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Was tun nach der Matura?

Von Brigitte Pechar

Politik

Der AHS-Abschluss berechtigt einzig und alleine zum Studium.


Wien. "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." Die Klage darüber, dass das Niveau der Jugend immer weiter sinke, ist nicht neu, wie dieses Zitat von Sokrates (um 469 bis 399 v. Chr.) deutlich macht.

Die Zentralmatura soll genau da ansetzen: beim Niveau. Sie soll einen klaren und verlässlichen Standard vorgeben. Ab 2016 werden dann alle Abgänger von allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbildenden höheren Schulen (BHS) mit der zentralen Reifeprüfung vergleichbare Standards vorweisen.

Doch was ist die Matura eigentlich wert? Diese Frage beantworten alle Experten einhellig: Die Matura bescheinigt den Schulabgängern Studierfähigkeit. Das gilt sowohl für AHS- als auch für BHS-Maturanten. Allerdings haben Zweitere Vorteile: Eine BHS eröffnet nicht nur die Möglichkeit des Studiums, sondern auch des Berufseinstiegs. Und weil das so ist, wird auch der Zulauf zu den BHS immer größer. Von den rund 44.000 Maturanten kommen bereits 58 Prozent von BHS, nur noch 42 Prozent von AHS.

"Mit der AHS-Matura alleine ist man gar nichts", bestätigt Bildungsexpertin Christa Koenne. Früher seien viele Maturanten Beamte geworden, auch Banken hätten Maturanten aufgenommen. Heute sei der AHS-Abschluss nur noch die Vorbereitung auf eine weiterführende Ausbildung. Eine Chance, die AHS aufzuwerten, sieht Koenne im Anbieten von Zusatzqualifikationen. So gebe es an ihrer Schule, einer AHS in Wien, die Möglichkeit, die Gebärdensprache zu erlernen. Solche Nischenprodukte könnten die AHS-Langform retten.

WKO: Uni-Pfad für

Lehrlinge notwendig

Auch Michael Landertshammer, Abteilungsleiter Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer, bestätigt: "Die Matura ist formal der Einstieg in die Hochschullaufbahn." Der Abschluss einer AHS gebe immerhin Auskunft darüber, dass ein gewisser Standard an Allgemeinbildung erreicht worden sei. Eine Verbesserung bei der Vergleichbarkeit der Reifeprüfungszeugnisse erwartet der Bildungsexperte der Wirtschaft von der Zentralmatura. Zwar habe sich auch jetzt schon herumgesprochen, welche Qualität die Maturazeugnisse der verschiedenen Schulen haben, aber verlässliche Standards wären besser.

Mit der BHS-Matura hätten die Jugendlichen jedenfalls viel bessere Chancen, sagt auch Landertshammer. Er hat aber ein ganz anderes Problem: "Es fehlt ein Pfad für Lehrabsolventen." Maturanten könnten studieren, BHS-Maturanten könnten zusätzlich auch in einen Beruf einsteigen. "Was fehlt, ist eine faire Weiterbildungsmöglichkeit für Menschen, die aus der Lehre kommen und keine Matura haben." Zwar könnte schon jetzt die Berufsreifeprüfung als Matura-Ersatz abgelegt werden, das sei aber nicht ausreichend. Landertshammer fordert, auch Lehrabsolventen, einen hochschulischen Abschluss zu ermöglichen.

Bei Fremdsprachen wird Schwierigkeitsgrad erhöht

Was die Qualität der neuen Zentralmatura betrifft, wird bereits nachjustiert. Es gebe zwar noch keine offiziellen Daten, aber die Matura - für lebende Fremdsprachen ist diese schon in 85 Prozent der AHS standardisiert - sei relativ gut ausgefallen, berichtet Christian Dorninger, stellvertretender Sektionsleiter und Projektleiter der Neuen Reifeprüfung im Unterrichtsministerium und interimistischer Direktor des Bifie (Bundesinstitut für Bildungsforschung) in Wien.

Die Aufgaben für Fremdsprachen orientieren sich am "Europäischen Referenzrahmen für Sprachen". Das bedeute, dass die Maturafragen etwa in Englisch die Voraussetzungen für B2 (Hochschulreife) erfüllen müssen. Die Englisch-Matura ist aber offenbar so gut ausgefallen, dass der Schwierigkeitsgrad der Fragen erhöht wird. "Wir werden beim Niveau anziehen", kündigt der Bifie-Leiter an.

86 Prozent der AHS-Absolventen studieren

Zwar gilt noch immer: Je höher der Bildungsabschluss, desto besser die Berufschancen, dennoch ist die AHS-Matura nur eine Zwischenstation. Das hat auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer zuletzt festgestellt. Eine Studie von Statistik Austria und Arbeitsmarktservice hat mit Zahlen bewiesen, was Bildungswissenschaftern längst klar war: Die AHS-Matura ist einzig zur Studienberechtigung brauchbar. Für AHS-Absolventen ist die Jobsuche nämlich fast so schwierig wie für Personen, die bloß einen Pflichtschulabschluss haben. Nur 4,5 Prozent der AHS-Maturanten gehen direkt in einen Beruf, im Gegensatz zu 41 Prozent BHS-Abgängern. Nur jeder Fünfte mit der AHS-Matura als höchstem Abschluss hat binnen drei Monaten einen Job. Während knapp 26 Prozent der Pflichtschul-Absolventen ein halbes Jahr bis ein Jahr lang Arbeit suchen, finden 40 Prozent der Gymnasiasten länger als ein Jahr keine Anstellung. Bei Vergleichen ist zwar Vorsicht geboten, da die Gruppe jener, die einzig diese Ausbildung haben, relativ klein und daher nicht allgemein gültig ist. Die Tendenz stimme aber, bestätigt eine Studienautorin der Statistik Austria.

Neben den BHS-Absolventen haben aber auch Abgänger einer besonderen Form der BMS (Mittlere Schulen ohne Matura), der Gesundheitsschulen (Krankenschwestern- und Pflegeausbildung), gute Chancen: 85 Prozent der Abgänger finden nach drei Monaten einen Job und stehen auch beim Starteinkommen vielen Uni-Absolventen nicht nach. WU-Rektor Christoph Badelt rät trotz allem zum Studium. Das Lebenseinkommen zählt nämlich.