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Viele Wurzeln, ein Bekenntnis

Von Stefan Beig und Ania Haar

Politik

405 Jugendliche kamen zum Ersten Panorthodoxen Jugendtreffen nach Wien.


Wien. Assimilation sei schlecht, Integration wichtig, betont der serbisch-orthodoxe Pfarrer Petar Pantic vor 30 Jugendlichen. Assimilation führe zum Verschwinden der eigenen Identität, Integration bedeute hingegen Offenheit für die Gesellschaft. Natürlich: "Die Erde Gottes ist überall." Ein Bub bringt sich ein: "Es liegt nicht nur an uns. Wir sind offen. Es liegt an den Einheimischen. Viele akzeptieren uns nicht und sind gegen Zuwanderer." Eine andere Teilnehmerin hakt nach: "Egal, wie gut man sich integriert: Wenn einen die anderen nicht akzeptieren, kann man nichts machen."

Wir befinden uns beim Workshop "Fremd sein - zu Hause sein", der am Wochenende im Rahmen des Ersten Panorthodoxen Jugendtreffens Österreichs stattgefunden hat. Alle orthodoxen Konfessionen - mit Ausnahme der orientalisch-orthodoxen Kirchen - waren am Treffen beteiligt. Aus zehn Workshops konnten am Samstagnachmittag die 405 aus ganz Österreich angereisten Jugendlichen wählen. Veranstaltungsort war die Kirchliche Pädagogische Hochschule in Wien-Strebersdorf. Nach dem Wunsch der orthodoxen Bischofskonferenz, von der die Idee zum Treffen geboren wurde, soll sich Österreichs orthodoxe Jugend hier besser kennenlernen.

Der anwesende Religionslehrer Mladen Dobrilovic hat schon einige Integrationserfahrungen hinter sich, wie er den Workshop-Teilnehmern erzählt. Der Sohn serbischer Eltern wurde in Deutschland geboren. "Als ich im Kindergarten meinen Vornamen nennen musste, wurde ich ausgelacht: Haha, das klingt wie Marmelade. Als ich später in Belgrad studiert habe, war ich der Schwabo." Seit acht Jahren unterrichtet er in Wien, seine Kinder sind hier geboren. "Mein sechsjähriger Sohn hält beim Fußball zu Serbien, aber ebenso zu Rapid. Ich habe gelernt: Es ist nicht so wichtig, wo du geboren wirst. Mich stören Nationalismen, wie: Gott schütze die Serben oder Kroaten. Was ist mit den anderen? Solche Leute verstehen nichts von christlichen Grundwerten." Die nationale Identität sei vergänglich, erzählt er den Schülern. "Von Jesus lernen wir etwas Unvergängliches."

Die meisten orthodoxen Jugendlichen in Österreich haben serbische Wurzeln, andere kommen unter anderem aus Rumänien, Griechenland, Bulgarien und Russland. "Ich freue mich, hier die versammelten Gläubigen der vielen verschiedenen orthodoxen Traditionen zu sehen. Diese Vielfalt ist sicher einer der größten Schätze, den unser Glaube hervorgebracht hat", betonte der griechisch-orthodoxe Metropolit und Vorsitzende der orthodoxen Bischofskonferenz Arsenios Kardamakis beim Eröffnungsgottesdienst. Doch die Veranstaltung sei auch ein "Zeugnis der Einheit unserer Kirche", wie er gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärt.

Einige Jugendliche sind extra aus Vorarlberg mit ihrem Religionslehrer angereist. Von der Veranstaltung sind sie begeistert, vor allem wegen der großen Anzahl an teilnehmenden Jugendlichen und Priestern. Nur sei über manche Themen zu oberflächlich gesprochen worden. Sehnsucht in das Herkunftsland ihrer Eltern - Serbien - hätten sie schon, aber nach zwei Monaten Sommerurlaub bei den Verwandten wollten sie dann doch wieder zurück. Österreich sei ihre Heimat, Serbien ihr Vaterland, betonten sie beim Workshop mit dem Militärseelsorger Alexander Lapin. In Vorarlberg funktioniere die Integration auch schon andersrum. "Viele Österreicher und Türken gehen bei uns in die serbischen Discos", erzählt ein Jugendlicher stolz.

Die langen Schattendes Kommunismus

In Österreich seien die orthodoxen Christen gut integriert, meint Metropolit Arsenios Kardamakis. "Österreich ist uns eine gastfreundliche Heimat geworden", hielt er beim Gottesdienst fest. "Es ist das Land, das es uns ermöglicht, unseren Glauben zu leben und zu entfalten." Das ist in vielen Herkunftsländern der orthodoxen Christen nicht selbstverständlich. "Unter Tito durften wir nicht einmal Gottes Namen in der Schule nennen", erinnert sich Branislav Djukaric, Fachinspektor und Leiter des Schulamtes. Er stammt aus Bosnien. Speziell die serbisch-orthodoxe Kirche habe leiden müssen, da sie im Gegensatz zur katholischen Kirche keine Anbindung an den Vatikan gehabt hat. Doch auch heute sei die Lage in Österreich besser als in vielen orthodoxen Ländern. "In Russland oder in Bulgarien gibt es keinen Religionsunterricht."

Seit 20 Jahren wird in Österreich christlich-orthodoxer Religionsunterricht erteilt. "Viele Familien stammen aus kommunistischen Ländern und sind nicht kirchlich sozialisiert", erzählt der Religionslehrer Pashalis Archimandritis. Zurzeit gibt es österreichweit erst 80 orthodoxe Religionslehrer, meist unterrichten sie nachmittags in eigens zusammengestellten Gruppen. Etwas mehr als 10.000 Schüler nehmen am Unterricht teil, viele davon kommen aus religiösen Familien. Bei einigen würden aber sympathische Religionslehrer das Interesse an Religion wieder wecken, berichtet Archimandritis.

Voll des Lobes sind die Anwesenden für die Kirchliche Pädagogische Hochschule, an der das Jugendtreffen stattfindet. Als einzige Hochschule in ganz Europa ist sie ökumenisch ausgerichtet. Von einer "phantastischen Atmosphäre und fruchtbarer Konfrontation", spricht etwa Militärseelsorger Alexander Lapin, der hier selber lehrt. 2007 wurde die Institution gegründet, fünf christliche Konfessionen sind hier unter einem Dach vereint: die katholische und evangelische Kirche A.B. sowie H.B., ebenso die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen sowie die altkatholische Kirche. Hier werden Österreichs Religionslehrer ausgebildet.

Äthiopisch-orthodoxe Kirche feiert Meskel-Fest

Das panorthodoxe Jugendtreffen soll künftig jährlich stattfindenden. Die Gründung einer orthodoxen Jugendorganisation ist geplant. Seit Sonntag ist auch die "Orthodoxe Kirchenzeitung" erhältlich, die auf einer Kooperation zwischen der orthodoxen Kirche, dem Staatssekretariat für Integration und dem Österreichischen Integrationsfonds basiert.

Feierlich verlief auch das Wochenende der äthiopisch-orthodoxen Gemeinschaft. Am Sonntag haben in der Tewahedo-Kirche in Wien-Schwechat die Gläubigen eines ihrer wichtigsten Feste gefeiert: das Meskel-Fest. Meskel (das Kreuz) erinnert an die Auffindung des wahren Kreuzes Jesus durch die Kaiserin Helena, Mutter des römischen Kaisers Konstantins des Großen. Das Kreuz, an dem Jesus Christus gestorben ist, soll Wunder, Bekehrungen und Heilungen bewirkt haben.

Erst im Jahr 326 soll Kaiserin Helena während ihrer Pilgerreise nach Jerusalem das Kreuz gefunden haben. Sie bekam von Gott ein Zeichen; ein Feuer wurde angezündet, dessen Rauch den Weg zum vergrabenen Kreuz zeigte. So feiert jedes Jahr, Ende September, die äthiopisch-orthodoxe Kirche das Meskel-Fest.

Nach einer langen Zeremonie in der Kirche, die rund vier Stunden dauerte, gingen die Gläubigen in einer Prozession hinter die Kirche. Ein aus Holzstücken gebauter Scheiterhaufen (Demera) wurde vom Priester in Begleitung von Diakonen gesegnet, geweiht und angezündet, dann mit Gesang und lautem Getrommel umkreist, bis das Feuer aus war. Abschließend wurde gespeist. Ein paar Freunde außerhalb der Gemeinde waren gekommen, um mitzufeiern. Eine ältere Dame war bereits zum zweiten Mal hier: "Mein Neffe hat eine Äthiopierin geheiratet. Ich habe mir gedacht, dass Mutter und Kind hier Unterstützung brauchen, also habe ich angefangen, im Selbststudium Amharisch zu lernen."

Obwohl das Meskel-Fest eine alte Tradition ist, fand die Gemeinde ihre geistige Stätte erst vor 15 Jahren, davor wurde im kleinen Kreise im zehnten Wiener Bezirk gefeiert. "Wir haben lange nach einer passenden Kirche gesucht", erzählt Tsige Mesele vom Kirchenvorstand, "und es war nicht einfach für uns." In der römisch-katholischen Dreifaltigkeitskirche in Kleinschwechat, die entsprechend umgestaltet wird, versammeln sich die äthiopisch-orthodoxen Christen jeden Sonntag um acht Uhr, um ihren drei- bis vierstündigen Gottesdienst in amharischer Sprache zu feiern. Die Gemeinde hat 150 bis 200 Mitglieder; wie viele es tatsächlich sind, weiß keiner so genau. Derzeit fehlt der Gemeinde in Äthiopien ein Patriarch. Nachdem das Kirchenoberhaupt Abune Paulos Mitte August verstorben ist, wird nach einem Nachfolger gesucht.