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Gipsy Swing macht Schule

Von Selina Nowak

Politik
Lubomir Gospodinov: "Prinzipiell wird bei uns nicht nach Noten gelehrt."
© © Stanislav Jenis

Die Vienna Gipsy Music School gibt nicht nur Roma Raum für Musik.


Wien.Vor zwei Jahren wurde
im Roma-Verein Romano Centro in Wien die Vienna Gipsy Music School gegründet. Die Idee war zunächst, Roma und Sinti Kinder musikalisch zu fördern. Das Projekt weitete sich aber schnell zu einer Schule für Interessierte, Anfänger wie professionelle Musiker gleichermaßen aus. Angeboten wurden bislang temporäre Kurse und Workshops. Im Oktober soll nun eine richtige Musikschule daraus werden. Die "Wiener Zeitung" hat mit Lubomir
Gospodinov, dem Leiter der Vienna Gipsy Music School, gesprochen.

HHHHH

"Wiener Zeitung": Seit 2011 läuft die Gipsy Music School auf Probebetrieb - worin liegt nun der Unterschied?Lubomir Gospodinov: Im Gegensatz zu den Seminaren, Kursen und Workshops früher wird ab Oktober semesterweise und regelmäßig wöchentlich unterrichtet. Zwar sind wir noch keine Schule mit Öffentlichkeitsrecht - das heißt, wir dürfen keine Zeugnisse ausstellen - aber wir sind als Ordentliche Musikschule anerkannt. Unsere Lehrer müssen vom Stadtschulrat geprüft werden, sie müssen in einer oder mehreren Stilrichtungen speziell befähigt sein, viel künstlerische Erfahrung und im besten Fall zusätzlich eine pädagogische Ausbildung haben. Einer unserer Lehrer Geri Schuller beispielsweise unterrichtet auch an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst.

Wo lagen die Schwierigkeiten bei der Schulgründung?

Wir haben nach wie vor Probleme genügend Räumlichkeiten zu finden. Derzeit nützen wir drei Räume im Amerlinghaus, im Romano Centro gibt es zumindest einen Raum, in dem wir ein Klavier hineinstellen können. Damit wir in Zukunft als Musikschule normal funktionieren können, brauchen wir aber noch zusätzliche Räume. Zudem sind meine Kollegin Jelena Krstic und ich mit unseren eigenen Musikprojekten eingespannt. Ich unterrichte auf dem Konservatorium. Diese Doppelbelastung erschwert natürlich die Organisation. Was uns außerdem bislang fehlte, war die Öffentlichkeit. Wir stehen noch am Anfang und sind relativ unbekannt. Deshalb unterstützten uns auch Harri und seine Frau Valerie Stojka, die uns beim Roma-Fest vorstellen.

Gibt es DIE Gipsy Musik überhaupt?

Natürlich ist der Sound immer von der Region abhängig. Im Orient gibt es beispielsweise viele Ähnlichkeiten zur jüdischen Klezmermusik. Die Skalen sind ähnlich, ebenso die Improvisationsmomente und die ungeraden Takte. In Frankreich und Westeuropa wird hingegen eher Gipsy Swing gespielt, beeinflusst durch Django Reinhardt, der in den 30er Jahren Jazzstandard auf der Gitarre spielte. In Spanien wiederum gibt es den Flamenco, im Balkan die Brassorchester und das, was in den letzten Jahren als typischer Balkansound boomte. Auf der ganzen Welt finden sich Elemente von Gipsy Musik. Im argentinischen Tango gleichermaßen wie in einem deutschen Roma-Sinfonieorchester.

Was kann man auf der Gipsy Music School lernen?

Wir bieten Unterricht in Gitarre, Akkordeon, Klarinette, Saxophon, Gesang und Klavier. Wobei wir uns nach dem Bedarf richten. Unlängst rief mich jemand an, der unbedingt serbisches Akkordeon lernen will, wie es viele Roma spielen. Andere interessieren sich mehr für Gipsy Swing auf der Gitarre. Ganz zentral hierfür sind berühmte Vorbilder wie Harri Stojka, Diknu Schneeberger oder Martin Spitzer. Im Bereich Gesang lehren wir traditionelle Roma Musik, aber auch Jazz und Klassik können wir bieten, wenn das gewünscht wird. Unsere Lehrer sind sehr vielfältig.

Gibt es spezielle Lehrmethoden?

Prinzipiell wird bei uns nicht nach Noten gelehrt. Aber wir bereiten auch Schüler für das Konservatorium oder die Hochschule vor und da sind Noten und Theorie natürlich unumgänglich. Traditionell gibt es in der Roma-Musik jedoch keine schriftlichen Aufzeichnungen. Die Musik wurde von Generation zu Generation mündlich weitergegeben und hat sich mit jeder Wanderung ein Stück verändert. Es gibt Lieder, die in vielen verschiedenen Ländern gesungen werden, und jeder behauptet, es sei aus seinem Land. Üsküdara Gider Iken aus dem türkischen Film Katibim ist so ein Lied. Alp Bora singt dieses Lied als Gastsänger auf unserer neuen Trio-Klok-CD. Als wir dieses Lied letztens spielten, kam einer vom Personal, der aus Persien stammt. Er sagte, er kenne dieses Lied, weil seine Mutter ihm das vorgesungen hätte, als er klein war. Man hört dieses Lied aber auch in Serbien, Bulgarien, Griechenland, am gesamten Balkan und darüber hinaus.

Heute, Donnerstag, präsentiert sich die Vienna Gipsy Music School beim Roma-Fest für alle in der Szene Wien. Für Interessierte gibt es ab 17 Uhr Workshops zum Kennenlernen. Die Teilnahme ist gratis, eine Anmeldung nicht erforderlich.www.romano-centro.org/www.szenewien.com/

Zur Person

Lubomir Gospodinov

spielt und unterrichtet

Klarinette und Saxophon. Bald erscheint die CD "65 hähne" seines derzeitigen Projekts Trio Klok, mit dem er eine Mischung aus Jazz, Klezmer und Balkanmusik spielt und zudem das Theaterstück "Die Botschaft von Astoria" vom Theaterverein Romano Svato musikalisch begleitet hat. Seit April leitet er mit Jelena Krstic, der Sängerin von Harri Stojka die Vienna Gipsy Music School.

www.klok.at