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Die unsichtbaren Zäune in der Nachbarschaft

Von Katharina Schmidt

Politik
Am Brunnenmarkt ist die Durchmischung Realität.
© © Andreas Pessenlehner

Wissenschafter suchen nach Bauanleitung für Wohnintegration.


Gmunden. Wohnst du noch oder bist du schon integriert? Ohne Werbung für ein schwedisches Möbelhaus machen zu wollen, ist es genau diese Frage, der sich am Donnerstag hochkarätige Wissenschafter vor der malerischen Kulisse des Traunsees gewidmet haben. "Wohnen und Nachbarschaft: Vom miteinander wohnen zum miteinander leben", lautete das Thema beim Dialogforum Migration, das die Donau Universität Krems im Schloss Ort in Gmunden veranstaltet.

Nach einer Möbelbauanleitung sucht man aber vergeblich: Es beginnt mit einem verstärkten Trend zur Urbanisierung und größerer Notwendigkeit zur Mobilität. Beides werde sich kaum aufhalten lassen, erläuterte Gudrun Biffl, Dekanin an der Donau Uni und Mitglied des Expertenrats für Integration. Diese Verstädterung könne einen positiven Effekt auf die Integration haben, gilt die Stadt doch als "Integrationsmaschine", sagte Jens Dangschat, Soziologe an der TU Wien. Allerdings "können wir die Menschen nicht gegen den Markt und gegen ihre Interessen zusammenbringen". Sprich: Die Wohlhabenden befürworten zwar eine Durchmischung in den Wohnvierteln, ziehen sich aber aus Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil zurück. Diese Abschottung habe es immer schon gegeben und sei nicht auf Ausländerfeindlichkeit zurückzuführen. "Wir brauchen keine Zäune, um jemanden zu bedeuten, dass er dort nicht hingehört."

Dabei könne die These, wonach die Integration durch soziale Durchmischung verbessert werde, nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Im Gegenteil: Es bestehe die Gefahr "überforderter Nachbarschaften". In der Folge könnten soziale Konflikte sogar noch verstärkt werden. Mögliche Lösungsansätze sind laut Dangschat: Die soziale Durchmischung soll zwar gefördert werden - etwa durch städtische Wohnungsvergabe, die 2006 in Wien für Migranten geöffnet wurde. Gleichzeitig müssten die Ängste der überforderten Einheimischen ernst genommen werden. Die Politik müsse das Thema Wohnen und Integration zur Chefsache machen.

Weniger Wohnraum

Ein klareres politisches Bekenntnis forderte auch Volker Frey vom Klagsverband für Diskriminierungsopfer. "Es gibt in Österreich kein Bewusstsein dafür, Rechte zu haben und diese auch durchzusetzen." So nimmt es denn kaum wunder, dass laut Wiener Diversitätsmonitor 2009 Migranten weniger Wohnraum pro Person zur Verfügung haben als Österreicher, gleichzeitig aber für schlechter ausgestattete Wohnungen höhere Quadratmeterpreise zahlen.

Die Städte können hier mit Hilfe des sozialen Wohnbaus gegensteuern - immerhin werden österreichweit 15.000 Gemeindewohnungen im Jahr neu vergeben, so Klaus Lugger, im Expertenrat für den Bereich Wohnen zuständig. Derzeit sondiert er unter anderem, wie Hausverwaltungen dazu beitragen können, dass Konflikte gar nicht erst aufkommen.

Im November wird es eine weitere Konferenz zum Thema geben. Sollte eine Bauanleitung gefunden werden, wird sie wohl ähnlich kompliziert wie die schwedischen.