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"Späte Geste der Versöhnung"

Von Alexia Weiss

Politik

Im Schnitt erhielten die Antragsteller 18 Prozent der Verluste abgegolten.


Wien. Als "späte Geste der Versöhnung" bezeichnet Sir Franklin Berman die Auszahlungen aus dem 2001 eingerichteten Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus. Der britische Völkerrechtsexperte ist Vorsitzender des Antragskomitees des Entschädigungsfonds. Dessen Arbeit neigt sich nun dem Ende zu: Jüngst wurde über den letzten der insgesamt 20.702 Anträge entschieden.

Damit sind die 210 Millionen US-Dollar, mit denen der Fonds 2001 unter der Regierung Wolfgang Schüssel gemäß Washingtoner Abkommen zwischen Österreich, den USA und Opferorganisationen gefüllt wurde, verteilt.

Für Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), die auch Kuratoriumsvorsitzende des Entschädigungsfonds ist, ist damit "eine wichtige Arbeit abgeschlossen worden". Nach folgenden zehn Vermögenskategorien wurde bei der Behandlung der Anträge vorgegangen: liquidierte Betriebe einschließlich Konzessionen und anderem Betriebsvermögen; Immobilien, für die es keine Naturalrestitution gab; Bankkonten; Aktien; Schuldverschreibungen; Hypotheken; bewegliches Vermögen; Versicherungspolizzen; berufs- und ausbildungsbezogene Verluste sowie schließlich sonstige Verluste und Schäden.

Viele Anträge beinhalteten mehrere Punkte - so musste sich das Komitee mit insgesamt 160.081 Forderungen auseinandersetzen. 18.154 Anträge wurden schlussendlich positiv beschieden - dabei wurde für 103.333 Forderungen eine Entschädigung zuerkannt.

"War rasch klar, dass die Millionen nicht ausreichen"

Die Mittel des Fonds reichten allerdings nicht aus, um tatsächlich eins zu eins für die in der NS-Zeit erlittenen Verluste zu entschädigen. Am Ende erhielten die Antragsteller im Durchschnitt 18Prozent des Wertes ihrer entzogenen Vermögen - darunter sowohl Überlebende als auch Nachkommen entweder von den Nazis ermordeter oder nach 1945 verstorbener NS-Verfolgter; der Großteil von ihnen sind Juden, aber auch Roma und Sinti, politisch oder aus anderen Gründen Verfolgte. Berman tut dies leid: "Ich kann nur annehmen, dass man zur Zeit der Verhandlungen, die dann zum Washingtoner Abkommen führten, gar nicht wusste, was für Verluste es gegeben hat. Leider hat sich dann im Zug unserer Arbeit rasch herausgestellt, dass die 210 Millionen Dollar nicht reichen werden", sagt der Experte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auf der anderen Seite habe Österreich hier Großartiges geleistet, was "die Art und Weise, wie man die Antragsteller behandelt hat", betrifft. "Das war ein humaner, freundlicher, offener Umgang - das war dem Gesetzgeber und uns wichtig." Zur Anwendung kam einerseits das Forderungsverfahren, allerdings mit erleichterten Beweisstandards. Lag keine ausreichende Dokumentation vor, wurde das Billigkeitsverfahren angewandt, wo die Bewertung der Verluste pauschaliert erfolgte.

Konkret bedeutete dies: Antragsteller wurden gebeten, alle Dokumente, die sie hatten oder ausfindig machen konnten, beizulegen. Es wurden aber auch nicht dokumentierte Anträge angenommen - und in jedem Fall von den Mitarbeitern des Fonds nachrecherchiert. "In vielen Fällen sind wir so noch auf zusätzliche Forderungen gestoßen, die dann ebenfalls abgegolten wurden", sagt Berman. Von den Fondsmitarbeitern wurden im Lauf der etwas mehr als zehn Jahre rund 42.000 Akten oder Dokumente aus Archiven beschafft, rund 19.500 historische Grundbuchauszüge eingeholt, knapp 11.000 Versicherungsrecherchen angestellt.

Von 1000 Antragstellern werden die Erben gesucht

Die Kategorie, nach der am öftesten entschädigt wurde, sind die berufs- und ausbildungsbezogenen Verluste. Hier wurde die entsprechende Forderung von rund 17.000 Antragstellern anerkannt, so Berman. In dieser Kategorie wurde grundsätzlich nach dem Billigkeitsverfahren vorgegangen und in drei Pauschalen unterschieden: Für Stufe eins wurden demnach 12.283,78 US-Dollar zuerkannt, für Stufe zwei 24.567,56 US-Dollar und für Stufe drei 49.135,11 US-Dollar.

Ganz ist die Arbeit des Fonds noch nicht abgeschlossen: In 2200 Fällen besteht noch die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs. Und von rund 1000 Antragstellern, die vor Erhalt der Zahlung verstorben sind, werden noch die Erben gesucht. Seinen Abschlussbericht will das Komitee in etwa zweieinhalb Jahren vorlegen.

Zur Person



Sir Franklin Berman

Der Brite ist Vorsitzender des Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und wurde am 23. Dezember 1939 geboren. Außer seiner Funktion in Österreich agiert er als Richter in internationalen Streitschlichtungs- und Gerichtsverfahren. Berman ist Professor für Völkerrecht der Universitäten Oxford, Cape Town und King’s College.