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Von Wunsch und Notwendigkeit eines neuen Wahlrechts

Von Simon Rosner

Politik

Demokratie-Initiative fordert stärkere Persönlichkeitsorientierung bei Wahlen.


Wien. Gemeinderatswahlen, wie sie in den kommenden Wochen in Graz, dem Burgenland und der Stadt Krems anstehen, kommen der Vorstellung von Demokratie von Heinrich Neisser schon recht nahe. Der ehemalige ÖVP-Minister und Zweite Nationalratspräsident ist Obmann der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform (IMWD), und anlässlich des Verfassungstages am 1. Oktober stellte er am Freitag die zweite Auflage des sogenannten Demokratiebefundes vor.

Neisser bekräftigte dabei auch erneut die Forderung nach einer Änderung des Wahlrechts. Denn trotz demokratiepolitischer Diskussionen in den vergangenen Monaten sei dieses Thema nicht Teil der öffentlichen Debatte gewesen. "Und das bedauere ich außerordentlich, es wäre wirklich höchste Zeit", sagt der Ex-Politiker, und zwar mit einem Hauch von Empörung in der Stimme. Stattdessen wurde viel über direkte Demokratie geredet, kommenden Jänner werden die Österreicher und Österreicherinnen über die Wehrpflicht abstimmen. "Die direkte Demokratie ist aber kein Allheilmittel. Wir brauchen ein persönlichkeitsorientiertes Wahlrecht, das den Einfluss der Parteiapparate reduziert", sagt Herwig Hösele, Generalsekretär der Wahlrechts-Initiative.

Wahl-Reform erforderlich

Tatsächlich muss das Wahlgesetz noch vor der Nationalratswahl 2013 novelliert werden, da durch Bezirkszusammenlegungen neue Wahlkreise gebildet werden müssen. Die Tür geht also einen Spalt auf. Die IMWD, der prominente Ex-Politiker, Wirtschaftstreibende und Journalisten wie Karl Blecha, Gerd Bacher, Erhard Busek, Fritz Molden und Claus Raidl angehören, will diese Chance nützen.

"In den Gemeinden gibt es ja schon Persönlichkeitswahlen, da wird der Bürgermeister meist direkt gewählt", sagt Neisser. Auf Bundesebene wünscht er sich, dass 100 der bisher 183 Mandate direkt mit Vorzugsstimmen ins Parlament gewählt werden. Derzeit muss ein Politiker ein Sechstel der Wähler in seinem Wahlkreis überzeugen, um vorgereiht zu werden. Bisher haben lediglich drei diese hohe Hürde genommen. "Man sollte das reduzieren, etwa auf ein Zehntel", sagt auch Werner Zögernitz, der Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Er ist zwar nicht Teil von Neissers Initiative, eine Aufwertung der Vorzugsstimmen hält aber auch Zögernitz, selbst viele Jahre Direktor des ÖVP-Parlamentsklubs, für angebracht.

Weiterhin kaum Vertrauen

Ein klassisches Mehrheitswahlrecht wie im anglosächsischen Raum wird gegenwärtig aber nicht einmal von Neisser gefordert, schon gar nicht, da mit dem Team Stronach nun eine weitere Partei aufgetaucht ist, die gute Chancen auf Mandate hat. "Das ist nur bei einem Zweiparteien-System adäquat möglich", sagt Neisser. Und dieser Zug ist in Österreich seit Mitte der 1980er-Jahre wohl abgefahren.

In der Änderung des Wahlrechts sieht die Initiative aber einen Schlüssel, um dem zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik entgegenzuwirken. Laut dem vorgestellten Demokratiebefund hat sich seit dem Vorjahr nichts gebessert: 72 Prozent vertrauen der Politik wenig bis gar nicht.