Wien. Darf die Polizei auch ohne richterliche Genehmigung die IP-Adresse verdächtiger Internetnutzer, die auf einschlägigen Chatforen registriert sind und dort auch posten, ermitteln? Ja, sie darf.
So sieht es zumindest der Verfassungsgerichtshof. Grundlage für das Erkenntnis bildet die Beschwerde eines wegen Anstiftung zum Kindesmissbrauch angeklagten Wieners, der in einem auf Sexualkontakte spezialisierten Chatroom bei einem Gesprächspartner den Eindruck erweckt haben soll, Minderjährige für sexuelle Handlungen anzubieten. Die daraufhin eingeschalteten Polizisten ermittelten aufgrund drohender Gefahr die IP-Adresse, den Namen sowie die Anschrift des Betroffenen und zeigten ihn wegen des Verdachts der "versuchten Bestimmung zum schweren sexuellen Missbrauch" an. Dagegen setzte sich der Angeklagte zur Wehr und zog vor das Verfassungsgericht. Begründung: Die Beamten hätten keine gerichtliche Bewilligung für die Abfrage der IP-Adresse beim Internetprovider eingeholt und damit sowohl das Fernmeldegesetz als auch den Datenschutz verletzt. Seine Daten seien daher zu löschen, hieß es.
Allein die angerufenen Verfassungsrichter teilten diese Ansicht nicht. Das Fernmeldegesetz schütze demnach nur die Vertraulichkeit des Inhalts, nicht aber Daten wie die IP-Adresse. Ihre Ausforschung sei genauso wie die Speicherung der Strafverfahrensdaten - für bis zu 60 Jahre - nicht verfassungswidrig, zumal es sich bei dem Chatforum um "offene Kommunikation" gehandelt habe.
Bedenken gegen DNA-Profil
Hingegen nicht durch das Sicherheitspolizeigesetz gedeckt scheint laut den Verfassungsrichtern die präventive Ermittlung und Speicherung von DNA-Profilen. Denn die dort festgeschriebene Ermächtigung, Häftlingen, die einen "gefährlichen Angriff" planen, Mundhöhlenabstriche abzunehmen, scheine "die Grenzen des verfassungsrechtlich Erlaubten zu überschreiten", erklärte das Gericht in einem aktuellen Prüfbericht. Die im Gesetz gewährten Rechte stünden "in keinem Verhältnis zur besonderen Sensibilität der Daten". Den Fall ins Rollen gebracht hatte ein wegen Finanzdelikten verurteilter Tiroler, dem Genproben abgenommen worden waren.