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Fußball als Integrationsbeweis

Von Sinisa Puktalovic

Politik
Keinen leichten Stand hatte zu Anfang das Integrationsprojekt beim Simmeringer Sport-Club.
© © unknown

"Culture Clash" im Simmeringer Fußball-Milieu.


Wien. Der Simmeringer Fußball ist selten in aller Munde. Und wenn, dann nicht gerade vorteilhaft. Gewisse Ereignisse haben jedoch in letzter Zeit dazu geführt, dass in Simmering tagtäglich über die hiesigen Mannschaften gesprochen wird. Um sportliche Ereignisse geht es dabei aber nur selten.

Alles begann 2011, als der SC Kaiserebersdorf nach der Neuübernahme durch den SV Srbija 08 zum SC Kaiserebersdorf-Srbija 08 wurde. Das brachte das Simmeringer Gemüt gehörig in Aufruhr. Die Folge war ein regelrechter Exodus: Rund 70 Personen verließen den Klub fluchtartig. Einer der Väter, der damals seine Kinder aus dem Verein nahm, begründet diesen Schritt folgendermaßen: "Für Serbien spielen meine Kinder sicherlich nicht. Da wird nur noch serbisch geredet. Das muss ich mir nicht gefallen lassen."

Den Obmann des neuen Vereins, Srdjan Stokic, schmerzt der Abgang von so vielen Personen "ohne unserem Projekt eine Chance zu geben". Er wurde zudem von "vielen Österreichern beschimpft" und die diskriminierenden Aussagen zahlreicher User in Internet-Foren seien an dieser Stelle besser verschwiegen. Als wäre das nicht genug, wurde seinem Verein in der Folge auch noch FPÖ-Nähe nachgesagt. "Wir sind aber kein politischer Verein, wir haben keine politische Orientierung. Unser Interesse ist der Fußball", so Stokic.

Dass ein gut durchdachtes wirtschaftliches Projekt und viele neuen Ideen hinter dem Verein stehen, sahen die meisten nicht. Etwa der Versuch, eine Kindergartenmannschaft in Kooperation mit den Kindergärten zu organisieren.

Mittlerweile jedoch hat sich die Aufregung gelegt. Sogar über "immer mehr Österreicher" unter den Zuschauern kann sich Stokic nun freuen, "aber am Anfang war es nicht leicht, mit der Diskriminierung und den vielen Lügen zu leben". Etliches ist mittlerweile auch klargestellt. So spielen längst nicht nur Serben im neuen Verein mit dem Zusatz Srbija 08, sondern unter anderem Kroaten, Afghanen, Tschetschenen, Slowaken, Tschechen und natürlich Österreicher. Menschen, die Srdjan Stokic kennen, die Spieler seines Vereins etwa, sagen über ihn, dass er "mehr gibt, als man erwarten kann".

Erhitzte Gemüter

Auch rund um einen anderen Simmeringer Traditionsfußballklub gehen derzeit die Wogen hoch. Der 1. Simmeringer Sport-Club (1. SSC) ist seit einigen Monaten das fußballerische Gesprächsthema Nummer eins.

Die fälschlich verbreiteten Gerüchte über eine Fusion des 1. SSC mit dem FC Besiktas Wien, der seit mehr als zwei Jahren schon Untermieter an der Simmeringer Had (Heimstätte vom 1. SSC) ist, erhitzen die Gemüter in einer bis dahin nicht bekannten Art und Weise. "Von ‚Die Türken kommen‘, über ‚Simmering ist von den Türken erobert worden‘, bis zu ‚Die sollen lieber in der Kebapliga spielen‘ ist vieles zu hören", wie der Obmann vom FC Besiktas Wien, Öcal Firat, erzählt. Dass es sich bei der vermeintlichen Fusion eigentlich um eine wirtschaftliche Partnerschaft handelt, die sich auf die sportliche Entwicklung beider Fußballvereine positiv auswirken soll, wollen viele nicht hören.

Der Obmann vom 1. SSC Mirko Straihans ist sich der Sensibilität des Themas bewusst, gibt aber zu bedenken, dass "wir uns in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten befinden, wo die Sponsorensuche sehr schwer fällt". Und so stand der 1. SSC vor der Frage: "Wie schaffen wir es mit den Leuten, die schon da sind, die Situation zu verbessern?" Also haben die beiden Vereine sich zusammengesetzt und ein langjähriges Konzept ausgearbeitet, von dem beide Vereine profitieren sollen.

Die negativen Reaktionen ärgern zwar Straihans, wenn sie ihm zu Ohren kommen, aber da sie "anonym geäußert werden, kann man sie nicht ernst nehmen". Der SSC-Obmann merkt weiterhin an, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen in Simmering in den letzten Jahren stark verändert hätten und dies schlage sich auch im Fußball nieder. "Nur weil einigen Wenigen diese Veränderungen nicht gefallen, kann man sie nicht abstreiten und ablehnen", ist er Straihans überzeugt. Vor allem, wo doch beim 1. SSC die Integration großgeschrieben werde, "auf einige Ewiggestrige" könne man da keine Rücksicht nehmen.

Nachwuchs aus 14 Nationen

Nachwuchsspieler aus 14 Nationen spielen beim 1. SSC, zudem arbeitet man mit dem Partnerprojekt "Integrationsplattform Simmering" eng zusammen, um das Zusammenleben im Bezirk zu fördern. Dazu soll auch der eigens gegründete "Lernclub Simmering" beitragen. Zahlreiche Lehrer von der KMS3 Hörnesgasse, wo Straihans selbst Lehrer ist, bieten täglich gratis Lernhilfe für alle Spieler und ihre Freunde an, zudem hilft der Verein bei der Vermittlung von Lehrausbildungen.

Öcal Firat, Chef beim FC Besiktas Wien, sieht die Zusammenarbeit der beiden Vereine als "Integrationsbeweis". Diejenigen, die jetzt am lautesten aufschreien, seien die, die immer Integration fordern. "Und wenn sie dann gelebt wird, ist es ihnen auch nicht recht", erzählt Firat.

Aber auch hier entspannt sich die Situation. Mittlerweile sorgen die Fans beider Vereine bei jedem Spiel der Heimmannschaften gemeinsam für gute Stimmung; und die familienfreundliche Atmosphäre auf der legendären Simmeringer Had hat dazu geführt, dass immer mehr Familien den Spielen beiwohnen.