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Pioniere der Interkulturalität?

Von Selina Nowak

Politik
Erst schwer verliebt, dann verheiratet. Beim Kindererziehen kommen oft erst die Probleme.
© © © Mango Productions/Corbis

Ein Buch über amüsante, aber auch schwierige Seiten interkultureller Ehen.


Wien. Marike Fricks Großvater verliert bald den Überblick: Von neun Enkeln waren drei ein Jahr in England, einer lebt in Holland, einer in Australien, der andere war gerade in Neuseeland und Enkelin Marike war in den USA und in Schweden. "Reisen, sowie Studieren und Praktika im Ausland sind Normalität geworden. Dass man sich da mal verliebt, ist klar." Frick spricht aus Erfahrung: Beim Erasmusaufenthalt in Schweden hat sie ihren spanischen Ehemann kennengelernt, der für sie die südspanische Sonne gegen das nasskalte Hamburger Regenwetter getauscht hat.

Auch Nicole Basel lebt in einer internationalen Beziehung. Für ihren dänischen Freund ist sie nach Kopenhagen gezogen. Gemeinsam haben die beiden deutschen Journalistinnen das Buch "Tapas zum Abendbrot. Wie man eine internationale Beziehung (über)lebt" geschrieben, für das sie sie viele binationale Paare und Experten interviewten.

Internationale Partnerschaften werden immer häufiger. Die Autorinnen zitieren im Buch den Soziologen Ulrich Beck, der von "Weltfamilien" als Pionieren der Interkulturalität spricht. "Durch binationale Paare werden ganze Familien zusammengeführt", meint Basel. "Eine Chinesin heiratet einen Deutschen, die beiden werden Eltern und ihr Kind ist ein Bindeglied zu einer Familie, die 8000 Kilometer entfernt wohnt." Manchesmal passiert es aber, dass die Familie den Partner ablehnt, weil das Herkunftsland einen schlechten Ruf hat oder er einer anderen Religion angehört.

Frick und Basel erzählen von einer Australierin mit indischem Hintergrund, deren hinduistische Mutter den deutschen Partner ablehnt, oder von einer Ecuadorianerin, für deren streng katholische Eltern es ein Riesenproblem darstellt, dass ihr Freund Atheist ist. Doch manche solcher Beziehungen könnten durchaus funktionieren", erzählt Nicole Basel. So ist das etwa bei Fricks Cousine und ihrem streng religiösen, muslimischen Freund aus dem Niger. "Die beiden respektieren einander einfach. Sie akzeptiert, dass seine Freunde ihr nicht die Hand geben." Eine Frage bleibt: Wie werden die Kinder erzogen? Da kann die Religion erstmals wirklich ein Konfliktpunkt werden.

Doch nicht nur in Sachen religiöser Zugehörigkeit scheiden sich dann die Geister. Wenn die Partner in verschiedenen Kulturen groß geworden sind, haben sie oft sehr unterschiedliche Vorstellungen von Kindererziehung. Fragen tauchen auf, die zwischen den zwei Verliebten keine Rolle gespielt haben. "Das ist ein Riesenproblem", bestätigt Basel. "Man kann sich als binationales Paar mit Kindern fast nicht mehr trennen. Wer lässt schon gern seine Kinder in einem fremden Land zurück?"

Mit viel Geld ist es leichter

Nicole Basel hat nachrecherchiert: Es gibt keinen statistischen Beleg, ob sich binationale Partner öfter oder seltener trennen. Sehr wohl sei aber die Dramaturgie der meisten Beziehungen eine andere. "Ausnahmslos alle Paare, die wir interviewt haben, waren am Anfang über beide Ohren verliebt. Dann musste oft alles sehr schnell gehen. Vor allem, wenn ein Partner aus einem nicht-europäischen Staat kommt, sind die Paare gezwungen zu heiraten, damit beide in einem Land gemeinsam wohnen dürfen."

Abwarten, um sich langsam besser kennenzulernen, geht oft nicht. Und die Mühlen der Behörden mahlen langsam. Bis alle geforderten Dokumente erbracht sind, können Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Bei Verdacht auf Scheinehe wollen die Ämter tief ins Privatleben blicken - und dann kommt es auch noch auf den Sachbearbeiter an, und wie er die Regeln auslegt. "Geld macht natürlich einen Riesenunterschied, weil man ohne es nicht so oft hin- und herfliegen kann und weil es als reicher Mensch einfacher ist, ein Visum zu kriegen."

Einen großen Teil ihres Buchs widmen Basel und Frick den Missverständnissen aufgrund von Sprache, Mimik, Gestik, Lautstärke, Wortwahl und anderen Feinheiten. Wer in verschiedenen Streitkulturen aufwächst, muss das Streiten mit dem Partner erst einmal lernen. Wenn der Italiener schreit und die Tür zuknallt, ist das für ihn kein Weltuntergang, für seine japanische Freundin wäre es aber zunächst ein Schock.

Doch gibt es "den Italiener", "den Japaner", den stereotypen Landsgenossen überhaupt noch? Hat sich nicht - gerade in den Großstädten - so etwas wie eine internationale Kultur entwickelt? Den Gedanken hatte Nicole Basel vorerst auch, "aber das stimmt eigentlich nicht. Wenn beide gerade studieren, dann empfindet man das vielleicht so, aber wir sind doch immer noch extrem durch unsere Länder geprägt."

Für Nicole Basel war es zunächst nicht leicht, in Kopenhagen, der Heimat ihres Freundes, Fuß zu fassen. "Wenn man die Sprache eines Landes nicht richtig spricht, wird man anders eingeschätzt, weniger intelligent, weniger spontan, weniger witzig." Obwohl sie sich geschworen hatte, so etwas nie zu machen, ging Basel dann doch als erstes zu einem deutschen Stammtisch.

Auch Marike Fricks spanischer Mann Roberto kam nach Deutschland mit dem Vorsatz, nur deutsche Freunde zu finden. "Er hat in den Jahren eine Handvoll Leute gefunden, die er Freunde nennt, aber zufrieden ist er damit nicht." In ein Land auszuwandern, alles aufzugeben, eine neue Sprache zu lernen, eine neue Existenz aufzubauen - das hat nichts mehr zu tun mit Auslandspraktika und Erasmusgetümmel. "Seit meiner Beziehung mit Roberto denke ich darüber nach, wie es mir wohl in einer Auswanderersituation gehen würde", sagt Frick.

Gerade deshalb hat sie gemeinsam mit Nicole Basel über ihre und andere internationale Beziehungen geschrieben. Ihrem Opa hat es gefallen. Sein Kommentar, nachdem er das Buch gelesen hatte: "Jetzt verstehe ich die Ausländer in Deutschland besser."