalls könnten Eltern auch auf eine der (allerdings insgesamt schlechter dotierten) Pauschalvarianten zurückgreifen, heißt es aus dem Büro von Familienminister Reinhold Mitterlehner.

Familienbund fordert Lösung

Allerdings stellt sich die Frage, warum es keine Übergangsfrist gibt und ob dadurch nicht der Vertrauensschutz verletzt wurde. Während das Ministerium hierin keinen Konflikt sieht, kommt Kritik vom Präsidenten des Familienbundes, Bernhard Baier: Er begrüßt zwar prinzipiell die Novelle, sieht aber in der plötzlichen Umstellung eine "unglückliche Konstellation": "Durch die fehlende Übergangsfrist gibt es leider einige bedauerliche Härtefälle, wo der beschriebene Fall sicher dazu zählt." Daher werde der Familienbund beim Familienministerium Druck auf eine Lösung für Betroffene machen, so Baier.

Laut dem Staatsrechtler Bernhard Raschauer könnte die Regelung sogar verfassungswidrig sein und mangels Übergangsregel etwa gegen den Gleichheitssatz verstoßen; für eine Klärung braucht es aber eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.