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"Die Stadt muss in den Randgebieten kompakter werden"

Von Katharina Schmidt

Politik
© © MA18

Thomas Madreiter, Leiter der Wiener Stadtplanung, im Interview.


"Wiener Zeitung": Wien hatte um 1910 mehr als zwei Millionen Einwohner, 1951 waren es nur noch 1,6 -mit sinkender Tendenz. Seit 2000 steigt die Einwohnerzahl wieder. Vor welchen Herausforderungen steht die Stadtplanung?

Thomas Madreiter: Es geht darum, sicherzustellen, dass die jährlich rund 17.000 neuen Einwohner, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, Wohnungen sowie soziale und technische Infrastruktur vorfinden. Außerdem muss man bedenken, dass sich auch die Stadtgesellschaft dadurch verändert. Wien war bis Ende der 1980er Jahre eine stagnierende Stadt und wurde von manchen als grau bezeichnet. Wir sind bunter und diverser geworden. Diese Veränderungsprozesse sind für viele Menschen herausfordernd.

Welche Möglichkeiten hat die Stadtentwicklung, den Integrationsprozess zu fördern?

Der Charta-Prozess macht klar, dass Stadt historisch über die Jahrhunderte immer mit Veränderung zu tun hatte. Die Stadt braucht immer neue Ideen und neuen Esprit.

Am Dienstag ist die Kickoff-Veranstaltung zum Stadtentwicklungsplan. Wie soll dieser aussehen?

Zunächst soll in Arbeitsgruppen der Inhalt erstellt werden, Ende 2013 wird dann ein Rohentwurf als Basis für die politische Arbeit vorgelegt. 2014 soll er vom Gemeinderat beschlossen werden.

Werden sie - analog zu Wiener Charta - die Bevölkerung in einem Partizipationsprozess einbinden?

Ja, wir werden intensiv die Expertenebene -zum Beispiel Architekten, Stadtplaner, aber auch Wirtschaftstreibende - einbeziehen. Daneben entwickeln wir einen Prozess, um interessierten Bürgern und NGOs eine Plattform zu bieten, an der Gestaltung der Stadt mitzuwirken. Dabei wird es mehr um die grundsätzliche Frage gehen, in welche Richtung sich die Stadt entwickeln soll, als um räumliche Detailfragen.

Welche Elemente werden im neuen Stadtentwicklungsplan besonders berücksichtigt, welche Aspekte des Plans aus 2005 sind abgehakt?

Ich will nicht den Arbeitsgruppen vorgreifen, es ist einfacher, den letzten Step zu bewerten. Dort war die besondere Neuerung, dass Zielgebiete eingeführt wurden, für die es jeweils klar zuständige Manager gegeben hat. Nun wird es darum gehen, diese Struktur weiterzuentwickeln. Die Zielgebiete sind bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Kernfrage wird sein, in welcher Organisationsform wir den neuen Wohnraum zur Verfügung stellen. Die fachlich unumstrittene Leitidee hierbei ist: Die Stadt muss kompakt bleiben und in den Randgebieten kompakter werden. Im Wirtschaftsbereich ist vor allem die "Smart City" eine Herausforderung. Wien wurde 2011 in einem globalen Ranking zur Smart City Nummer eins gewählt. Wir haben hier eine gute Ausgangsposition, eine attraktive Grundlage für die Wirtschafts-, Technologie- und Forschungspolitik, das bringt auch mittelfristig Jobs.

Was ist eine "Smart City"?

Das ist eine Stadt, die besonders in den Bereichen Energienutzung, Mobilitäts- und Kommunikationssysteme innovative Lösungen schafft. Mit dem Ergebnis, dass man sich im Energiebereich einer Netto-Null annähert und damit nicht mehr auf Kredit künftiger Generationen lebt. Das ist keine Träumerei, das ist technisch machbar. Der Best Case in Wien wird die Seestadt Aspern sein.

Sie haben gesagt, die Stadt soll kompakter bleiben. Wie kann Zersiedelung im Speckgürtel verhindert werden?

Das ist ein Problem. Aber: Es wird oft von einer Explosion der Suburbanisierung gesprochen, das stimmt nicht mehr, seit 2008 hat sich die Zahl der Wiener, die ins nähere Umland absiedeln, fast halbiert.

Warum?

Das können wir nur vermuten. Erstens gibt es so etwas wie einen globalen Megatrend zurück in die Stadt. Das hat mit einer Art Wertewandel zu tun. Anders als die Elterngeneration haben die heute 20- bis 30-Jährigen urbanere Werte - sie wollen zwei Städtetrips pro Jahr und jährlich das neue I-Pad. Durch die Wirtschaftskrise ist es auch schwieriger geworden, einen Kredit zu bekommen. Ich bin froh darüber, dass es den Trend zurück in die Stadt gibt. Nicht, weil ich etwas gegen funktionierende dörfliche Strukturen hätte, aber die zerfledderten Einfamilienhausgebiete sind problematisch, etwa, was die Überalterung betrifft.

Wie kann man das lösen?

Wir können das nur kooperativ mit Niederösterreich und dem Burgenland gemeinsam machen. Dazu gibt es die Planungsgemeinschaft Ost oder Ansätze wie das Konzept Stadtregion Plus. Umsetzen müssen diese aber jene Gebietskörperschaften, die rechtlich zuständig sind.

Künftig sollen Verkehrsfragen in den Step einfließen. Gibt es Interesse daran, die Verbindungen ins Umland zu intensivieren?

Ich sage nicht, dass es keinen Verbesserungsbedarf gebe, aber es gibt schon Linien, die ins niederösterreichische Umland fahren. Diese und die Bahnlinien der ÖBB sollte man intensivieren, bevor man U-Bahnen ins Umland baut.

Sie haben Aspern als Stadtentwicklungsgebiet angesprochen. Wo sehen Sie innerstädtisch Potenzial zur Stadterneuerung?

Es gibt viele Flächen innerhalb der bebauten Gebietskulisse -etwa Hauptbahnhof und Nordbahnhof. Jedoch sollte man auch nicht unterschätzen, wie man in bestehenden Gebiete, die zwar bebaut sind, aber nicht standortadäquat, zu besseren Strukturen kommen kann. Diese gilt es zu erschließen, das ist allemal ökologischer und kosteneffizienter als das Anpatzen unbebauter Flächen.
<br style="font-weight: bold;" /> Zur Person: Thomas Madreiter
Der Salzburger studierte an der TU Wien Raumplanung, seit 1995 ist er bei der Stadt tätig. Seit 2005 leitet er die Magistratsabteilung 18 (Raumplanung).